Zahlenkosmetik

Gerne belächeln Volkswirte aus den westlichen Industrieländern die Wirtschaftszahlen aus China.
Es wird moniert, dass die Planer aus dem Reich der Mitte die Daten so hinschieben, wie sie gerade gebraucht werden. Die Zweifel an der Verlässlichkeit der chinesischen Konjunkturdaten sind wohl gerechtfertigt, bei der Kritik sollte man aber aufpassen. Denn auch die westlichen Statistiker beherrschen die Zahlenkosmetik. Neuester Coup: In den USA wurden die bisherigen BIP-Zahlen überarbeitet und nach oben angepasst. Hintergrund ist die Berücksichtigung von Forschungs- und Entwicklungsleistungen, die jetzt als Investitionen gewertet werden. So treibt man das BIP in die Höhe, obwohl keineswegs alle Entwicklungen am Ende brauchbare Ergebnisse liefern.
BIP-Anstieg überzeichnet
Geschönte Daten gibt es aber schon länger. Vor allem bei der Inflation haben sich die Volkswirte einiges einfallen lassen. Neben Schiebereien beim Warenkorb, der der Berechnung zugrunde liegt, gilt vor allem der so genannte „hedonische Ansatz“ als Mittel, um den Preisanstieg zu dämpfen.
Dabei werden qualitative Verbesserungen von Gütern als Preis senkend gewertet. Steigt etwa die Leistung eines PCs um 50 Prozent und wird er weiter zum bisherigen Preis verkauft, wird der PC in der Statistik nur noch mit zwei Dritteln des letzten Preises erfasst. Die so gedrückte Inflationsrate führt letztlich zu einem systematisch überzeichneten realen BIP-Anstieg.
Viel heiße Luft
Die Unternehmen stehen den Volkswirtschaftlern in Nichts nach. Auch hier wird fleißig getrickst, um die Gewinne in die Höhe zu treiben. So müssen seit 2004 keine regelmäßigen Abschreibungen mehr auf den Goodwill und einige andere immaterielle Werte vorgenommen werden. Seither haben sich diese „Wackelpositionen“ in den Bilanzen der DAX-Unternehmen um rund 80 Prozent erhöht und machen fast zwei Drittel der ausgewiesenen Buchwerte aus. Über die gesamte Lebensdauer eines Unternehmens lässt sich mit solchen Schiebereien nichts gewinnen: Die Luftbuchungen von heute sind die Abschreibungen von morgen. Man zieht nur Gewinne einige Jahre nach vorne. Das dicke Ende kommt bei der nächsten Konjunkturflaute, wenn zum mauen operativen Geschäft auch noch Abschreibungen fällig werden. Bleibt nur zu hoffen, dass die Firmen die Scheingewinne nicht an Anteilseigner und Mitarbeiter verteilen und in der Krise mit leeren Taschen dastehen.
Wolfgang Braun ist Chefredakteur der „Aktien-Strategie“ (früher Global
Performance). Der seit 1999 erscheinende Börsenbrief hat sich auf
deutsche Wachstums-Aktien spezialisiert. Dank einer ausgefeilten und
bewährten Anlagestrategie schlägt das Musterdepot die Vergleichsindizes
deutlich. So schaffte das Depot seit seiner Auflegung im März 1999 eine durchschnittliche jährliche Performance von rund 15 Prozent - obwohl in diesen Zeitraum der dramatische Niedergang des Neuen Marktes sowie die Finanzkrise 2008 fällt. Weitere Informationen unter
www.aktien-strategie.de
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