Börse Frankfurt-News: "Guter Auftakt, aber zunehmende Korrekturrisiken" (Ausblick)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Die ganz im Zeichen der Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) stehende Börsenwoche beginnt beim DAX mit steigenden Kursen. Analysten warnen aber zunehmend vor einem bevorstehenden Ende der Kursrallye am deutschen Aktienmarkt.
3. Juni 2024. Die Aktienmärkte starten freundlich in die neue Woche. Nach guten Vorgaben aus den USA und Asien wird der DAX vorbörslich auf rund 18.650 Punkte taxiert und damit 0,9 Prozent höher als zum Ende der abgelaufenen Woche. Die hatte der deutsche Leitindex mit einem Minus von 1,0 Prozent bei 18.498 Punkten beendet. Der amerikanische S&P 500 war unter dem Strich um 0,5 Prozent gefallen, hatte am Freitag in der letzten Handelsstunde aber deutlich zulegen können. Diese späte Steilvorlage nahmen die asiatischen Börsen heute Morgen auf. Zusätzliche Unterstützung in Form von guten Konjunkturdaten sorgten beim Hang-Seng-Index in Hongkong für ein Plus von 2,3 Prozent. Der japanische Nikkei 225 stieg zum Wochenstart um 1,2 Prozent.
Enttäuschung trotz Zinssenkung?
Die neue Woche steht ganz im Zeichen der Europäischen Zentralbank. Bei der Sitzung am Donnerstag soll die Zinswende eingeleitet werden. Erwartet wird eine Senkung der Leitzinsen um einen viertel Prozentpunkt. Mit großer Spannung warten die Anlegerinnen und Anleger dann auf die Aussagen zur weiteren Vorgehensweise der Notenbank. Christian Lips spricht mit Blick auf die zuletzt höher als erwartet ausgefallenen Inflationszahlen von einem "Datenkranz, der zumindest kurzfristig Wasser auf den Mühlen der Falken im EZB-Rat ist". Zwar rechnet der Chefvolkswirt der NORD/LB am Donnerstag weiterhin mit einer Zinssenkung in der Eurozone, der nächste Schritt dürfte aber "nicht vor dem September" anstehen. "Die EZB könnte sogar explizit einer weiteren Zinssenkung schon im Juli eine Absage erteilen", blickt Lips auf das Statement von Christine Lagarde voraus.
Verhalten optimistisch zu den Aussichten der Aktienmärkte, äußert sich vor diesem Hintergrund Ulrich Stephan von der Deutschen Bank. Ob die Kurse infolge von Zinssenkungen steigen oder fallen, hängt nach Ansicht des Chefvolkswirtes stets von der Entwicklung der Konjunktur ab. "Rutscht die Wirtschaft in eine Rezession, geben Aktien nach; bleibt eine Rezession aus, legen die Kurse zu". Da er aktuell "wenig Anlass zur Sorge vor einem Wirtschaftseinbruch" sieht, bewertet Stephan den Ausblick europäischer Aktien als positiv. Allerdings wachsen die Bäume seiner Meinung nach bei europäischen Aktien nicht in den Himmel: "Angesichts der guten Entwicklung der vergangenen Monate würde ich nicht so weit gehen und einen weiteren Anstieg um 20 Prozent bis Mitte 2025 erwarten".
DAX-Ziel für Mitte 2025 auf 20.000 Punkte erhöht
Die Analysten der LBBW haben in der vergangenen Woche ihre Indexkursziele neu berechnet. "Weil wir davon ausgehen, dass der DAX mit seiner eher zyklischen Zusammensetzung von der sich abzeichnenden Konjunkturerholung profitieren wird, haben wir unsere Erwartungen für Ende 2024 sowie für Mitte 2025 um jeweils 500 Punkte nach oben angepasst". Erwartet werden zu den genannten Terminen nun Indexstände von 19.000 bzw. 20.000 Punkten. Das grundsätzlich positive Szenario beinhaltet allerdings auch einen Rücksetzer in den kommenden Monaten. So wird per Ende September lediglich ein DAX-Niveau von 18.000 Punkten erwartet.
Die Strategen begründen das u.a. mit der im historischen Kontext klar überdurchschnittlichen DAX-Performance seit Jahresbeginn". Vor dem Hintergrund einer "mäßigen Ertragsentwicklung" der Unternehmen seien daher "Gewinnmitnahmen in den Sommermonaten" zu erwarten. Konkret: Der Anstieg des erwarteten 12-Monats-Forward-Gewinns von 4,5 Prozent beim DAX falle im historischen Kontext "klar unterdurchschnittlich" aus. "Im Mittel aller bislang vollendeten 36 DAX-Jahre hatte der 12-Monats-Forward-Gewinn zu diesem Zeitpunkt des Jahres nämlich bereits um 6,8 Prozent zugelegt".
Die Analysten der Commerzbank bezeichnen die zuletzt gestiegene Zinsvolatilität als wesentlichen Treiber für die konsolidierenden Aktienmärkte, woran sich auch in dieser Woche nichts ändern dürfte. "Eine Fortsetzung dieser Konsolidierung ist das wahrscheinlichste Szenario, auch da mit der auslaufenden Berichtssaison neue Impulse fehlen", so die Experten.
Technisches Bild: Zeit für Gewinnmitnahmen?
Aus Sicht der Charttechnik steht der am Freitag zum Schlusskurs bereits unterschrittene Bereich um gut 18.500 Punkte im Fokus. Jörg Scherer von HSBC verweist auf das alte Rekordhoch bei 18.567 Punkten, das Tief vom 24. Mai bei 18.516 Punkten sowie die bei ca. 18.540 Punkten verlaufende 200-Stunden-Linie. Ein endgültiger Bruch dieser Schlüsselzone würde seiner Ansicht nach "die jüngste Schiebezone in eine kurzfristige Toppbildung mit einem kalkulatorischen Abschlagspotenzial von 350 Punkten umschlagen lassen".
Sehr skeptisch äußert sich auch Marcel Mußler von den Mußler Briefen. Nach Meinung des Charttechnikers beginnen aktuell die Korrekturrisiken zu dominieren. Der seit Ende Oktober andauernde Aufwärtsswing steht demnach nach den Wochen des Auspendelns bei nachlassender Dynamik immer offensichtlicher vor seinem Ende. "Die Zeit für Gewinnmitnahmen ist da", warnt der technische Analyst. Als Crash-Prognose will er seine Analysen aber keineswegs verstanden haben. Was sich hier anbahne, sei "einfach nur ein ganz normales Jahr mit seinen saisonal angestammten Etappen".
Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftstermine der Woche
Montag, 03. Juni
10.00 Uhr. Eurozone. Einkaufsmanagerindex verarbeitendes Gewerbe: Für den Mai rechnen Volkswirte im Schnitt mit einem unverändert schwachen Wert von 47,4.
16.00 Uhr. USA.ISM-Index verarbeitendes Gewerbe: Während die Marktteilnehmer im Schnitt mit einem leichten Anstieg von 49,2 auf 49,7 Punkte rechnen, zeigt sich die Commerzbank mit einer Prognose von 50,2 noch etwas optimistischer. Bei der Helaba und der NORD/LB geht man nur von 49,5 Punkten aus.
Dienstag, 04. Juni
16:00 Uhr. USA. Auftragseingang Industrie: Die für April veröffentlichten Daten sollen laut Konsensschätzung einen Anstieg der Aufträge um 0,7 Prozent gegenüber dem Vormonat zeigen. Die Helaba ist mit einer Prognose von plus 0,3 Prozent deutlich zurückhaltender.
Mittwoch, 05. Juni
10.00 Uhr. Eurozone: EinkaufsmanagerindexDienstleistungen: In diesem Segment dürfte die Schwelle von 50 Punkten weiterhin klar überschritten werden. Der Markt rechnet für die Eurozone im Konsens mit einem unveränderten Stand von 53,3 Punkten.
16.00 Uhr. USA.ISM-Index Dienstleistungen: Auch in den USA sollte der Sprung über die Markte von 50 Punkten diesmal gelingen. Nach einem Wert von 49,4 im April gehen Volkswirte nun von 51,0 Punkten aus.
Donnerstag, 06. Juni
14.15 Uhr. Eurozone: EZB-Zinsentscheid.Eingepreist ist am Markt eine Senkung der Leitzinsen um 25 Basispunkte auf 3,75 Prozent. Mit Spannung wird im Anschluss die Pressekonferenz mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde erwartet.
Freitag, 07. Juni
14.30 Uhr. USA. Arbeitsmarktbericht: Erwartet werden eine unveränderteArbeitslosenquote von 3,9 Prozent sowie 185.000 neue Stellen (ex Agrar). Hier setzen die LBBW (150.000) und die NordLB (165.000) aber deutlich weiter unten an, während die Helaba zumindest mit 175.000 neuen Beschäftigten kalkuliert.
Von Thomas Koch, 3. Juni 2024, © Deutsche Börse AG
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