Börse Frankfurt-News: "Bären im Schlafwagen" (Marktstimmung)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 8. Juni 2022. FRANKFURT. Eine leicht trügerische Ruhe macht sich breit. Allerdings vermutet Goldberg hinter dem Zwischenhoch andere Kräfte als die hiesigen, mittelfristig agierenden Anleger'innen.
Zumindest was die Handelsspanne angeht, hat der DAX eine Art von Bremsung hingelegt. Denn dieses Band fiel seit vergangenen Mittwoch mit rund 2,6 Prozent verglichen mit den Vorwochen recht gering aus. Natürlich wird mancherorts gerne auf das lange Feiertagswochenende hierzulande verwiesen, weswegen sich das Handelsgeschehen beruhigt hätte, und manch einer spricht bereits von Sommerpause. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die Situation so ruhig bleiben muss. Zumal mit der Sitzung der Europäischen Zentralbank am morgigen Donnerstag ein Ereignis-Highlight gegeben ist - allerdings wahrscheinlich mit wenig Überraschungseffekten.
Unstrittig ist jedenfalls, dass sich der DAX während der vergangenen Tage in einer Art Konsolidierung befunden und sogar noch ein wenig (0,6 Prozent im Punktvergleich) zugelegt hat. Eine Konsolidierung, die letztlich für die Börsianer auch die Funktion hat, das Erlebte der vergangenen Wochen zu verarbeiten. Mit anderen Worten: Die dadurch induzierte Gewöhnung an eine relative Ruhe könnte gewissermaßen vergessen machen, dass sich die Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks in einem übergeordneten Bärenmarkt befinden.
In die Stärke verkauft
Die vergleichsweise enge Handelsspanne hat dazu geführt, dass sich auch die Stimmung unter den von uns befragten institutionellen Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont gegenüber der Vorwoche nicht allzu sehr verändert hat. Allerdings hat sich unser Börse Frankfurt Sentiment-Index um 4 Punkte auf einen neuen Stand von -5 Punkte verschlechtert. Dabei hat sich das hinter dieser Veränderung stehende Bärenlager im Großen und Ganzen zulasten vormals seitwärts eingestellter Akteure vergrößert, nicht zuletzt, weil der temporäre DAX-Anstieg von rund 1,8 Prozent seit unserer vergangenen Erhebung zu weiteren Short-Positionierungen eingeladen haben dürfte.
Unterdessen ist der Börse Frankfurt Sentiment-Index der Privatanleger geringfügig um einen Punkt gegenüber der Vorwoche auf einen neuen Stand von -6 gestiegen. Dabei haben sich sowohl vormalige Bullen als auch Bären aus der letzten Woche zu den seitwärts eingestellten Akteuren gesellt, so dass sich die Polarisierung zwischen diesen beiden Lagern etwas verringert hat. Immerhin: Die Gruppe der gegenüber dem DAX neutral eingestellten Akteure hat mit der heutigen Befragung nicht nur einen Stand von 30 Prozent aller Befragten, sondern zudem ein neues Jahreshoch erreicht.
Konsens der Pessimisten
Die heutige Erhebung hat nicht nur die in der vergangenen Woche noch sichtbare Stimmungslücke zwischen privaten und institutionellen Investoren beinahe beseitigt. Vor allem bei Letzteren hat es den Anschein, als würde die Mehrheit immer noch davon ausgehen, dass sich der DAX in einer Bärenmarkt-Rallye befindet. Denn die Bereitschaft, bei steigenden DAX-Niveaus auf der Short-Seite einzusteigen, ist zwar nicht überwältigend, aber dennoch unverkennbar. Dabei bleibt diskutabel, ob die Mehrheit der Pessimisten tatsächlich mittelfristig negativ eingestellt bleibt, falls sich nun Kursrückgänge einstellen sollten. Zumindest dürfte deren Bereitschaft, bearishe Engagements bei entsprechenden Gewinnen - vermutlich erstmals deutlicher im Bereich um 14.150/14.200 Zähler - zurückzudecken, dem DAX eine gewisse Stütze sein.
Auch wenn größere Impulse bei der DAX-Entwicklung vermutlich nach wie vor nicht von den heimischen Investoren ausgehen dürften, bleibt die Situation für den DAX nicht ungünstig, vor allen Dingen, wenn sich das Bärenlager bei einem weiter steigenden Börsenbarometer noch vergrößern sollte. Gerade weil der Konsens bei vielen Kommentatoren und Strategen für den DAX immer noch "Bärenmarkt-Rallye" lautet, sind etwaige Kursüberraschungen eher an der Oberseite zu erwarten.
8. Juni 2022, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)