Trügerische Ruhe

Der DAX hat seit seinem Zwischentief Anfang Juni mehr als 1.000 Zähler zugelegt.
Waren die Kurssprünge zu Beginn der Aufwärtsbewegung noch dynamisch, ging es zuletzt sehr ruhig zu. Die Blue Chips haben sich eher nach oben geschlichen. Die ruhigen Bewegungen spiegeln sich auch im Volatilitätsindex wieder, der zuletzt wieder das Niveau von Mitte März erreicht hat. Der Volatilitätsindex misst die von Anlegern für die nächste Zeit erwarteten Kursschwankungen und wird daher auch als „Angstbarometer“ bezeichnet. Der jüngste Rückgang spricht für eine gewisse Gelassenheit der Investoren. Im März leitete das niedrige Niveau eine Korrektur ein, die den DAX mehr als 1.000 Punkte gekostet hat.
Krisenpause
Mit seinen Aussagen, die Einheitswährung um jeden Preis zu retten, hat EZB-Chef Mario Draghi zuletzt auch für eine deutliche Beruhigung an den Anleihemärkten gesorgt. Zeitweise musste Spanien auf seine Staatsschulden mehr als 7,5 Prozent Zinsen zahlen, aktuell tendiert der Satz Richtung sechs Prozent. Auch in Italien sind die Renditen für 10-jährige Anleihen erheblich gefallen und liegen um die 5,5 Prozent.
Zusammen mit der Hoffnung auf neue Gelder durch die Notenbanken dürfte diese Entspannung der Hauptgrund für die jüngsten kräftigen Gewinne bei Aktien gewesen sein. Allerdings haben die vergangenen Jahre gezeigt, dass auf jede Krisenpause eine erneute Verschärfung der Probleme folgte.
So könnte es auch dieses Mal sein. Im September stehen einige wichtige Entscheidungen für die weitere Entwicklung der Euro-Zone an. So fällt das Bundesverfassungsgericht am 12. September sein Urteil zum neuen Rettungsschirm ESM. Ein klares „Nein“ ist zwar unwahrscheinlich, es könnte aber Einschränkungen zum Umfang des Schirms geben, die die Feuerkraft beschneiden. Vor allem bei einem Austritt Griechenlands, der sich zunehmend abzeichnet, dürften die Probleme wieder aufflammen und der Rettungsschirm schnell zu eng werden.
FED in Wartestellung
Auch die Hoffnungen auf schnelle Geldspritzen der Federal Reserve könnten überzogen sein. Zuletzt haben sich die Konjunkturdaten aus den USA wieder etwas gebessert. Vor allem im Immobiliensektor zeichnet sich eine deutliche Erholung ab (allerdings von sehr niedrigem Niveau). Gut möglich, dass Ben Bernanke also noch etwas abwartet, bis er wieder aus allen Rohren feuert. Insgesamt sehe ich die jüngste Ruhe an den Börsen als trügerisch. Nach dem Anstieg der vergangenen Wochen wird eine Korrektur wahrscheinlicher.
Wolfgang Braun ist Chefredakteur der „Aktien-Strategie“ (früher Global
Performance). Der seit 1999 erscheinende Börsenbrief hat sich auf
deutsche Wachstums-Aktien spezialisiert. Dank einer ausgefeilten und
bewährten Anlagestrategie schlägt das Musterdepot die Vergleichsindizes
deutlich. So schaffte das Depot seit seiner Auflegung im März 1999 eine durchschnittliche jährliche Performance von rund 15 Prozent - obwohl in diesen Zeitraum der dramatische Niedergang des Neuen Marktes sowie die Finanzkrise 2008 fällt. Weitere Informationen unter
www.aktien-strategie.de
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