Börse Frankfurt-News: "Zinsen, Politik, Technologie ... was wird der Treiber?"
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondmanager Peeters leitet aus den großen Trends und Ereignissen keine aprupten Maßnahmen ab, sondern schaut lieber ins Detail der einzelnen Unternehmen.
24. Juli 2023. FRANKFURT (pfp Adisory). Die neue Woche startet. Anleger, Analysten und Kommentatoren sortieren sich montagmorgens wie gehabt und es gibt wieder reichlich Fixpunkte, an denen sich Börsianer orientieren können. Angefangen von den Notenbanken über verschiedene politische Geschehnisse bis hin zu aggregierten volkswirtschaftlichen Rahmendaten und technologischen Veränderungen ist alles dabei, was potenziell Kurse bewegt.
Werden am Mittwoch die amerikanische und tags darauf die europäische Notenbank die lang ersehnte Wende im laufenden Zinszyklus zumindest verbal einleiten? Weitgehende Einigkeit besteht auf dem Parkett darüber, dass es nun noch einmal Erhöhungen um jeweils 25 Basispunkte geben soll, aber was kommt dann? Wird konstatiert, dass die Inflation ausreichend bekämpft wurde und nun wieder eine Stärkung der Wirtschaft geboten sei? Oder wird darauf verwiesen, dass sekundäre Inflationseffekte etwa bei den Löhnen zu stark seien, um die Zügel lockerzulassen? Oder werden sich Jerome Powell und Christine Lagarde so durchschaubar wie eine Sphinx geben und vielleicht auch deshalb Optionen offenhalten, weil sie nicht wissen, was kommt?
Viele Orientierungspunkte für den Anleger bietet auch die Politik, und dies lokal und international: Wird der Krieg in der Ukraine sich in irgendeiner Form ausweiten? Kommt es zu verstärkten Spannungen zwischen der Volksrepublik China und Taiwan? Oder treten in den kommenden Tagen innenpolitische Themen in den Vordergrund: Werden beispielsweise die anhaltend schlechten Umfragewerte dafür sorgen, dass die in Berlin regierende Koalition nun ihre stark kritisierte Standort- und Energiepolitik verändern wird, um den wirtschaftlichen Unterbau zu erhalten? Oder stellt sie weiter andere, mehr ideologisch motivierte Ansätze in den Mittelpunkt?
Auch hinsichtlich der weltwirtschaftlichen Gemengelage (Welche Regionen driften in eine Rezession ab?) und der technologischen Veränderungen (Welche Wirtschaftszweige werden als nächstes von Künstlicher Intelligenz disruptiert?) gibt es etliche Komponenten, die Investoren im Auge behalten und ggf. in ihre Strategien einbauen können.
Das Problem aus meiner Sicht: Die Gefahr, sich zu verzetteln, ist wirklich groß. Natürlich muss man, um bei dem zuletzt genannten Beispiel zu bleiben, reagieren, wenn ein Geschäftsmodell durch den technischen Wandel vollkommen zertrümmert wird. Ein plakatives Beispiel sind Kutschenhersteller, die vor über 100 Jahren durch die Automobilrevolution praktisch komplett verdrängt wurden.
Jedoch: Selten passiert so etwas über Nacht, und ich finde es ausgesprochen kontraproduktiv, sich permanent auch kurzfristig von allen potenziellen Einflussfaktoren lenken oder vielleicht fehlleiten zu lassen. Natürlich klingt es immer clever und überlegt, wenn professionelle Anleger erläutern, wie sie Konjunktur, Zinsen, Politik etc. "in ihre Modelle einfließen" lassen. Ich persönlich glaube indes, dass weniger im Sinne einer klaren Fokussierung hier oft mehr ist.
Zumindest halten wir es bei pfp Advisory für probat und erprobt, uns in einem "Bottom-Up-Ansatz" auf die Einheiten zu konzentrieren, in denen in einer Marktwirtschaft das wirtschaftliche Geschehen stattfindet: die Unternehmen. Es gibt von Zinsen über Steuern bis hin zu technologischen Veränderungen eigentlich nichts, was sich in den Unternehmen nicht indirekt wiederfindet. Praktisch dabei: Wenn zu hoch gehypte Dinge dann doch keine große Rolle oder nur eine temporäre Rolle spielen, dann merkt man es ebenso in der Zahlenwelt. Sicher oft zeitlich versetzt, dafür aber präzise.
Stock-Picking bedeutet sicher nicht, dass Beobachtung und Analyse wenig aufwändig sind, gerade jetzt in der wieder anlaufenden Berichtssaison. Eben deshalb erachte ich es als sinnvoll, sich nicht zu sehr mit den großen Rahmenbedingungen zu beschäftigen, die zwar für Schlagzeilen sorgen, aber eben auch eher langfristig wirken. Aus diesem Grunde ist auch eine Woche mit zwei Notenbanksitzungen selbst an einem möglichen Wendepunkt des aktuellen Zinszyklus ein normaler Abschnitt, der keiner besonderen Maßnahme bedarf.
von Roger Peeters, 24. Juli 2023, © pfp Advisory
Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)