Neuemissionen: Investorenstreik

Die Rahmenbedingungen am Primärmarkt sind unverändert positiv, dennoch will das Emissionsgeschehen immer noch nicht in Gang kommen.
Trotz Preis-Hausse am Aktienmarkt, halten sich die Investoren weiter zurück was natürlich auf den IPO-Elan der Emittenten durchschlägt. Die Preisentwicklung junger Aktien gibt aber keine Veranlassung zu der Anlegerskepsis.
Die aktuelle Analyse der Stimmung am Primärmarkt zeichnet ein positives Szenario: Die Volatilität ist weiterhin niedrig, die Aktienpreise im Handel haben sich positiv entwickelt, der DAX steht konstant hoch und das IPO-Klima bleibt grundsätzlich stabil. Einzig das niedrige wahrgenommene Underpricing trübt das Bild. Im betrachteten Zeitraum gab es mit der RTL Group, KION und der Deutschen Annington drei Börsengänge, die teilweise recht holprig ausfielen.
Insgesamt erreicht der Deutsche Börse IPO-Indikator mit 30,44 Punkten nahezu denselben Wert wie vor drei Monaten.
Für den Deutsche Börse IPO-Indikator, der sich intensiv mit den Rahmenbedingungen am Primärmarkt befasst, werden alle drei Monate die relevanten Akteure am Primärmarkt – Anleger, Unternehmer und Emissionsbanken – nach ihren Erwartungen gefragt und die Ergebnisse der Befragung mit quantitativen Größen - im einzelnen Aktienpreisen, Kurs/Gewinn-Verhältnisse, Volatilität und Zeichnungsgewinne ergänzt.
Niedriges Volatilitätsniveau...
Die erwartete Schwankungsbreite der Aktienkurse im Handel ist weiterhin verhältnismäßig klein. Gemessen am VDAX-New rechnen die Marktteilnehmer auf 30-Tagessicht mit Schwankungen von rund 16 Prozent. Seit Herbst vergangenen Jahres steht der VDAX-New bis auf wenige Spitzen unter 20 Prozent. Lediglich Februar und Juni ging die Volatilität jeweils zum Monatsende bis auf 25 Prozent hoch, um gleich darauf wieder zurückzufallen. Volatilität im Aktienhandel erhöht die Unsicherheit über die Preisentwicklung auch am Primärmarkt und damit über den Kurserfolg eines Börsengangs aus Sicht der Unternehmen und begleitenden Banken.
... bei einer Aufwärtsbewegung des DAX
Zwischen den Preisen im Aktienhandel und dem IPO-Markt besteht ein starker Zusammenhang. Analysen zeigen, dass einem Aufschwung am Primärmarkt in der Regel Kursgewinne vorausgehen. Der deutsche Aktienmarkt hat gemessen am DAX im betrachteten Zeitraum etwa um 4 Prozent zugelegt, gemessen am marktbreiteren CDAX mit allen Aktien im regulierten Markt sogar um 6 Prozent. Das unter geringen Schwankungen steigende Preisniveau sollte eigentlich stimulierend auf die Unternehmen wirken, da sie mit höheren Erlösen für ihre eigenen Aktien rechnen können.
... und unverändert niedrigem wahrgenommenen Underpricing
Im betrachteten Zeitraum fanden drei Börsengänge statt. Der Medienkonzern RTL Group emittierte seine Aktien zu 55,50 Euro und startete mit demselben Preis in den Handel. Der Gabelstapler-Produzent KION kostete vor Handelsaufnahme 24 Euro und im Handel zunächst 19 Cent mehr. Das Wohnbauunternehmen Deutsche Annington emittierte seine Aktien zu 16,50 Euro, der erste Preis war 60 Cent höher. Der vielbeachtete Börsengang von Osram fließt als Spin-Off hier nicht ein. Insgesamt ist das wahrgenommene Underpricing weiterhin mit -5,35 Prozent unter der Grenze zwischen Zeichnungsverlust und Zeichnungsgewinn. Zuletzt lag dieser Indikator im Juni 2010 im positiven Bereich. Demnach gab es aus Investorensicht seit gut drei Jahren im Durchschnitt keine Zeichnungsgewinne.
Die Preissignale des Underpricing sind ein wichtiges Element in der Entwicklung der Primärmärkte. Insbesondere Zeichnungsgewinne, also die Differenz zwischen Emissionspreis und erstem Preis als Maßstab für Zeichnungsgewinne, spielen eine große Rolle, weil sie Kaufbereitschaft spiegeln und gleichzeitig eine sich selbst verstärkende Feedbackschleife bei Investoren auslösen.
...bei nahezu stabilem IPO-Klima
Die Stimmung am Primärmarkt bleibt gut, das IPO-Klima ist auf 32,16 Punkte sogar leicht gestiegen. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Erwartungen der Emittenten weiterhin abfallen. Angesichts der Schwierigkeiten, die die Unternehmen mit den Börsengängen hatten, überrascht diese Haltung kaum. Emittenten rechnen damit, die gewünschte Bewertung ihrer Aktienemission am Markt nicht durchsetzen zu können.
Die Stimmung am Primärmarkt wird mit Hilfe einer Befragung von Entscheidungsträgern bei Banken, Emittenten und Investoren von der Deutschen Börse erhoben. Die Ergebnisse dieser Befragung werden in einem Indexwert, dem IPO-Klima zusammengefasst. Der historische Verlauf dieses IPO-Klimas ist in Abbildung 5 dargestellt. Wie man sehen kann, spiegelten die subjektiven Einschätzungen die tatsächliche Entwicklung am Primärmarkt gut wieder.
Fazit: Investorenstreik
Obwohl die Indikatoren mehrheitlich für eine Belebung des IPO-Geschehens sprechen, ist dieses erneut ausgeblieben. Zentraler Moment ist vermutlich die Zurückhaltung der Investoren. Vor Beginn der Hausse war vielfach zu hören, die Aktien etablierter Unternehmen seinen unterbewertet, somit müsse man nicht das höhere Risiko auf sich nehmen, in Kapitalmarktneulinge zu investieren. Nun scheint den Investoren das Risiko immer noch zu hoch zu sein, bzw. nicht durch Zeichnungsgewinne ausreichend prämiert.
Dass das Misstrauen der Anleger unbegründet ist, zeigt ein Performancevergleich: Junge Aktien entwickeln sich keineswegs schlechter als „alte Hasen“. Berechnet man die Wertentwicklung einer Anlage in alle IPOs der vergangenen 36 Monate bei einem Kauf zum ersten Börsenkurs und gewichtet diese zudem nach ihrem Emissionsvolumen, dann haben die neuen Unternehmen an der Börse den DAX seit der Finanzmarktkrise übertroffen. Scheinbar reagieren Investoren empfindlich auf die ausgebliebenen Kurssprünge der zurückliegenden Börsengänge.
Abgesehen davon sprechen die Rahmenbedingungen am Primärmarkt für eine IPO-Welle, mit der aus saisonalen Gründen ohnehin erst ab Mitte September, Anfang Oktober zu rechnen wäre. Grafiken und Daten zu den einzelnen Aussagen finden Interessierte auf boerse-frankfurt.de/sentiment
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)