Börse Frankfurt-News: "2024 startet bemerkenswert, aber Vorsicht" (pfp Advisory)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Peeters warnt vor voreiligen Schlüssen nach den ersten Handelstagen. Und skizziert, was stattdessen das Jahr prägen könnte.
9. Januar 2024. Der Jahreswechsel ist ein typischer und beliebter Zeitpunkt, um Fazits zu ziehen, Rückbetrachtungen durchzuführen und Vorsätze aufzustellen. Was er hingegen nicht ist: Eine Zäsur im realen Leben außerhalb des Kalenders. Praktisch alles, was kurz vor dem Jahreswechsel galt, hat immer noch Relevanz und neue Themen tauchen nicht über Nacht in Mengen auf.
Ich führe dies aus, weil nach wenigen Handelstagen bereits viele mit Hinblick auf die Aktienmärkte von einem Fehlstart sprechen, was bei der schlichten Betrachtung der Fakten korrekt und natürlich legitim ist. Aber darin gleich ein Menetekel für das Gesamtjahr zu sehen, kann man zumindest hinterfragen. Im Kontext der sehr steilen Aufwärtsbewegung Ende 2023, die gerade im hoch bewerteten Tech-Bereich geradezu euphorisch war, wie man an einzelnen Stimmungsindikatoren gut ablesen konnte, ist eine Korrektur im Aktienmarkt definitiv gesund, losgelöst davon, ob sie zufällig genau zu Beginn eines neuen Jahres stattfindet. Der Fakt der schwachen ersten Handelswoche ist unstrittig, Rückschlüsse lassen sich aber Verschiedene ziehen.
Das Hauptthema in den Handelssälen im jungen Jahr 2024 war einmal mehr das Zinsthema. Die zunehmende Meinung, dass die Leitzinssätze der Notenbanken eben doch nicht steil nach unten schießen, war eine wesentliche Ursache für den kurzfristigen Trendwechsel. Dabei gibt es nachvollziehbare Gründe, auch hier das Glas nicht als halb leer zu betrachten. Denn anders gelesen heißt der Meinungswechsel ja vielleicht auch nur, dass die Wirtschaft doch nicht so stark kollabiert, dass die Zinsen wieder radikal niedrig werden müssen. Mich persönlich würde es durchaus beunruhigen, wenn die Notenbanken nun Zinssenkungen eng aneinanderreihen.
Der Jahresstart ist auch abseits des Parketts im realen Wirtschaftsleben bereits auffällig unruhig. Die in dieser Woche angekündigten Streik- und Blockademaßnahmen etwa von Lokführern und natürlich von den Landwirten könnten bei pessimistischer Lesart durchaus als Ouvertüre einer neuen Zeit verstanden werden, in der solch destruktive Maßnahmen zunehmen. Eine der vielen Stärken im westlichen Nachkriegsdeutschland war die hohe Konsensfähigkeit, die im europäischen Vergleich wenig Streiks und Unruhen einherging. Momentan weht der Wind zumindest gefühlt zunehmend rauer. Steht das nächste Problem ante portas?
Selbst hier ist die Antwort nicht komplett schwarz und weiß. Natürlich braucht kein Mensch die großflächige Beeinträchtigung der kompletten Bevölkerung durch die Arbeitskämpfe einzelner Gruppen, zumal gerade die Lokomotivführer schon lange dadurch auffallen, dass eine zahlenmäßig kleine Gruppe ihre Interessen zulasten eines großen Teils der Bevölkerung durchsetzen will. Aber auch hier bietet es sich an zu überlegen, was denn das Fundament dieser konsensstarken Zeit in Nachkriegsdeutschland war - es war die wirtschaftliche Stärke und Dynamik.
Und genau diese eigentlich triviale Notwendigkeit scheint seit Jahren gerade in der Politik völlig abhandengekommen zu sein. Wirtschaft wird gerne aus mitunter hehren Motiven heraus gemaßregelt, mit Bürokratie überzogen und mit sehr hohen Abgaben belegt. Vielen Schlüsselindustrien, die Chemie ist nur eines von vielen Beispielen, wird von der Politik deutlich gezeigt, dass sie besser ins Ausland gehen sollen. Die Konsequenz ist die nicht zu übersehende ökonomische Schwäche, die zu Wohlstandsverlusten und halt auch zu Verteilungskämpfen führt.
Zugegebenermaßen etwas optimistisch interpretiert von mir: Wenn die derzeitigen Ausstände einen kleinen Beitrag dazu liefern können, dass generell etwas stärker ins Bewusstsein der Entscheidungsträger in Berlin rückt, dass unsere wirtschaftliche Basis nicht noch weiter erodiert, dann hätten sie durchaus einen Sinn gehabt. Sicher ist die in vielen Stellen offen wirtschaftsfeindliche Politik in Berlin und Brüssel eine Riesenbelastung. Entsprechend liegt aber auch hier ein sehr großer Hebel für Wirtschaft und Kapitalmärkte, wenn es wieder zu einem Umdenken kommt, siehe etwa die Aufschwungjahre nach den Reformen unter Gerhard Schröder.
Mit diesen wenigen Beispielen wollte ich Ihnen meine Sicht verdeutlichen, dass in nahezu jedem Problem auch eine Chance liegt und dass es sich meiner Meinung nach immer lohnt, Dinge mehrschichtig zu betrachten. Mit der korrespondierenden grundsätzlichen Zuversicht wünsche ich Ihnen ein erfolgreiches und glückliches Jahr 2024, nicht nur an der Börse.
Von Roger Peeters, 9. Januar 2024, © pfp Advisory
Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow LU1865032954, einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium. Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)