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Börse Frankfurt-News: "Auch 2022 ist Angst an der Börse ein schlechter Ratgeber"

31.05.22 07:00 Uhr

Börse Frankfurt-News: "Auch 2022 ist Angst an der Börse ein schlechter Ratgeber" | finanzen.net

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Peeters warnt vor Reaktionen auf Marktbewegungen aus Angst heraus - vor allem, weil es dann schon meist zu spät sei und mehr schade als nutze. Er kennt natürlich auch das passende Gegenmittel.

31. Mai 2022. FRANKFURT (pfp Adisory). Angst ist ein fester Bestandteil des menschlichen Daseins. Natürlich assoziiert man intuitiv viel Negatives mit diesem Gefühl, eben weil es unangenehm und mit unschönen Ereignissen wie schweren Krankheiten oder dem Tod verbunden ist. Die biologischen Vorteile, die uns die Angst seit jeher verschafft hat, beispielsweise dem Vermeiden von zu großen Risiken oder auch der Mobilisierung von Kräften etwa zur Flucht, verkennt man oft in diesem Kontext.

An der Börse hingegen gilt die Angst recht unumstritten als das neben der Gier wohl destruktivste Gefühl. Sprichwörtlich gilt die Angst als schlechter Ratgeber bei der Anlage. Nun kann man gerade in solch einem Jahr wie 2022, in dem nach gerade mal fünf Monaten bereits mehr Ängste ausgelöst wurden als sonst in mehreren Jahren, durchaus Vorteile sehen, wenn man in der Anlege vorsichtig war. Entsprechende Ängste vor Krieg, Inflation oder zumindest zum Jahresbeginn auch vor Corona können hilfreich gewesen sein, defensiv (und damit im bisherigen Jahr richtig) positioniert zu sein.

Der Haken an der Sache: Meist setzt die Angst ein, wenn es (bildlich gesprochen) bereits lichterloh im Depot brennt. Wer sein Portfolio nach der Nachrichtenlage umstellt, macht es viel zu oft als Reaktion statt rechtzeitig. Und präventiv etwa dauerhaft mit teuren Absicherungen zu arbeiten, ist ein recht sicherer Renditekiller. Somit ist eine von Angst untermauerte Reaktion auf größere Negativerlebnisse mindestens wenig effektiv, mitunter sogar recht schädlich.

Zumal Ängste ja nicht nur in fallenden Märkten eine schlechte Wirkung entfalten. Gerade erst in der Vorwoche ließ sich beobachten, dass auch kräftige Bewegungen nach oben mit Ängsten einhergehen können. Das entsprechende Schlagwort aus der Börsensprache ist das zuletzt wieder häufiger gehörte Schlagwort "FOMO", womit "Fear of Missing Out", also die Angst, etwas zu verpassen, gemeint ist. Hier geht es nicht um hippe Events junger erlebnisorientier Menschen, sondern um die Sorge vor einer zu defensive Ausrichtung eines Depots, die eine Partizipation an schnellen Rallys wie in der vergangenen Woche, als beispielweise der Dow Jones Industrial den höchsten Wochengewinn seit rund 1,5 Jahren verzeichnet hat, verhindert.

Anleger, die sich von dieser Angst treiben lassen, gehen ein ähnliches Risiko ein, dass sie einem Trend hinterher laufen und erst dann reagieren, wenn es zu spät und zu teuer ist. Um auch hier noch mal eine alte Börsen-Weisheit (vom Berliner Bankier Carl Fürstenberg) zu bemühen: "Im Gegensatz zur Straßenbahn wird an der Börse zum Ein- und Aussteigen nicht geklingelt." Als einer der letzten zu reagieren, eben weil die Angst einen der Masse hinterher treibt, kann kaum gutgehen.

Auch wenn dies alles ein wenig trivial klingt, es hat an der Börse immer wieder seine Berechtigung, sich damit auseinanderzusetzten, eben weil hiermit viele Fehler gemacht werden. Wie kann man dem entgehen? Am wichtigsten scheint mir, zu erkennen, dass es auch wechselhafte Entwicklungen in Realwirtschaft und Kapitalmärkten gibt und dass man diese Zyklen anerkennt und nicht versucht, sie via "Timing" permanent zu umschiffen. Wer seinen Anlagehorizont ernsthaft und konsequent sehr langfristig ausrichtet, schützt im Idealfall das Depot vor Renditenachteilen aus der Prozyklik und nebenbei die Psyche, weil er oder sie bestimmte Ängste nicht eskalieren lässt.

von Roger Peeters, 30. Mai 2022, © pfp Advisory

Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V.. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)