"Erbitterter Kampf"

Ökonom: Der Handelskonflikt könnte zwei weitere Jahre für ernsthafte Spannungen sorgen

13.09.18 11:22 Uhr

Ökonom: Der Handelskonflikt könnte zwei weitere Jahre für ernsthafte Spannungen sorgen | finanzen.net

Nachdem es zwischenzeitlich einen kleinen Lichtblick im Handelskonflikt zwischen den USA und China gab, haben sich die Fronten jüngst wieder verhärtet. Einem US-amerikanischen Ökonomen zufolge dürfte eine Einigung gar noch Jahre entfernt sein.

Kein Ende in Sicht

Nachdem China und die USA kürzlich Gespräche ankündigten, die die Hoffnung auf eine Einigung im weiter schwelenden Handelsstreit erneut verstärkten, machen sich nun wieder vermehrt Sorgen breit. Denn US-Präsident Donald Trump und dessen Regierung sind wieder in die Offensive gegangen, indem sie ankündigten, auf die bereits zuvor genannten Strafzölle im Volumen von 200 Milliarden US-Dollar zusätzliche Zölle auf chinesische Importe im Wert von rund 267 Milliarden US-Dollar erheben zu wollen. Diese könnten jederzeit in Kraft gesetzt werden, drohte Trump: "Ich sage das nicht gerne, aber dahinter sind weitere 267 Milliarden US-Dollar kurzfristig startbereit, wenn ich das möchte". Damit wurden die Hoffnungen auf eine baldige Deeskalation endgültig zerstört.

Doch auch der Gegner China hält sich nicht zurück: So kündigte Peking auf die neuesten Drohungen Trumps eigene Vergeltungsmaßnahmen an. China wolle damit seine legitimen Interessen verteidigen, so ein Sprecher des dortigen Außenministeriums.

Bisher hat die Verhängung der Strafzölle allerdings nicht zum eigentlichen Ziel geführt. Absicht war, die US-Handelsbilanz auszugleichen. Doch trotz Trumps Aktionen ist das Handelsbilanzdefizit sogar noch größer geworden. Exporte chinesischer Waren in die USA sind im August im Vergleich zum Vorjahr um 13,2 Prozent auf 44,4 Milliarden US-Dollar gestiegen. Importe von Waren aus den USA verzeichneten indes einen Rückgang auf zwei Prozent und damit auf 13,3 Milliarden US-Dollar. Damit hat sich der US-Präsident weiter von seinem Ziel, das Defizit im Handel durch Strafzölle zu verringern, entfernt.

Anfang dieser Woche forderte Trump den Tech-Giganten Apple daher auf, mehr Zuliefererteile für seine Produkte in den USA zu fertigen anstatt in China oder Taiwan.

"Weitere Jahre ernsthafter Spannungen"

"Ich denke, nach den Zwischenwahlen im November dürfte sich der Handelsstreit etwas lösen und wir beginnen dann, uns etwas mehr auf die fundamentale Lage zu konzentrieren", glaubt Chefaktienmarktstratege Mark Phelps von AllianceBernstein. Dem gegenüber steht jedoch die Meinung diverser anderer Ökonomen, die befürchten, dass der Handelskonflikt weit über die Wahlen hinaus andauern könnte. "Ich denke, wir könnten noch zwei weitere Jahre ernsthafter Spannungen in den Handelsbeziehungen zwischen den USA und China erleben", vermutet Derek Scissors, Asienökonom am American Enterprise Institute. "Was die USA wollen, ist […] sehr ernste Veränderungen im chinesischen Handelsverhalten und vielleicht auch im inländischen Wirtschaftsverhalten", so Scissors weiter. Im Gespräch mit Dan Murphy von CNBC merkte der Ökonom an, er sei sich nicht sicher, ob es überhaupt einen Ausweg aus diesen Spannungen gebe, denn "der Präsident wählt gerne Handelskämpfe aus".

"Signifikante Eskalation"

Auch Stephen Roach, Wirtschaftswissenschaftler und Senior Fellow an der Yale University, ist der Meinung, es werde eine "signifikante Eskalation" des Handelsstreits zwischen den USA und China geben. Er sprach in diesem Zusammenhang von einem "langwierigen, erbitterten Kampf", auch wenn man zunächst noch abwarten müsse, ob Trump tatsächlich "die vollen 200 Milliarden US-Dollar" Strafzölle erheben wird oder nicht. Doch auch Roach zufolge ist es unwahrscheinlich, dass solche Zölle tatsächlich die Lösung für die Handelsdefizite zwischen den USA und deren Handelspartnern sein könnten. Der Ökonom spricht sogar von einem "neuen Kalten Krieg", der aus den bestehenden Konflikten heraus entstehen könnte. Auch der Wettlauf um die technologische Prävalenz zwischen den USA und China sei ein entscheidender Faktor im Kampf um die wirtschaftliche Vorherrschaft. "Ich glaube nicht, dass der Streit zwischen den USA und China wirklich ein Handelsungleichgewicht ist. Ich denke, es ist eher ein strategischer Konflikt zwischen Innovation und Technologie - dem heiligen Gral des wirtschaftlichen Wohlstands einer Nation", so Roach.

Roach zufolge haben die USA aber vor allem ein "multilaterales Problem". Der schwelende Streit sei zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass Amerikaner nicht sparten. "Wenn man nicht spart und wachsen will, importiert man überschüssige Ersparnisse aus dem Ausland, man betreibt massive Leistungsbilanz- und Handelsdefizite, um das Kapital anzuziehen", so Roach. Das sei etwas, "das jede grundlegende makroökonomische Klasse ihren Schülern beibringt". "Anscheinend erinnern sich der Präsident oder seine Berater, einige von ihnen gingen leider nach Yale, entweder nicht oder waren nicht gut in ihrem makroökonomischen Unterricht", wetterte Roach und schlug dabei vor, Präsident Trump und seine Berater sollten ihre "Notizen nochmal studieren".

Nächstes Opfer: Japan?

Doch nicht nur China hat Trump als Gegner auserkoren. Einem Wall Street Journalisten erzählte der Präsident jüngst, dass Japan als nächstes im Visier sein könnte. Dabei beschrieb er zunächst die guten Beziehungen zur japanischen Führung, fügte aber hinzu: "Natürlich wird das enden, sobald ich ihnen sage, wie viel sie bezahlen müssen".

"Der Präsident ist derzeit politisch in die Enge getrieben und sein MO (Modus Operandi), wenn er in die Enge getrieben wird, ist es, etwas Größeres an einer anderen Front zu tun, um von der Spannung abzulenken", erklärte Roach gegenüber CNBCs "Squawk Box".

Ein Ende der Handelsstreitigkeiten dürfte somit in weite Ferne rücken.

Redaktion finanzen.net

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