Draghi wirbt im Bundestag um Verständnis für EZB-Geldpolitik
Präsident Mario Draghi hat im Deutschen Bundestag um Verständnis für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) geworben.
In einer Rede vor den Abgeordneten sagte Draghi, gegenwärtig müsse die EZB ihre Zinsen sehr niedrig halten, um sie später wieder anheben zu können. Der EZB-Präsident trat dem vor allem in Deutschland geäußerten Eindruck entgegen, dass die EZB-Politik die Sparer enteigne und insgesamt mehr Schaden anrichte als Nutzen stifte.
"Unsere Maßnahmen greifen: Sie tragen dazu bei, dass sich die Erholung fortsetzt und Arbeitsplätze entstehen; sie sorgen also für einen Aufschwung, von dem letztlich auch die Sparer und Rentner in Deutschland und im Euroraum insgesamt profitieren", sagte Draghi laut vorab verbreitetem Redetext. Unter dem Strich gehe es den Sparern, Arbeitnehmern, Unternehmern, Rentnern und Steuerzahlern im gesamten Euro-Gebiet - auch in Deutschland - dank der EZB-Maßnahmen besser, und zwar jetzt und in Zukunft.
Die EZB hat ihre Zinsen bis auf null gesenkt und den Satz für Bankeinlagen sogar auf minus 0,40 Prozent reduziert. Diese sehr niedrigen Zinsen stellen vor allem deutsche Banken vor Probleme, die Einlagen hereinnehmen und Kredite ausreichen, weil die Gewinnspannen unter Druck geraten. Draghi bekräftigte aber, dass diese Niedrigzinsen nicht der Hauptgrund der Gewinnschwäche deutscher Banken seien.
Wörtlich sagte er: "Die Geldpolitik der EZB ist nicht der Hauptfaktor für die geringe Rentabilität der Banken. Einige Banken werden ihre Geschäftsmodelle möglicherweise an das derzeitige Niedrigzinsumfeld anpassen müssen. Sie müssten aber auch ihre eigenen strukturellen Probleme angehen - etwa Überkapazitäten, den Bestand an notleidenden Krediten und die möglichen Auswirkungen technischer Innovationen."
Draghi forderte erneut eine stärkere Unterstützung der Geldpolitik durch die Finanzpolitik der Staaten. "Unsere Maßnahmen müssen durch andere, wirtschaftspolitische Maßnahmen ergänzt werden. Sonst wird es keine kräftige und nachhaltige Erholung geben. Diese anderen Maßnahmen sind die Voraussetzung dafür, dass die Zinssätze wieder steigen", sagte er.
Laut Draghi wird die EZB-Geldpolitik "letztlich dazu führen, das sich die Inflation wieder unserem Zielwert von unter, aber nahe 2 Prozent annähert". Die niedrigen Zinsen seien nötig, um künftig zu höheren Zinsen zurückzukehren. "Zunächst müssen unsere Maßnahmen jedoch ihre volle Wirkung entfalten können. Und dazu müssen andere Politikbereiche sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene wesentlich entschlossener beitragen", sagte er.
DJG/hab/apo
Von Hans Bentzien
FRANKFURT/BERLIN (Dow Jones)
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