Börse Frankfurt-News: "Mit Pessimismus zum Erfolg?" (Marktstimmung)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 24. August 2022. FRANKFURT. Aus die vermeintlich günstigen Kaufpreise reagieren nur wenige mit Käufen, aus Angst, wie Goldberg vermutet.
Gerade einmal eine Woche ist es her, da hatten sich viele Investoren noch verwundert die Augen gerieben und darüber gestaunt, dass der DAX trotz aller konjunkturellen und geopolitischen Risiken eine eindrucksvolle Rallye hinzulegen vermochte. Gut einen Monat dauerte diese Erholung an, und nun hat sie innerhalb einer Woche mehr als die Hälfte ihres Gewinns wieder verloren. In einem Aktienmarkt, der ohnehin von vielen Investoren als überzogen bullish eingeschätzt wurde, machten sich neue Sorgen wegen des Ausbleibens russischer Gaslieferungen breit - die Gaspipeline Nord Stream 1 soll Ende August für drei Tage angeblich für Wartungsarbeiten geschlossen werden - und führten zu panikartigen Käufen an den europäischen Gas- und Strommärkten. Und mit einem Mal rückten die beiden derzeit größten Marktrisiken (vgl. Umfrage der Bank of America aus der vergangenen Woche) wieder in den Vordergrund und in das Bewusstsein der Akteure: Die Angst, dass die Inflation hoch bleibt, sowie vor einer globalen Rezession.
Die Mehrheit der von uns befragten institutionellen Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont dürfte jedoch von der DAX-Entwicklung nicht negativ überrascht worden sein. Denn selbst wenn Angehörige der vergleichsweise hohen bearishen Mehrheit, die sich während der vergangenen Wochen gebildet hat, bereits deutlich vor dem August-Hoch verkauft hatten, dürften sie mittlerweile sogar ungünstige Einstandspreise wiedergesehen haben. Dennoch hat sich unser Börse Frankfurt Sentiment-Index gegenüber der Vorwoche lediglich um 11 Punkte auf einen neuen Stand von -21 erholt. Dabei hat sich die Gruppe der Pessimisten um 6 Prozentpunkte reduziert - das Gros von ihnen hat sich direkt wieder auf die Bullenseite begeben.
Investoren wenig überrascht
Eine entgegengesetzte Entwicklung zeigt sich indes bei den Privatanlegern, deren Ausgangsstimmung in der vergangenen Woche allerdings auch längst nicht so ausgeprägt negativ war wie die ihrer institutionellen Pendants. Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bei den Privatanlegern hat sich nämlich um 8 Punkte auf einen neuen Stand von -23 verschlechtert. Dabei handelt es sich übrigens um den niedrigsten Index-Stand seit Juli 2020, als sich die Stimmung infolge der Covid-19-Krise auf einem Tiefpunkt befand. Die neu hinzugekommenen Bären setzen sich übrigens zu einem Drittel aus ehemaligen Bullen und zu zwei Dritteln aus vormals neutral gestimmten Akteuren zusammen.
Mit der heutigen Befragung hat sich die in der vergangenen Woche noch bestehende Stimmungskluft zwischen privaten und institutionellen Investoren fast völlig verflüchtigt. Dabei fällt allerdings bei den institutionellen Investoren auf, dass sich trotz des deutlichen DAX-Rückgangs von 5,5 Prozent seit unserer vergangenen Stimmungserhebung wesentlich weniger Pessimisten als von uns erwartet zurückgezogen oder gar auf die Bullen Seite geschlagen haben.
Keine Lust auf Hausse
Mit anderen Worten: Die von Mitte Juli bis Mitte August entstandene kräftige DAX-Erholung wird offenbar nicht als Beginn einer Trendwende, sondern mehrheitlich lediglich als eine Rallye in einem übergeordneten Bärenmarkt eingeschätzt. Zumindest scheint die Angst vor noch deutlicheren Kursrückgängen als bisher schwerer zu wiegen als der Wunsch, etwaige Gewinne an bearishen Positionen bzw. Short-Absicherungen zu realisieren. Möglicherweise setzt man sogar auf einen Rücktest des Jahrestiefs des DAX (rund 12.391 Zähler).
Auf jeden Fall ist es auch ein wenig beruhigend, dass nicht die gesamte heimische Nachfrage aufgebraucht ist, sondern dem DAX bei weiteren Kursrückgängen zumindest eine gewisse Stütze bieten könnten. Auch aus langfristigen Quellen stünde immer noch viel Liquidität zur Verfügung, um an der Unterseite böse Überraschungen abzufedern.
24. August 2022, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)