Börse Frankfurt-News: Marktstimmung: "Eine Frage des Timings"
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Während private Anleger mit Aktienkäufen in den Herbst starten, zeigt sich bei den Profis ordentlicher September-Pessimismus. Eine Chance, aus der Sommerstarre zu kommen, wie Goldberg vermutet.
7. September 2023. FRANKFURT (Goldberg & Goldberg).Es ist schon bemerkenswert, aber durchaus nicht überraschend, dass der DAX in der vergangenen Woche abermals eine wichtige Hürde an der Oberseite nicht überwinden konnte. Unweit vor 16.050 Zählern war Schluss, und bis zu unserer heutigen Stimmungserhebung hat das Börsenbarometer von der Spitze der vergangenen Woche zeitweise 2,3 Prozent an Wert verloren.
Dass der DAX ein weiteres Mal an entscheidender Stelle kein Momentum aufbauen konnte, kann möglicherweise dem wegen eines Feiertags verlängerten Wochenende in den USA zugeschrieben werden. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass dem Markt die für einen Trend erforderlichen größeren Schieflagen zu fehlen schienen. Dafür spricht nicht nur die Entwicklung des hiesigen Sentiments während der vergangenen Wochen. Auch in den USA ist die Stimmung Ende August - gemessen an den Erhebungen der AAII (American Association of Individual Investors) - nach recht bullishen Wochen im Juli auf ein neutrales Niveau zurückgefallen.
Instis mit erhöhtem Einsatz
Unterdessen gab es bei den von uns befragten institutionellen Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont gegenüber der Vorwoche noch einmal eine deutliche Stimmungsverschlechterung. So ist unser Börse Frankfurt Sentiment-Index um weitere 16 Punkte gefallen und liegt nun bei -35. Dabei handelt es sich um den niedrigsten Stand seit dem 31. Mai. Dahinter steht übrigens ein Zuwachs des Bärenlagers um 11 Prozentpunkte - mit einem Anteil von 58 Prozent aller Befragten erreichte es sogar den höchsten Stand seit dem 18. Januar. Dieser Zuwachs speist sich zu gleichen Teilen aus ehemaligen Bullen und vormals neutral eingestellten Akteuren, die möglicherweise die DAX-Stände über 16.000, vielleicht auch aus fundamentalen Überlegungen heraus, in der vergangenen Woche zu bearishen Engagements genutzt haben.
Als umso überraschender könnte man auf den ersten Blick die Veränderungen bei den Privatanlegern interpretieren, denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index in diesem Panel ist um 11 Punkte auf einen neuen Stand von +7 gestiegen. Damit befindet sich der Index in diesem Panel zum ersten Mal seit dem 5. April wieder in positivem Terrain. Mehr als drei Viertel der um 9 Prozentpunkte gewachsenen Gruppe der Bullen stammen übrigens von vormals neutral eingestellten Investoren, die im Gegensatz zu ihren institutionellen Pendants vermutlich erst in die jüngste Schwäche hinein als Käufer aufgetreten sein dürften.
Verschiedene Einstiegs(zeit)punkte
Mit der heutigen Befragung hat sich die Stimmungskluft zwischen Privatanlegern und institutionellen Investoren noch einmal deutlich vergrößert, wobei in beiden Panels vermutlich eher preisliche als makroökonomische Erwägungen für die dahinter stehenden Entscheidungen ausschlaggebend waren. Und da der DAX allein im Wochenvergleich (stichpunktbezogen) 1,5 Prozent an Wert verloren hat, ist es nicht unwahrscheinlich, dass der größte Teil der Verschiebungen in den beiden Panels zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattgefunden hat.
Dabei fällt beim Pessimismus der institutionellen Investoren auf, dass dieser den dritthöchsten Stand aus den vergangenen zwölf Monaten erreicht hat. Auf Sicht von drei und sechs Monaten relativiert sich allerdings der jüngste Pessimismus, der in dieser Betrachtung längst nicht so ausgeprägt ist, wie dies der absolute Wert von -35 implizieren mag. Mit anderen Worten: Der heute ermittelte Pessimismus ist deutlich, aber noch nicht extrem. Für den DAX bedeutet er im Falle weiterer Kursrückgänge eine ordentliche Unterstützung vermutlich im Bereich um 15.450/500, wo wir die jüngsten Pessimisten als Nachfrager erwarten, um die Positionen der vergangenen beiden Wochen wieder einzudecken. Sollte der DAX auf der anderen Seite (etwa aufgrund langfristiger internationaler Nachfrage) doch noch die gedachte Obergrenze bei 16.050/16.100 Zählern knacken, könnte tatsächlich aufgrund der heutigen Positionierungen im Gegensatz zur Vorwoche eine ordentliche Short-Squeeze stattfinden.
7. September 2023, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)