Börse Frankfurt-News: "Ein Jahre nach dem Corona-Sturz herrscht Partystimmung"
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Peeters fasst ein Jahr an den Märkten nach den Pandemieeinbrüchen zusammen, und stellt fest, dass ebenso viel Euphorie wieder in den Preisen ist, wie damals entwichen war. Es bleibe die Ahnung einer reinigenden Korrektur in Sichtweite.
22. Februar 2021. FRANKFURT (pfp Advisory). Es ist jetzt fast genau auf den Tag ein Jahr her, dass an den Börsen ein drastischer Umschwung eingesetzt hat. Aus einem sehr zuversichtlichen "Die Wirtschaft läuft auf Hochtouren, allenfalls weit weg in China gibt es ein kleines, lokales Problem mit einem unbekannten Virus" wurde über das Karnevalswochenende 2020 ein wirklich großes Thema auch hier bei uns in Europa.
Erst für die Märkte, und dann für unseren Alltag. (Karnevals-)Sonntag der 23. Februar 2020 war der Tag, an dem bekannt wurde, dass es in Italien bereits eine dreistellige Anzahl von Covid19-Infizierten und die ersten Todesopfer gibt. Die ersten Städte in der Lombardei wurden abgeriegelt und ein mir zu dem Zeitpunkt völlig unbekannter Virologe mit dem Namen Christian Drosten wurde wie folgt zitiert: "Ich glaube nicht mehr daran, dass eine Pandemie vermeidbar ist."
Was folgte, erst mit einem epischen Sturz an den Börsen binnen weniger Wochen gefolgt von einem historischen Einbruch der Realwirtschaft kennen Sie, ebenso die anschließende Erholung von Wirtschaft und Märkten, die letzte seinerzeit unvorstellbar sogar hin zu neuen Höhen geführt hat. Daran angeknüpft stellt sich schon ein wenig die Frage, wo wir gerade stehen. Denn die Dramatik des Absturzes vor einem Jahr war auch dem Umstand geschuldet, dass in den Bewertungen an den Märkten viel Euphorie eingepreist war, die eben auch über Nacht entwich.
Bei Betrachtung von Bewertung und Euphorie stehen wir genau ein Jahr später unweit entfernt. Egal, wo man hinschaut sind die Bewertungen üppig: In sehr vielen Bereichen des Aktienmarkts (besonders natürlich Tech und erst recht Spezialbereiche wie etwa Wasserstoffaktien), aber auch in anderen mehr oder weniger organisierten Märkten steppt der Bulle: Immobilienpreise? Auf einem vielfach absolut unerschwinglichen Niveau. Anleihen? Scheinbar jedes Ausfallrisiko nicht mehr eingepreist, weil die Notenbanken ja eh alles aufkaufen. Digitale Währungen? Bei diesen lässt es ein "fairer Wert" ohnehin kaum bestimmen, aber die etwa beim Bitcoin erreichten Höhen unweit der nächsten großen Marke von 60.000 US-Dollar indizieren schon sehr viel Zuversicht. Und die Liste lässt sich noch sehr lange mit wesentlich exotischeren Beispielen fortsetzen.
Die breite Hausse ist alles andere als verwunderlich, schließlich wurde der Flächenbrand vor einem Jahr (wie alle Krisen in den 20 Jahren zuvor) mit reichlich "Löschwasser" aus den Pressen der Notenbanken erstickt. Und diesmal wurde unfassbar viel Liquidität freigesetzt, die sich natürlich nicht nur in der Realwirtschaft sondern auch in den hintersten Ecken des Finanzmarkts ihren Weg bahnt.
Völlig logisch kehrt 2021 auch das Schreckgespenst der Inflation in das Bewusstsein der Anleger zurück. Daran angeknüpft ist es mitnichten eine "sichere Sache", sich aus den Märkten zu verabschieden und stattdessen Bargeld oder besser gesagt Giralgeld zu horten. Insbesondere in der langfristigen Performance-Betrachtung ist es zudem fast unmöglich, vorzeigbare Ergebnisse zu erreichen, wenn man in den Hausse-Phasen nicht dabei ist. Doch wann endet die Party nun?
Ich weiß es so wenig wie jeder andere Mensch. Die Gemengelage an den Märkten scheint in diesem "Jahr 1 nach dem Corona-Crash" zudem sehr vielschichtig. Neben eindeutig warnenden Aspekten wie extrem hohe "Bull-Bear-Ratios", viel spekulative Käufe auf Kredit, unstrittige Bewertungsblasen in Teilmärkten haben wir eine Wirtschaft, die viel robuster auf die Situation reagiert, als ihr viele Beobachter zugetraut hätten, einen im Kern spürbaren und durchaus auch breiten Aufwärtstrend bei den Unternehmenszahlen und eine rein technisch gute Ausgangslage an den Märkten. Der ausschlaggebende Faktor des billigen Geldes, der zu dieser sichtbaren "Asset Price Inflation" geführt hat, ist ja zudem auch nicht verschwunden.
Gleichwohl bleibt das Gefühl, dass eine Korrektur, was immer auch diesmal der Auslöser sein wird, auch in absehbarer Zeit eintreten kann. Wann genau und in welchem Ausmaß diese eintreten wird, kann ich natürlich nicht abschätzen. Ich würde sie im übergeordneten Kontext jedoch nicht als Problem einordnen. Ein reinigendes Gewitter würde vielmehr vielleicht sogar manche Absurdität im Markt wieder ein wenig einfangen.
von Roger Peeters,
22. Februar 2021, © pfp Adivisory
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Über den Autor
Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 20 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow Fonds (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds. Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V.. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)