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Börse Frankfurt-News: "Börsenumfeld ungemein herausfordernd" (Nebenwerte)

15.12.22 15:59 Uhr

Börse Frankfurt-News: "Börsenumfeld ungemein herausfordernd" (Nebenwerte) | finanzen.net

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Ein leichtes Börsenjahr war 2022 für kaum ein Unternehmen, erst recht nicht für die kleinen. Umso erstaunlicher, dass sich so mancher davon komplett abkoppeln konnte. Drei Fragen gehen diesmal an Marc Laubenheimer von EV Digital Invest.

15. Dezember 2022. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Leuchtturm in schwierigen Zeiten: die Kursentwicklung des jüngsten Scale-Mitglieds Cantourage. Von 6,48 auf 16 Euro ist die Aktie des Anbieters von medizinischem Cannabis seit Notierungsaufnahme am 11. November gestiegen - mehr als das Zweieinhalbfache. Zwischenzeitlich war Cantourage sogar zu 42 Euro gehandelt worden. Die Aktien der Porsche AG, ebenfalls Börsenneuling 2022, kommen seit dem IPO im Oktober hingegen "nur" auf 24 Prozent.

Damit ist Cantourage allerdings die Ausnahme, das Scale-Segment als Ganzes tut sich weiter schwer: Während der DAX einen großen Teil seiner Verluste in diesem Jahr wieder wettmachen konnte, kommt das Segment für kleine Unternehmen nicht so recht vom Fleck. Der Scale All Share, der alle Scale-Mitglieder abbildet, liegt am Donnerstagmorgen bei 1.267 Punkten und damit in etwa auf dem Niveau vor einem Monat. Der Auswahlindex Scale 30 mit den 30 liquidesten Aktien steht aktuell bei 1.158 Punkten nach 1.144 Mitte November.

Ganz viel Rot

Seit Jahresanfang ergibt das ein Minus von 33 Prozent für den Scale All Share und 23 Prozent für den Scale 30. Damit steht das Scale-Segment allerdings nicht allein: MDAX und SDAX sitzen ebenfalls auf viel größeren Verlusten als der große Bruder DAX. Seit Jahresanfang haben sie 27 und 26 Prozent verloren, der DAX "nur" 9 Prozent. Zumindest kann das Scale-Segment noch langfristig punkten: Auf Sicht von drei Jahren kommt der Scale All Share immer noch auf ein Plus von insgesamt 18 Prozent, MDAX und SDAX hingegen auf minus 8 und minus 3 Prozent.

Die stärkste Kursentwicklung auf Zwölfmonatssicht bieten aktuell Formycon (DE000A1EWVY8), Daldrup & Söhne (DE0007830572), die Deutsche Rohstoff AG (DE000A0XYG76), SGT German Private Equity (DE000A1MMEV4) und Publity (DE0006972508) mit Kursgewinnen von 24 bis 70 Prozent. Fast alle anderen haben Kursverluste zu verschmerzen. Schlusslichter bleiben die Advanced Blockchain AG (DE000A0M93V6), fashionette (DE000A2QEFA1) und die Veganz Group (DE000A3E5ED2).

Schwaches IPO-Jahr

2022 war auch ein schwaches IPO-Jahr: Einziger klassischer Börsengang im Scale-Segment war das IPO von EV Digital Invest AG Anfang Mai mit einem Volumen von 6,3 Millionen Euro (s. Interview unten) - bei Cantourage und Advanced Blockchain handelte es sich um Notierungsaufnahmen. 2021 hatten zwei Unternehmen insgesamt 137 Millionen Euro eingesammelt. Nur 2019 ohne einen einzigen Börsengang verlief für das Scale-Segment schlechter.

Formycon als neues Biontech?

Die Deutsche Rohstoff AG profitiert von den hohen Energiepreisen. Gerade hat sie nochmals ihre Prognose für 2022 angehoben: Die Öl- und Gasförderung im vierten Quartal sei höher als erwartet, Umsatz und Gewinn würden daher besser ausfallen als im Oktober prognostiziert. Auf der Erfolgsspur ist auch Formycon. Die Aktie hat kürzlich ein neues Allzeithoch von 89 Euro erreicht, am Donnerstagmorgen sind es 85,10 Euro. Das Unternehmen aus Martinsried bei München ist Anbieter von Biosimilars, also kostengünstigen biopharmazeutischen Nachfolgeprodukten. Zuletzt wurde mit FYB201 ein erstes Produkt in den USA, der EU und Großbritannien zugelassen.

"Die globale Markteinführung von FYB201 und die dadurch erwarteten Einnahmen sind ein wichtiger Meilenstein in unserer Transformation zu einem Commercial-Stage-Unternehmen", erklärte Stefan Glombitza, CEO von Formycon, bei Vorlage der Neunmonatszahlen. Größte Einzelaktionäre bei Formycon sind im Übrigen die Brüder Andreas und Thomas Strüngmann. Die gehören zu den reichsten Deutschen: Sie hatten nach dem Verkauf des Generikahersteller Hexal für 5,6 Milliarden Euro 2008 Biontech 150 Millionen Euro Startkapital zur Verfügung gestellt.

IBU-tec: Wachstumsmarkt Batterieherstellung

"Ein neuer Stern am Batterie-Himmel" ist dem Anlegermagazin "Der Aktionär" zufolge Scale-Mitglied IBU-tec Advanced Materials (DE000A0XYHT5). Hintergrund ist, dass der Spezialchemiekonzern aus Thüringen nun LFP-Batteriematerial aus Lithium-Eisen-Phosphat herstellt, wichtiger Bestandteil von Batterien für die Elektromobilität und stationäre Energiespeicher. Jüngster Kurstreiber: IBU-tec hat im Batteriebereich einen großen Entwicklungsauftrag von einem internationalem Nutzfahrzeughersteller erhalten. Der Aktienkurs hat sich im Oktober und November mehr als verdoppelt auf in der Spitze 36 Euro, jetzt sind es 27 Euro.

Kurssturz bei Helma

Zu den ganz großen Verlierern in diesem Jahr gehört Helma Eigenheimbau (DE000A0EQ578). Den Anbieter von Massivhäusern trifft nicht nur die sinkende Nachfrage am Immobilienmarkt, sondern auch noch die Insolvenz eines wichtigen Subunternehmens. Am 24. November hat Helma die Gewinnprognosen für dieses Jahr daher kräftig zusammengestrichen. Seit Jahresanfang hat sich der Kurs fast geviertelt von 64 Euro auf aktuell 15,60 Euro.

Analysten zufolge ist das übertrieben. Etwa rechnet GBC mit einer Kurserholung und rät zum Kauf. "Die Gesellschaft ist gut aufgestellt, um an den weiterhin vorhandenen übergeordneten Trends im Wohnungs- und Ferienimmobilienbau zu partizipieren", erklären die Analysten und verweisen auf den umfangreichen Grundstücksbestand und das Umsatzpotenzial durch dessen Bebauung. "Zudem dürften die Grundstücke, die im Schnitt vor vier bzw. fünf Jahren erworben wurden, mit stillen Reserven einhergehen." Das Kursziel sinkt aber deutlich von 54,35 Euro auf 29 Euro.

Beim Analysehaus Montega liegt das Kursziel mit 32 Euro zwar etwas höher, das Votum lautet aber nur "Halten". Das Marktumfeld sei sehr angespannt wegen des Ukraine-Kriegs, der Inflation und der hohen Bauzinsen und Energiekosten. Das Preisniveau am deutschen Wohnimmobilienmarkt dürfte daher 2023 unter Druck geraten. "Die Visibilität für 2023 bleibt erheblich eingeschränkt."

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)