Aktien, aber sicher!
Aktien bleiben auch nach dem katastrophalen Start ins Jahr ohne echte Alternative. Da weitere Kurskapriolen aber ebenso möglich sind wie eine rasche Erholung, sollten Anleger ihre Engagements jedoch zumindest kurzfristig absichern
Ein Auftakt nach Maß sieht wahrlich anders aus. Statt optimistisch ins neue Jahr zu starten, machen sich Investoren rund um den Globus zunehmend Sorgen: Über die Zukunft der Wirtschaft und der Finanzmärkte in China, über einen scheinbar nicht endenden Preisverfall am Rohölmarkt, über die künftige Politik der US-Notenbank und schließlich auch über die Situation in Nahost und die Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Dieser Cocktail hat dem DAX und anderen Aktienindizes einen der schwächsten Jahresauftakte ihrer Geschichte beschert und hatte bis heute immense Punktespannen innerhalb einzelner Handelstage zur Folge.
Zwar ist keines der angesprochenen Probleme aus dem Nichts aufgetaucht; ähnliche Sorgen dominerten an den Aktienmärkten bereits im Spätsommer vergangenen Jahres. Doch ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich aus den genannten Faktoren einzeln oder im Verbund Risiken für die Weltwirtschaft und die globalen Finanzmärkte ergeben, die die Nervosität der Anleger nicht ganz unbegründet erscheinen lassen. Viele Anleger mögen die aktuelle Situation daher zum Anlass nehmen, aus dem Aktienmarkt auszusteigen oder mögliche (weitere) Verluste mittels Stop-Loss-Marken zu begrenzen. Niemand kann sagen, ob ein Ausstieg zum jetzigen Zeitpunkt noch sinnvoll ist. Denn es ist alles andere als gewiss, dass sich der Abwärtstrend aus den ersten Wochen des Jahres am Aktienmarkt fortsetzt. Mit Blick auf die Fundamentaldaten erscheinen die jüngsten Korrekturen schon jetzt etwas übertrieben. Schon im März könnte zudem EZB-Chef Mario Draghi die Aktienmärkte mit noch mehr Liquidität ein weiteres Mal beflügeln. Eine Aussicht, die im Übrigen klar macht, dass sich am Investmentumfeld nicht alles gegenüber 2015 geändert hat. So herrscht weiterhin ein Mangel an Alternativen zum Aktienmarkt, die auch nur halbwegs attraktive Erträge versprechen. Aus genau diesem Grund können mittelfristig orientierte Anleger auch einen ungewollten Ausstieg vermeiden und angesichts der teilweise enormen Schwankungen mit vergleichsweise großzügigen Stop-Loss-Kursen arbeiten.
Um dennoch nicht von einer möglichen schärferen Korrektur erwischt zu werden, sollten Anleger erwägen, ihr Aktiendepot vorübergehend ganz oder teilweise gegen Verluste abzusichern. Eine statische Absicherung gegen Kursverluste bis zu einem festgelegten Zeitpunkt lässt sich relativ einfach mittels Put-Optionsscheinen umsetzen. Dabei bleibt den Anlegern die volle Kurschance erhalten, während Verluste sich nur bis zu einem festgelegten Indexstand auf das Depot auswirken. Dafür zahlen Anleger eine Prämie. Die "Vollkasko-Variante" ist derzeit angesichts der hohen Schwankungen allerdings nicht ganz billig zu haben, sind die Preise für Optionsscheine doch unter anderem abhängig von der impliziten Volatilität, also der erwarteten Schwankungsbreite des Basiswerts. Zudem steigt die Versicherungsprämie mit der Laufzeit.
Wer mit weiteren Rücksetzern im Jahresverlauf rechnet und sein DAX-Depot daher bis Mitte Dezember vollständig absichern möchte, muss dafür derzeit den Gegenwert von fast zehn Prozent seines Depots aufwenden. Der Index müsste also mindestens zehn Prozent zulegen oder abgeben, damit Anleger ihre Versicherungsprämie wieder hereinholen. Etwas günstiger fällt eine Absicherung gegen kurzfristige weitere Kurskapriolen aus. Wer mit einer Beruhigung der Märkte im Lauf des Frühjahrs rechnet, sichert sich den aktuellen DAX-Stand beispielsweise bis Ende April.
Für die Komplettabsicherung eines 20.000-Euro-DAX-Depots braucht er bei einem Indexstand von ca. 9.750 Punkten entsprechend der "Anteile", die er am DAX hält, und dem üblichen 0,01er Bezugsverhältnis ungefähr 205 Put-Optionsscheine (20.000/9.750 x 0,01). Ein ausgewählter Schein mit Laufzeit bis 29. April 2016 und Basispreis von 9.750 kostet aktuell um die 5,60 Euro, sodass sich die Versicherungsprämie auf etwa 1.150 Euro summiert. Das sind 5,7 Prozent des Depotwerts, die angesichts der aktuell zu beobachteten Tages- und Wochenspannen gut eingesetzt sein könnten. Wem auch das zu stattlich erscheint, der kann auf Papiere mit einem geringeren Basispreis ausweichen, die dann natürlich nur vor höheren Verlusten schützen, oder aber nur einen Teil seines Portfolios über Optionsscheine absichern.
Welche Variante auch gewählt wird: Hedging bietet die Möglichkeit, das Risiko vorübergehend zu minimieren, ohne sich die Chancen auf weitere Kursgewinne zu nehmen - und das alles bei einem planbaren Kapitaleinsatz.
Dirk Heß, Finanzexperte der Citigroup, schreibt zu aktuellen Markt- und Derivate-Themen. Als Co-Head EMEA Warrant Sales & Distribution bei der Citi besitzt er langjährige Expertise in allen Fragen rund um Börse und Investments. In seinem regelmäßigen Kommentar gibt Dirk Heß fundiertes Fachwissen weiter. Die Citigroup ist seit dem Jahr 1989 als Emittent von strukturierten Produkten permanent am deutschen Markt vertreten und feierte 2014 ihr 25-jähriges Jubiläum.
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