Westen straft Moskau für Eskalation in Ukraine-Krise ab - US-Regierung droht Verschärfung der Sanktionen an
Die neuen EU-Sanktionen gegen Russland sind nun auch formell von den 27 Mitgliedstaaten beschlossen worden.
Das teilte der Rat der EU-Staaten am Mittwochnachmittag mit. Für die folgenden Stunden war die Veröffentlichung im EU-Amtsblatt geplant. Damit wären die Strafmaßmaßnahmen dann in Kraft.
Die USA und Europa haben mit einem Paket von Strafen auf die jüngste Eskalation Moskaus in der Ukraine-Krise reagiert. Die Europäische Union beschloss Sanktionen gegen Russland. Auch die US-Regierung kündigte erste Strafmaßnahmen an und drohte mit weiteren. US-Außenminister Antony Blinken sagte ein für diesen Donnerstag in Genf geplantes Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow ab. Das Weiße Haus schloss ein mögliches Treffen von US-Präsident Joe Biden mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin vorerst aus. Biden rechnet mit einer weiteren Eskalation von russischer Seite - und mit einem großangelegten Angriff auf das Nachbarland Ukraine.
Die USA verlegen angesichts der Lage zusätzliche Soldaten und Ausrüstung nach Osteuropa. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wiederum kündigte in einer Videobotschaft eine Teilmobilmachung von Reservisten an.
Putin hatte am Montag ungeachtet großen internationalen Protests die Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt und eine Entsendung russischer Soldaten angeordnet. Der Kremlchef plant zum zweiten Mal nach 2014 einen Einmarsch in die Ukraine. Der Westen wirft Putin vor, gegen Völkerrecht zu verstoßen. Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150 000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.
Die EU und die USA brachten nach Putins Entscheidung umgehend weitreichende Sanktionen gegen Russland auf den Weg. Die neuen EU-Sanktionen sehen unter anderem vor, jene 351 Abgeordnete des russischen Parlaments auf die Sanktionsliste zu setzen, die für die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk gestimmt haben. Hinzu kommen Strafen gegen 27 weitere Personen und Organisationen. Darüber hinaus sollen der Zugang des russischen Staates zu den EU-Finanzmärkten beschnitten und der Handel der EU mit den abtrünnigen Regionen beschränkt werden.
Gegen Putin persönlich wurden vorerst keine EU-Sanktionen verhängt, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Dienstagabend nach einem Sondertreffen der EU-Außenminister in Paris bestätigte. Man habe so entschieden, um weitere Maßnahmen in Reserve zu haben.
Die US-Regierung kündigte Sanktionen gegen zwei große russische Banken, gegen den Handel mit russischen Staatsanleihen und gegen Unterstützer Putins und deren Familien an. Biden betonte, die USA seien zu noch härteren Strafmaßnahmen bereit, falls Russland sein Vorgehen gegen die Ukraine weiter vorantreibe. Ein US-Regierungsbeamter sagte, in diesem Fall sei "keine russische Finanzinstitution sicher". Ebenso könnten Exportkontrollen folgen. Auch ein Ausschluss Russlands aus dem internationalen Bezahlungssystem Swift sei bei einer Eskalation immer noch möglich.
Großbritannien und Kanada verkündeten ebenfalls Strafmaßnahmen gegen Russland. Die Bundesregierung wiederum legte die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 vorerst auf Eis, wodurch Putin milliardenschwere Geschäfte erst einmal abschreiben kann.
Die Amerikaner erklärten auch geplante hochrangige diplomatische Gespräche mit der russischen Regierung vorerst für hinfällig. Blinken sagte, mit Blick auf das Vorgehen Moskaus habe es keinen Sinn, an dem ursprünglich für diese Woche in Genf angesetzten Gespräch mit seinem Kollegen Lawrow festzuhalten. Die US-Regierung sei grundsätzlich weiter zu diplomatischen Gesprächen bereit. Doch die russische Regierung müsse zeigen, dass es ihr ernst sei. "Die vergangenen 24 Stunden haben das Gegenteil gezeigt."
In den vergangenen Tagen war auch ein persönliches Treffen von Biden und Putin im Gespräch gewesen. Das Treffen von Blinken und Lawrow hätte der Vorbereitung dienen sollen. Eine direkte Zusammenkunft von Biden und Putin ist nun aber vorerst vom Tisch, wie die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, erklärte. Aktuell, da Putin die Invasion eines souveränen Landes vorantreibe, sei nicht der richtige Zeitpunkt für ein solches Treffen, sagte sie.
Biden rechnet weiter mit einem großangelegten Angriff Russlands auf das Nachbarland. "Wir glauben nach wie vor, dass Russland bereit ist, deutlich weiterzugehen und einen massiven Militärschlag gegen die Ukraine zu starten", sagte der US-Präsident im Weißen Haus. Er bezeichnete Moskaus Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk und die geplante Entsendung russischer Truppen dorthin als "Beginn einer Invasion". Putin liefere "eine Begründung für die gewaltsame Einnahme weiterer Gebiete".
Die US-Regierung hatte wochenlang eindringlich vor einer russischen Invasion gewarnt und sich so von mehreren Seiten den Vorwurf eingehandelt, Alarmismus zu verbreiten und die Lage nur anzuheizen. Nun fühlt sich die Biden-Regierung in ihrem Kurs bestätigt. Blinken sagte mit Blick auf Putin: "Sein Plan war von Anfang an, in die Ukraine einzumarschieren, um die Ukraine und ihre Bevölkerung zu kontrollieren, um die ukrainische Demokratie zu zerstören (...), um die Ukraine als Teil Russlands zurückzuerobern." Blinken bezeichnete das Vorgehen Moskaus als "die größte Bedrohung für die Sicherheit in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg". Putin breche gewaltsam die Gesetze und Grundsätze, die seit Jahrzehnten den Frieden in Europa und der ganzen Welt bewahrt hätten. "Die Ukraine ist in Gefahr."
US-Regierung: Neue Sanktionen gegen Russland können noch deutlich nachgeschärft werden -
Die US-Regierung könnte ihre neuen Sanktionen gegen Russland nach Angaben eines führenden Vertreters des Weißen Hauses noch dramatisch verschärfen. Die harten Finanzsanktionen gegen zwei russische Staatsbanken, die zusammen eine Bilanzsumme von rund 85 Milliarden US-Dollar hätten, seien nur der Anfang, sagte der Beamte am Dienstag. Falls Russland weiter gegen die Ukraine vorgehe, sei "keine russische Finanzinstitution sicher", warnte er. Auch die größten russischen Banken wie Sberbank und VTB, die zusammen rund 750 Milliarden Dollar verwalteten, könnten dann in Abstimmung mit den EU-Partnern von westlichen Kapitalmärkten ausgeschlossen werden.
Mit Blick auf Moskaus Vorgehen in der Ostukraine sagte der Beamte: "Das ist der Anfang einer Invasion und das ist der Anfang unserer Antwort." Falls Russlands Präsident Wladimir Putin weiter auf Eskalation setzen sollte, werde die US-Regierung ihre Sanktionen weiter ausbauen und neue Exportkontrollen einführen, sagte er. Auch ein Ausschluss Russlands aus dem internationalen Bezahlungssystem Swift sei bei einer Eskalation immer noch möglich, betonte der Beamte. Zunächst setze man aber auf Maßnahmen, die Russland ähnlich hart träfen und dabei aber weniger Nachteile für Dritte hätten.
US-Präsident Joe Biden hatte unmittelbar zuvor angekündigt, Sanktionen gegen zwei Banken, gegen den Handel mit russischen Staatsanleihen und gegen drei Unterstützer Putins und deren Angehörige einzuführen. Biden bezeichnete die Maßnahmen als "erste Tranche" möglicher Sanktionen.
Von den neuen Sanktionen betroffen war die russische Staatsbank VEB, die der Beamte als "glorifiziertes Sparschwein für den Kreml" bezeichnete. Die zweite Bank sei ein etwas kleineres Institut, das Aktivitäten der russischen Streitkräfte finanziere, sagte er. In einer Erklärung des Weißen Hauses hieß es dazu: "Diese Maßnahmen werden ihr Vermögen in den USA einfrieren, US-Personen und Firmen verbieten, mit ihnen Geschäfte zu machen, sie aus dem globalen Finanzsystem ausschließen und ihnen Zugang zum US-Dollar verwehren."
Die US-Regierung betonte, alle russischen Finanzinstitutionen könnten sanktioniert werden und damit ihren Zugang zum US-Finanzsystem und dem Dollar verlieren. Der Großteil der russischen Währungsgeschäfte und etwa die Hälfte des russischen Außenhandels laufen derzeit noch in US-Dollar, hieß es weiter.
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WASHINGTON (dpa-AFX)
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