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Börse Frankfurt-News: "Was treibt die Börsen im Moment an?"

01.11.23 08:37 Uhr

Börse Frankfurt-News: "Was treibt die Börsen im Moment an?" | finanzen.net

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Peeters sieht viele Einflussfaktoren auf die Verfassung der Aktienmärkte über das geo- und wirtschaftspolitische hinaus, und mehr als öffentlich diskutiert wird.

1. November 2023. FRANKFURT (pfp Adisory). Ich habe neulich in einem Hotel eher zufällig eine der großen TV-Nachrichtensendungen mit "Schalte" an den Börsenkorrespondenten gesehen. Zuvor habe ich, weil ich diese Sendungen üblicherweise nicht schaue, auch lange Zeit nicht diese Einbettung von Kapitalmarkt in Nachrichtensendungen "für die Massen" gesehen und war auch prompt überrascht. Im Beitrag zuvor ging es um die neueste Präsentation der Pläne, wie der amtierende Resssortchef Robert Habeck die deutsche Wirtschaft umbauen will. Ich empfand diese Pläne als weder neu noch als konkret.

Anders sah es wohl das Duo Moderator/Börsenkorrespondent. Denn es wurde die Kursbewegung des Tages (einer der wenigen positiven Tage in mehreren Wochen mit sonst zumeist fallenden Indizes) praktisch monokausal an die HabeckŽsche Präsentation angeknüpft. Es wurde noch spekuliert, ob die Auswirkung in Indexpunkten angemessen ist. Mein intuitiver Gedanke war in etwa "die sind ja witzig, vielleicht sollten sie mal auf die Umlaufrenditen von US-Bonds schauen, welche heute wieder stärker von der magischen 5 Prozent-Marke entfernt haben". Das war meiner Meinung nach die wesentliche Einflussgröße für den Handel an diesem Tag.

Anschließend habe ich das TV ausgemacht, das Hotel verlassen und die Gedanken noch mal reflektiert. Nicht, dass ich beim Reflektieren dem Thesenpapier nun mehr Relevanz zuordnen wollte, aber "nur" die Zinsen sind es wohl nun auch nicht. Weder an dem besagten Tag, noch generell. Im Moment erleben wir eine vielfältige Summe von Einflussfaktoren, die nicht immer trivial einzuordnen sind. Neben der Ausrichtung auf den Komplex Notenbanken/Zinsen/Inflation ist die Geopolitik, unter anderem mit der Krise in Nahost, eine unberechenbare Variable, nicht nur hinsichtlich der Wirkung auf den Ölpreis. Die konjunkturelle Lage, in vielen Ländern an der Schwelle zur Rezession, hat natürlich eine Relevanz, die durchaus heterogene Unternehmensbewertungen ebenso. Und selbstverständlich hat die Politik gerade im Moment einen gewichtigen Einfluss auf Wirtschaft und Börse, wenn auch ausgesprochen selten eine positiven, zumindest hier in Deutschland.

Über die vielfachen Einflussfaktoren, hier nur ganz leicht angerissen, kann man viel nachdenken oder auch spekulieren. Letzteres sehe ich ob der Erfolgschancen kritisch, weshalb ich zum wiederholten Mal unseren bei pfp Advisory konsequent durchgezogenen "bottom-up"-Ansatz für den langfristig besseren Ansatz halte. Gleichwohl sorgt die Beschäftigung mit der Materie natürlich dafür, sich zumindest auch stets Gedanken zum Makro-Geschehen zu machen.

Und was mir in der derzeitigen Phase dabei hinsichtlich vieler Faktoren auffällt: Sicher nicht alle, aber doch markante Determinanten können sich recht einfach und vor allem sehr schnell in ihrer Wirkung umkehren. Weniger die wirklich komplexen Fragen in der Geopolitik, aber sehr wohl die Vorgehensweisen der Notenbanken oder auch die Attitüde der Politik zur Wirtschaft: Gerade in Europa und hier noch mal besonders in Deutschland hatte man in den letzten Jahren andere Prioritäten und nahm auch deutliche Beschädigungen des Kapitalstocks in Kauf. Sollte die Regierung nun, auch getrieben von desaströsen Umfragewerten, umsteuern oder sich der Souverän (also das Volk) eine andere Regierung installieren über kurz oder lang, hätte die Wirtschaft statt permanentem Gegenwind sogar Rückenwind, was vermutlich auch die Märkte reflektieren würden.

Kurzum: Auch wenn die Gemengelage an der Börse unübersichtlich und im Trend schwierig ist in diesen Tagen: Ich wäre nicht überrascht, wenn selbst wenige punktuelle Veränderungen auch für deutliche und nachhaltige Trendwenden in stark gebeutelten Märkten sorgen würden.

von Roger Peeters, 30. Oktober 2023, © pfp Advisory

Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)