Börse Frankfurt-News: Was kommt nach der Inflations-Euphorie? (Wochenausblick)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Nach der jüngsten Kursrally haben sich die Aussichten für die Aktienmärkte vor allem charttechnisch verbessert. Inwieweit der DAX diese Ausgangslage nutzen kann, wird die entscheidende Frage in dieser Woche sein. Aus den USA kommt ab Donnerstag vermutlich keine Unterstützung mehr.
20. November 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Nach den deutlich besser als erwartet ausgefallenen US-Inflationsdaten kannte der DAX in der vergangenen Woche kein Halten mehr. Nach Ansicht der Commerzbank hat der nachlassende Inflationsdruck die Zinserhöhungsängste an den Finanzmärkten verscheucht. "Die Aktienmärkte reagierten teilweise euphorisch". Seit Dienstagnachmittag ist der deutsche Leitindex um 500 Punkte gestiegen und hat die Woche mit einem Plus von 4,5 Prozent bei 15.919 Punkten beendet. Dem S&P 500 als Pendant in den USA gelang "nur" ein Wochenanstieg von 2,2 Prozent. Nach etwas schwächeren Vorgaben aus Asien (Nikkei 225: minus 0,6 Prozent) ist der DAX heute Morgen zunächst ohne große Veränderungen zum Freitagsschluss in den Tag gestartet.
Aufbauspritze vs. Enttäuschungspotenzial
Robert Halver sieht gute Chancen, dass sich der Aufschwung tendenziell weiter fortsetzt. "Die Aussicht auf voranschreitende Inflations- und Zinsberuhigung wirkt auf die Aktienmärkte offensichtlich wie eine Aufbauspritze", erklärt der Stratege der Baader Bank. Längerfristiges Aufwärtspotenzial haben seiner Meinung nach vor allem "deutsche Aktien aus der zweiten Reihe, die besonders konjunktursensibel sind". Während die die Terminmärkte ab Mai mit der ersten von vier Zinssenkungen in 2024 rechnen, hält der Experte mit Blick auf die Überschuldung und verhaltene Konjunkturlage sogar einen früheren Start für möglich.
Halver
Die Analysten der Commerzbank sind da deutlich skeptischer. Nach den jüngsten Kursgewinnen ist der DAX ihren Berechnungen markttechnisch "überkauft", weshalb die Erholung nun an Fahrt verlieren dürfte. Da die Finanzmärkte zudem zurzeit ein recht optimistisches konjunkturelles Bild einpreisen, seien die Gewinnerwartungen für die Unternehmen weiterhin zu hoch. Das wird auch als entscheidender Grund angeführt, "warum das Aufwärtspotenzial für den DAX in den kommenden Monaten begrenzt sein sollte".
Nvidia-Zahlen und Thanksgiving in den USA
Während des jüngsten Kursaufschwungs standen insbesondere zinssensitive Sektoren wie Immobilen und Technologie im Fokus. Die LBBW erwartet in dieser Woche nun eine Antwort auf die Frage, "wie tragfähig diese Rally ist". Mitentscheidend dabei dürften die am Dienstag anstehenden Quartalszahlen von Nvidia sein. Zuletzt hatte der Chiphersteller die Erwartungen deutlich übertroffen. "Inzwischen dürften die Analysten die neue Welt der KI-Chips aber ausreichend modelliert haben, das Überraschungspotenzial also geringer sein als in den beiden Vorperioden", warnen die Analysten vor einer zu großen Euphorie im Vorfeld.
Ab Donnerstag sind die europäischen Märkte dann mehr oder weniger auf sich allein gestellt, da in den USA Thanksgiving gefeiert wird. Am Freitag öffnen die US-Börsen zwar wieder, aber mit einer verkürzten Handelszeit. Während sich viele US-amerikanische Marktteilnehmer daher frühzeitig in ein verlängertes Wochenende verabschieden, wird es in der Eurozone nach Ansicht der Helaba mit den vorläufigen Einkaufsmanagerindizes am Donnerstag und dem ifo Geschäftsklima Deutschland am Freitag erst so richtig interessant.
Charttechnik und eine Feiertags-Anomalie
Jörg Scherer ist aus charttechnischer Sicht mit der jüngsten Entwicklung des DAX sehr zufrieden. Den erfolgreich absolvierten Sprung über die horizontalen Barrieren bei 15.500/15.600 Punkten bezeichnet er als "Befreiungsschlag" für den Index. Als nächstes Anlaufziel sieht er nun die Hochs vom September bei rund 16.000 Punkten, "ehe das alte Allzeithoch vom November 2021 bei 16.290 Punkten wieder in den Mittelpunkt rückt". Als "engmaschige Absicherung" biete sich dabei die Schlüsselzone bei 15.600/15.500 Punkten an.
Der technische Analyst von HSBC verweist mit Blick auf die angelaufene Woche zudem auf die Anomalie der "Thanksgiving-Rally". Seit Ende des zweiten Weltkrieges hat der S&P 500 nach seinen Berechnungen in der Thanksgiving-Woche in fast sieben von zehn Fällen zugelegt und dabei im Durchschnitt ein Plus von 0,62 Prozent generiert. Besonders gut sieht es demnach in der zweiten Wochenhälfte aus. Von der Eröffnung am Mittwoch bis zum Schlusskurs am "Black Friday" hat sich der US-Index seit 1945 in 76 Prozent aller Fälle positiv entwickelt. Ein Grund für dieses überdurchschnittlich positive Phänomen könnten psychologische Aspekte sei. Scherer erwähnt hier "die gute (Investoren-)Laune im Vorfeld von Feiertagen".
Scherer
Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftstermine der Woche
Dienstag, 21. November 2023
16.00 Uhr. USA: Verkäufe bestehender Häuser. Die US-Volkswirte der Deutschen Bank gehen davon aus, dass die Verkäufe bestehender Häuser im Oktober um weitere 4,0 Mio. (Konsens 3,9 Mio.) gestiegen sind.
Im Laufe des Nachmittags. Eurozone: Rede von EZB-Präsidentin Christine Lagarde
20.00 Uhr. USA: Protokoll der letzten Fed-Sitzung
Mittwoch, 22. November 2023
14.30 Uhr. USA: Auftragseingang langlebiger Güter. Umfragen deuten auf einen Rückgang der Aufträge um mehr als 3% hin. Die Deka fürchtet mit Verweis auf Boeing sogar 4,0 Prozent.
14.30 Uhr. USA: Erstanträge Arbeitslosenunterstützung. Die Helaba schätz den wöchentlichen gemeldeten Wert diesmal auf 225.000 (nach 231.000 in der Vorwoche).
Donnerstag, 23. November 2023
10:00 Uhr. Eurozone: Einkaufsmanagerindizes: Die Volkswirte der Commerzbank rechnen mit einer milden Rezession, weshalb die Indizes für den Dienstleistungssektor und das verarbeitende Gewerbe mit Werten von jeweils deutlich unter 50 (konkret: 48 und 43) Punkten weiter auf ein Schrumpfen der Wirtschaft deuten sollen.
USA: Die Märkte bleiben wegen Feiertrag (Thanksgiving) geschlossen.
Freitag, 24. November 2023
8:00 Uhr. Deutschland: BIP im dritten Quartal. Der Aufschwung lässt wohl weiter auf sich warten. Für die zweite Schätzung des Q3-Bruttoinlandsprodukts wird auf Quartalsbasis ein leichter Rückgang um 0,1% (0,4% ggü. Vorjahr) erwartet.
10:00 Uhr. Deutschland: ifo-Geschäftsklimaindex. Die Deutsche Bank erwartet für den November ein weiteres leichtes Plus von gut einem halben Punkt auf 87,5, was in erster Linie auf nicht mehr ganz so pessimistische Erwartungen zurückzuführen sein dürfte.
Von Thomas Koch, 20. November 2023 © Deutsche Börse AG
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)