Bleibt alles anders

15.01.25 16:55 Uhr

Vor knapp acht Jahren, am 20. Januar 2017, wurde mit Donald Trump ein US-Präsident vereidigt, der das multilaterale System maßgeblich verändern würde. Soviel war damals schon klar. Wie genau sich die USA in den darauffolgenden vier Jahren international positionieren würden, jedoch nicht. Vieles war ungewiss. Viele Menschen hofften, dass die Veränderungen nicht so groß werden würden. Dass immer noch genug „Erwachsene im Raum“ wären, die für die regelbasierte internationale Ordnung, für ein vertrauensvolles multilaterales System kämpfen würden. Dass „America First“ vor allen Dingen ein Wahlkampfslogan gewesen sei, der aber nicht die gesamte amerikanische Politik bestimmen würde. Dass die roten Basecaps mit „Make America Great Again“ schnell wieder in den Schubladen verschwinden würden. Heute wissen wir es besser.Am 20. Januar wird es wieder ähnliche Bilder geben. Dieses Mal sind es nicht die Obamas, sondern die Bidens, die Melania und Donald Trump die Schlüssel zum Weißen Haus, die Schlüssel zur Macht übergeben. Erneut wird dieser Mann als US-Präsident vereidigt. Die Bilder werden so wirken wie vor acht Jahren. Dennoch ist die Situation eine völlig andere. Denn die Welt weiß nun, was folgen wird: „America First“ ist nicht bloß ein Slogan. Die roten Basecaps sind noch da. „America First“ ist das erklärte Hauptziel von Donald Trump, eine politische Idee, die er und seine Regierung noch vehementer durchsetzen werden als noch vor acht Jahren. Die Welt weiß ziemlich genau, was auf sie zukommt. Allein schon deshalb, weil es mit dem Project 2025 einen ausgearbeiteten Plan für die künftige amerikanische Politik gibt, für jeden und jede lesbar, online veröffentlicht.Und klar ist auch: Die Idee „America First“ hat sich verbreitet. „Nationalstaat First“ scheint vielerorts ein erstrebenswertes politisches Ziel zu sein. Nationalistische Tendenzen sind in vielen weiteren Ländern zu spüren – in einigen mehr, in anderen weniger. Populismus ist wieder en vogue. Schneckenhauspolitik ist wieder en vogue. Und auch die Welt, auf die Donald Trump im Jahr 2025 trifft, hat sich weiterentwickelt. Sie ist multipolarer geworden. Neue regionale Mächte werden einflussreicher und erheben einen legitimen Anspruch auf globale Mitgestaltung. Länder wie Brasilien, Indien, Nigeria. Gleichzeitig sinkt der Einfluss des Westens weiter.Dies alles hat die Grundlagen der internationalen Beziehungen fundamental verändert. Wir leben nicht mehr im Jahr 2017. Deutschland und Europa werden noch viel mehr als einende Kräfte, als selbstbewusste Vermittlerinnen im internationalen System auftreten und sich damit gegen nationalistische Tendenzen auflehnen müssen.Die globalen Herausforderungen sind offensichtlich: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, dessen Beginn sich nächsten Monat zum dritten Mal jährt, markiert eine Zeitenwende im europäischen Verständnis von Sicherheit. Die Klimakrise zeigt immer deutlicher ihre Ausmaße – mit Naturkatastrophen wie Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen. Noch nie zuvor waren so viele Menschen weltweit auf der Flucht vor Krieg und Gewalt. Die soziale Schere ist weltweit weiter auseinandergegangen und mühsame Errungenschaften bei der Gleichstellung von Frauen und Mädchen müssen verteidigt werden. Ganze Wirtschafts- und Berufszweige stehen vor gewaltigen Umbrüchen.Was es nun braucht, ist ein hoffnungsvoller Blick nach vorne.Diese globalen Herausforderungen lassen viele Menschen mit Angst in die Zukunft blicken. Und zu viele von ihnen nehmen daher die vermeintlich einfachen Antworten von Populisten dankbar an. Was es nun braucht, ist ein hoffnungsvoller Blick nach vorne. Ein Blick, der die heutigen Tatsachen dieser Welt nicht verkennt. Der sie aber nicht als unveränderbar hinnimmt. Der lösungsorientiert ist, gestaltungsmächtig, optimistisch.Ein Blick, der erkennt, dass ein stabiles multilaterales System unabdingbar ist – für unsere Sicherheit, für unseren Wohlstand. Ein System mit starken Institutionen wie den Vereinten Nationen und der Europäischen Union. Mit zentralen Plattformen, auf denen trotz aller Interessenskonflikte gute Entscheidungen für alle Menschen getroffen werden können. Wie die Weltklimakonferenzen oder die Generalversammlung der Vereinten Nationen. Oder auch wie die Hamburg Sustainability Conference, die im Herbst 2024 zum ersten Mal stattfand. Ein Ort, an dem einmal pro Jahr Entscheiderinnen und Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen zusammenkommen und konkret an der Aufholjagd der UN-Nachhaltigkeitsziele arbeiten. Dieser Prozess muss konsequent fortgeführt werden. Deutschland muss die Post-2030-Agenda aktiv mitgestalten.Es braucht einen Blick, der erkennt, dass die Antwort auf „America First“ nicht „Germany First“ heißen kann. Sondern „Europe United“ oder sogar „World United“. Die deutsche Entwicklungspolitik ist ein wichtiger Teil dieses optimistischen Blicks. Sie trägt dazu bei, die Ursachen von Krisen und Konflikten zu beseitigen. Sie lindert Leid in bestehenden Konfliktsituationen und ebnet den Weg zu stabileren Verhältnissen. Entwicklungspolitik muss daher mehr als je zuvor globale Strukturpolitik sein, langfristig Strukturen verändern. Und im Sinne einer Development Diplomacy die vielfältigen entwicklungspolitischen Netzwerke nutzen, um gemeinsam globale öffentliche Güter bereitzustellen und zu sichern. Entwicklungspolitik gestaltet internationale Beziehungen.Wie zum Beispiel in Syrien, wo vor einem Monat die brutale Assad-Diktatur endete. Nach 50 Jahren Unterdrückung, Folter und Mord gibt es für die Menschen dort nun eine Chance auf ein sicheres Syrien, ein historisches Zeitfenster. Die deutsche Entwicklungspolitik begleitet die syrische Bevölkerung auf diesem Weg. Indem wir den Übergang zu einer friedlichen Neuordnung in Syrien unterstützen. Mit konkreten Erwartungen an die Übergangsregierung und politischen Zielen: Dass die Rechte aller religiösen und ethnischen Gruppen und die Rechte von Frauen und Mädchen geschützt werden. Dass Bildung frei von Ideologie, Diskriminierung und Ausgrenzung ist. Dass Syrien nicht als Basis für Terrorismus genutzt wird. Entwicklungspolitik macht hier einen Unterschied. Ein stabiles und sicheres Syrien kann die Konflikte im gesamten Nahen Osten entschärfen und zu einer sichereren Weltordnung beitragen. Der Nahe Osten ist für Europas Sicherheit unabdingbar.Die ärmsten Länder tragen die größte Last.Mehr als drei Viertel aller Menschen auf der Flucht suchen Schutz in angrenzenden Ländern oder als Binnenvertriebene im eigenen Land. Die ärmsten Länder tragen damit die größte Last. Aufgabe der Entwicklungspolitik ist es daher auch, Aufnahmeländer bei der Versorgung und Integration von Flüchtlingen zu unterstützen. Zum anderen arbeitet sie strukturell und langfristig daran, dass Menschen sich gar nicht erst auf gefährliche Fluchtrouten begeben müssen. Für beide Aufgaben muss sich auch die Europäische Union stärker engagieren. Mindestens die Hälfte der EU-Mittel für Flucht und Migration sollten in den Schutz und die Versorgung von Flüchtlingen in Aufnahmeländern sowie in sichere reguläre Migrationswege fließen. Das ist allemal effizienter als Zäune und Grenzkontrollen.Ein weiteres Beispiel ist die Steuergerechtigkeit, für die sich die deutsche Entwicklungspolitik einsetzt. Denn Steuerpolitik ist ein mächtiges Werkzeug für mehr Gerechtigkeit, das gilt auch weltweit. Sie schafft finanzielle Spielräume für soziale Sicherung, Bildung und Klimaschutz. Die Einführung einer globalen Mindeststeuer für Ultra-Reiche ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit. Südafrika wird diesen Vorschlag als Inhaber der G20-Präsidentschaft in diesem Jahr weiter vorantreiben. Das sollte die deutsche Entwicklungspolitik auch in Zukunft unterstützen.Entwicklungspolitik ermöglicht langfristige Partnerschaften mit jenen Teilen der Welt, die derzeit besonders schnell an Einfluss gewinnen. Sie öffnet Türen und baut Brücken und ist damit aus der internationalen Politik Deutschlands nicht wegzudenken. Sie ist eine soft power, die Vertrauen schafft. Dieses Vertrauen ist Voraussetzung für ein starkes multilaterales System. Enge Beziehungen zu Politik, Gesellschaft und Wirtschaft in Ländern des Globalen Südens, abseits der klassischen diplomatischen Wege, waren noch nie so wichtig wie heute. Denn die meisten Länder des Globalen Südens sind ebenso interessiert daran, grenzüberschreitende Probleme zu lösen. Und sie sind – genau wie Deutschland – stabile Unterstützer eines fairen Multilateralismus. Sie wollen die Zukunft mitgestalten, gerade angesichts der ungewissen Rolle der USA in diesem System. Aufstrebende Staaten wie Indien zum Beispiel sind und bleiben zentrale Partner im Kampf gegen die Klimakrise, beim Schutz globaler öffentlicher Güter und haben eine hohe Bedeutung für unser Land.Die zweite Vereidigung von Donald Trump zum US-Präsidenten markiert eine erneute Zäsur in der internationalen Zusammenarbeit. Es ist aber auch klar: Viele Menschen sind darauf vorbereitet. Sie wissen, worauf es nun ankommt: auf mehr gemeinsam statt allein. Auf mehr Optimismus anstatt Angst. Auf mehr Multilateralismus anstatt „Nationalstaat First“. Starke internationale Beziehungen und eine starke internationale Zusammenarbeit bringen Deutschland sowie die ganze Welt voran und sichern unser aller Zukunft.Weiter zum vollständigen Artikel bei IPG Journal

Quelle: IPG Journal