Zocker bevorzugt

Trotz der erfreulichen Tendenz in 2011 hatten wir in der vergangenen Woche angemahnt, dass die Aktienakzeptanz...
... in Deutschland weiter zulegen müsse, um den Herausforderungen der demografischen Entwicklung und den ausufernden Sozialkosten gerecht zu werden. Die Politik wäre gefordert, diese Herausforderungen anzunehmen und positiv zu begleiten, um die Zahl der Aktionäre von zuletzt 13,4 Prozent weiter zu erhöhen. Stattdessen hat sie in den vergangenen Jahren Anleger, die an einem langfristigen Vermögensaufbau und damit sozialer Sicherheit interessiert sind, schlechter gestellt.
Staatlicher Rohrkrepierer
Im Mittelpunkt meiner Kritik steht dabei die Abschaffung der Spekulationsfrist. Früher konnten Investoren eine Aktie, die sie über ein Jahr im Depot hielten, steuerfrei verkaufen. Im Zuge der Einführung der Abgeltungssteuer wurde diese Regelung gekippt. Jetzt zahlen alle Marktteilnehmer pauschal 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag.
Eigentlich sollen Steuergesetze nicht nur die Einnahmen des Staates sichern, sondern auch eine Lenkungsfunktion übernehmen. Unter diesem Aspekt war die Abschaffung der Spekulationsfrist ein Rohrkrepierer. Der langfristig orientierte Anleger wurde damit schlechter gestellt, die zunehmende Zahl an Tradern war von der Neuregelung nicht betroffen. Relativ gesehen werden die Zocker damit seither bevorzugt.
Chance auf Wiedergutmachung
Da die Spekulanten mit ihren hoch riskanten Geschäften für die starken Kursschwankungen der vergangenen Jahre mitverantwortlich gemacht werden, gilt es, diese Fehlanreize wieder auszumerzen. Eine Gelegenheit dazu bietet die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, wie sie aktuell in der Diskussion ist. Die Zockereien würden reduziert, weil sich selbst bei sehr niedrigen Steuersätzen viele Geschäfte nicht mehr lohnen würden. Langfristig orientierte Privatanleger wären dagegen von den Abgaben kaum betroffen. Dazu böten die Einnahmen aus der Transaktionssteuer, die nach diversen Schätzungen im zweistelligen Milliardenbereich liegen sollen, die Möglichkeit, die komplizierte Abgeltungssteuer komplett abzuschaffen. Aktienanlagen wären dann zusätzlich bevorzugt. Zusammen mit weniger volatilen Märkten ließe sich so wohl manch risikoscheuer Bundesbürger wieder an die Börsen locken.
Wolfgang Braun ist Chefredakteur der „Aktien-Strategie“ (früher Global
Performance). Der seit 1999 erscheinende Börsenbrief hat sich auf
deutsche Wachstums-Aktien spezialisiert. Dank einer ausgefeilten und
bewährten Anlagestrategie schlägt das Musterdepot die Vergleichsindizes
deutlich. So schaffte das Depot seit seiner Auflegung im März 1999 eine durchschnittliche jährliche Performance von rund 15 Prozent - obwohl in diesen Zeitraum der dramatische Niedergang des Neuen Marktes sowie die Finanzkrise 2008 fällt. Weitere Informationen unter
www.aktien-strategie.de
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.