Rocket Internet: Wohin Ollis Start-up-Rakete fliegt

von Stephan Bauer, Euro am Sonntag

Oliver Samwer liebt Superlative. "Wir wollen die größte Internetplattform der Welt außerhalb der USA und China werden", tönt der Chef von Rocket Internet mit schöner Regelmäßigkeit. Auch auf der ersten Hauptversammlung der Berliner Start-up-Fabrik durfte der Spruch nicht fehlen.

Der Veranstaltungsort selbst hatte dagegen ­wenig Großartiges: Gerade mal für 100 Aktionäre war Platz in der Eventpassage in der Nähe des Berliner Zoos, mancher hatte Mühe, noch ein Plätzchen zu finden. Aber mit Anlegernähe oder gar Transparenz hat es Rocket Internet eh nicht so. Bezeichnend, dass die Gründer und Altaktionäre beim Börsengang den Entry Standard der Frankfurter Börse als Segment wählten: Hier gibt es nur sehr eingeschränkte Veröffentlichungspflichten - und beispielsweise keine Quartalsberichterstattung.

Zahlen kommen also spärlich von Rocket Internet, auch deshalb beschränkten sich die Aussagen des Chefs weitgehend auf Marketingsprech. "Konsum endet nie", sagt Samwer etwa und verspricht Anteilseignern eine glänzende ­Zukunft mit den zahlreichen Internetbeteiligungen, die seine Gründungsfabrik in die Welt setzt.

Das Geschäftsmodell klingt lukrativ: Mit der erprobten Firmen-IT kann Rocket schnell und relativ günstig neue Webshops und Internetdienste erzeugen. Die bekanntesten Beispiele etwa im Marktsegment Kaufhäuser sind die Wohnspezialisten Westwing und Home24. Dass Samwer die Geschäfte über Kontinente hinweg zu internatio­nalisieren vermag, zeigen etwa die Modehändler Lamoda aus Russland oder Zalora in Asien-Pazifik, die auf der gleichen Plattform produziert wurden. Der letzte Schrei in der Gründerszene sind Online-Essensbringdienste wie etwa Delivery Hero, bei dem ein baldiger Börsengang bevorstehen soll.

Doch das Geschäftsmodell hat einen Haken. Dies durfte Finanzchef Peter Kimpel den Anteilseignern in Berlin näherbringen: Die Massenproduktion von Internetgeschäften bringt nichts, wenn man die Shops und Apps nicht mit hohem Marketingdruck in die Hirne der Konsumenten presst. Und das kostet. Allein in Delivery Hero soll Samwer eine halbe Milliarde Euro gesteckt haben. Derzeit habe man noch 1,3 Milliarden Euro Cash, berichtete Kimpel den Eignern - und somit allein seit Jahresanfang 700 Millionen Euro verbrannt.

Voluminöse Vorratsbeschlüsse

Die logische Folge: Es muss mehr Bares her. Der Vorstand ließ sich auch gleich einen Vorratsbeschluss für eine Kapitalerhöhung im Umfang von rechnerisch 2,5 Milliarden Euro nebst der Erlaubnis zur Ausgabe von Wandelanleihen im Volumen von bis zu zwei Milliarden Euro abnicken. Man habe den Wert der Beteiligungen seit dem Herbst um 2,2 Milliarden Euro gesteigert, warb Kimpel unverdrossen für das Unterfangen. Gewinne gibt es nicht zu vermelden. 2014 - das sind die frischesten Zahlen - brachte 20 Millionen Euro Verlust.

Nicht wenige Börsianer misstrauen dem Webimperium - ­eines schönen Tages könnte es neben vielen neuen Onlineshops auch ­Abschreibungen und Verluste in Superlativumfang in die Welt setzen. Der Kurs der Aktie fiel.
Fazit der Redaktion: Aktie meiden.