Börse Frankfurt-News: "Schnelleres und beherzteres EZB-Handeln erwartet" Anleihen
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Der Zinsanstieg geht weiter, die Renditen vieler Staatsanleihen klettern auf neue Mehrjahreshochs. Und während die US-Notenbank die geldpolitische Wende längst vollzogen hat, häufen sich jetzt auch Anzeichen einer Straffung seitens der EZB.
22. April 2022. Frankfurt (Börse Frankfurt). Die Signale der EZB für eine Zinserhöhung mehren sich. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos erklärte am gestrigen Donnerstag, dass die Notenbank den Kauf neuer Anleihen im Juli beenden und noch im selben Monat die Zinsen erhöhen könnte. Laut Bundesbank-Präsident und EZB-Ratsmitglied Joachim Nagel könnte Anfang des dritten Quartals mit einer ersten Zinsanhebung gerechnet werden.
EZB-Chefin Christine Largarde räumte auf dem IWF-Frühjahrstreffen in Washington lediglich ein, dass die Inflationsrisiken kurzfristig "nach oben gerichtet sind. Die Geldpolitik hänge aber von den eingehenden Daten ab. "Es stellt sich die Frage, worauf die EZB noch wartet, um die Anleihekäufe einzustellen und die Zinserhöhungen einzuleiten", bemerkt Tim Oechser von der Steubing AG und verweist auf die in diesem Jahrtausend rekordhohen Inflationsraten und die jüngste Erkenntnis der EZB, dass die Inflation an Breite gewonnen hat. "Die EZB wird angesichts der hohen Inflation nicht umhinkommen, aktiv zu werden", ist Arthur Brunner von der ICF Bank überzeugt.
"Inflationsdynamik hat Zenit bald überschritten"
Am Markt setzt sich der Zinsanstieg fort, die Anleihekurse fallen. Laut Ralf Umlauf von der Helaba liegt das an "verstärkten Sorgen vor einem schnelleren und beherzteren Handeln der EZB und der Fed". Zehnjährige Bundesanleihen werfen mittlerweile fast 0,95 Prozent ab. Anfang des Jahres waren es noch minus 0,18 Prozent. Die Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen steuert jetzt auf 3 Prozent zu. Aktuell sind es 2,945 Prozent - nach 1,5 Prozent Anfang des Jahres.
Nach Einschätzung der Commerzbank wird sich die Dynamik nach oben aber nicht fortsetzen: "Die Ende nächster Woche anstehenden Verbraucherpreiszahlen für den Euroraum werden wohl nicht weiter zulegen", erklärt Anleihenanalyst Hauke Siemßen. "Das spricht dafür, dass die Inflationsdynamik ihren Zenit bald überschritten hat." Einer der Haupttreiber des Renditeanstiegs werde sich damit abschwächen, wenn auch auf vergleichsweise hohem Niveau. "Wir sehen daher Chancen für eine Stabilisierung der Bund-Renditen."
Schalke-Anleihe: Hoffnung auf Aufstieg und Prämie
Insgesamt ging es im Anleihehandel eher ruhig zu, wie die Händler berichten. "Auch Neuemissionen gab es wegen der Osterfeiertage kaum", meldet Brunner. "Die Liquidität ist zuletzt gesunken, die Bücher vieler Banken sind dünner, andere Marktteilnehmer fehlen", erklärt Oechsner. Allenfalls Banken wie die Bank of America hätten neue Anleihen platziert.
Gut nachgefragt ist Brunner zufolge derzeit die neue Anleihe von Schalke 04 mit 5,5 Prozent-Kupon und Laufzeit bis 2027 (DE000A3MQS49). "Schalke ist jetzt Tabellenführer in der zweiten Liga. Wenn der Aufstieg klappt, winkt Gläubigern eine Prämie von 2 Prozent."
Adler mit Kurssprung, Eusolag, Katjes und Ferratum gefragt
Dass die KPMG-Sonderprüfung des Immobilienkonzerns Adler Group zwar Mängel, aber - entgegen den Vorwürfen des britischen Leerverkäufers Fraser Perring - keinen Betrug ergeben hat, unterstützte die Anleihen. "Die Adler-Anleihen sind angesprungen", berichtet Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank. Der bis 2024 laufende Bond mit Kupon von 2,125 Prozent (XS1731858715) kletterte von gut 88 Prozent am gestrigen Donnerstag auf 94 Prozent am heutigen Freitag.
Auf den Einkaufslisten findet sich auch die im März emittierte Anleihe der Eusolag European Solar AG mit Kupon von 6,25 Prozent und Fälligkeit 2027 (DE000A3MQYU1), wie Oechser feststellt. Das Unternehmen hält ein Portfolio von Photovoltaikanlagen.
Kaufinteresse beobachtet Brunner für Papiere von Katjes (DE000A2TST99). Gesucht sind auch Bonds von Ferratum Capital Germany (SE0012453835). Die Anleihe war gerade um 40 Millionen Euro aufgestockt worden.
Ekosem: "Zähneknirschendes Abwarten"
Weiter schwach zeigen sich Papiere von Ekosem Agrar, der deutschen Holding des russischen Milchproduzenten Ekonovia. Die 2024 fällige Anleihe mit Kupon von 7,5 Prozent wird aktuell zu 9,15 Prozent gehandelt. "Es gibt kaum noch Umsatz", meldet Daniel. "Wer verkaufen will, hat verkauft. Der Rest wartet zähneknirschend ab."
Das Unternehmen leidet unter dem Ukraine-Krieg. Vor gut zwei Wochen hatte es den Gläubigern daher eine Laufzeitverlängerung der beiden Anleihen (DE000A2YNR08, DE000A1R0RZ5>) um jeweils fünf Jahre und eine Reduzierung der Kupons von 7,5 bzw. 8,5 Prozent auf nur noch 2,5 Prozent vorgeschlagen. Am 9. und 10. Mai sollen die Anleihegläubiger in außerordentlichen Versammlungen zustimmen.
von: Anna-Maria Borse 22. April 2022, © Deutsche Börse AG
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)