Börse Frankfurt-News: "Nur eine Rallye im Bärenmarkt?" (Marktstimmung)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 1. Juni 2022. FRANKFURT. Professionelle nehmen Gewinne aus Long-Positionen mit und Private warten eher ab. Keine gute Ausgangslage für steigende Kurse in unserer 1.000sten Sentiment-Analyse seit 2001.
Wenn man berücksichtigt, dass die Woche seit unserer vergangenen Stimmungserhebung von zwei Feiertagen dies- und jenseits des Atlantiks gekennzeichnet war, kann man die Handelsbandbreite des DAX von mehr als 5 Prozent fast schon als stattlich bezeichnen. Und im Punktvergleich hat das Börsenbarometer während dieses Zeitraums immerhin 3,2 Prozent an Wert gewinnen können. Dies, obgleich man keineswegs behaupten kann, dass sich die ökonomischen Rahmenbedingungen signifikant verbessert hätten.
Im Gegenteil, wenn man bedenkt, dass etwa die Verbraucherpreise in der Eurozone im Mai in einer ersten Schätzung mit einem Plus von 8,1 Prozent (ggü. Vorjahr) einen neuen Rekord markierten. Ein Ökonom brachte es angesichts der Erholung der Aktienkurse während der vergangenen Tage recht scharfsinnig auf den Punkt, als er äußerte, dass wir uns zwar in einem Bärenmarkt befänden, innerhalb dessen allerdings jederzeit Kurserholungen stattfinden könnten. Kurzum: Das Gros der Kommentatoren geht angesichts der Entwicklung an den US-Börsen, aber auch an den hiesigen Aktienmärkten davon aus, dass es sich beim jüngsten Aufbäumen der Indizes lediglich um eine Rallye im Bärenmarkt handelt.
Heimliche Hoffnung auf mehr
Diese Meinung spiegelt sich auch in unserer heutigen Stimmungserhebung unter mittelfristig orientierten institutionellen Investoren wider. Denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index ist mit einem Minus von 14 Punkten recht deutlich auf einen neuen Stand von -1 gefallen. Dabei hat sich die Gruppe der Optimisten gegenüber der Vorwoche um rund ein Fünftel reduziert. Hinter dieser Veränderung stecken in erster Linie Gewinnmitnahmen, wobei sich die Mehrheit der Wechselwilligen, nämlicj 60 Prozent, nicht direkt auf die Short-Seite, sondern erst einmal an die Seitenlinie begeben hat. Möglicherweise mit dem Hintergedanken, dass sich die bisherige DAX-Erholung doch noch weiter als bisher erlebt ausdehnen könnte.
Hinsichtlich der Stimmung der Privatanleger hat sich indes recht wenig getan. Unser Börse Frankfurt Sentiment-Index ist dort lediglich um 2 Punkte auf einen neuen Stand von -7 gestiegen - wir stellen eine kleine Verschiebung von 2 Prozent aller Befragten aus der Gruppe der neutral gestimmten Investoren zugunsten der Optimisten fest. An der pessimistischen Mehrheit von 41 Prozent der Befragten hat sich somit nichts verändert.
Kaum Indizien für Trendwende
Mit der heutigen Befragung hat sich die Stimmungskluft zwischen privaten und institutionellen Investoren wieder deutlich verringert. Nicht zuletzt, weil die DAX-Entwicklung der vergangenen Woche den in der Mehrheit befindlichen Optimisten unter den institutionellen Investoren in die Karten gespielt und somit mancherorts zu recht ordentlichen Gewinnmitnahmen geführt haben dürfte. Auch wenn sich der Sentiment-Index in dieser Gruppe fast auf neutralem Niveau befindet, zeigt die relative Sicht auf drei und sechs Monate, dass wir es derzeit eigentlich mit einem leichten Pessimismus zu tun haben. Nicht zuletzt, weil die Mehrheit der Akteure davon ausgeht, dass es sich bei der jüngsten Erholung lediglich um eine Korrekturbewegung im übergeordneten Bärenmarkt handelt.
Immerhin ist die jüngste Sentiment-Entwicklung für den DAX nicht von Nachteil, da die Optimisten aus der Vorwoche ihre zuletzt erfolgreiche Strategie in Form von Käufen auf niedrigerem Niveau - möglicherweise zwischen 14.050 und 14.100 - noch einmal wiederholen könnten. Allerdings gilt nach wie vor, dass die größeren Impulse für den DAX vermutlich nicht von den heimischen, sondern im Zweifel von langfristig orientierten Investoren ausgehen werden. Und für diese bedarf es stärkerer Indizien als die bisher vorliegende (technische) Korrektur, damit sie an eine echte Trendwende glauben.
1. Juni 2022, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)