Mitgefühl in der Oberschicht: Selfmade-Wohlhabende in den USA weniger mitfühlend als reich Geborene
"Ich hab’s doch auch geschafft" - Wer sich in den USA selbst hochgearbeitet hat, ist den Studienergebnissen eines Forschungsteams der University of California zufolge gegenüber Bedürftigen weniger mitfühlend als reiche Erben.
Wie werden Reiche in den USA eingeschätzt?
In den USA erfährt soziale Mobilität - also der finanzielle Aufstieg - eine große gesellschaftliche Anerkennung. Entsprechend konnte in den vergangenen Jahren untersucht werden, dass US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner reich gewordenen Menschen mehr Sympathie entgegenbringen als reichen Erbinnen und Erben. Ein Grund dafür: Der Gedanke, dass sie mehr Verständnis haben für finanziell schlechter aufgestellte Menschen, weil sie selbst einmal in derselben Situation waren. Dies erklärt eine Ende Juni im Fachblatt "Social Psychological and Personality Science" veröffentlichte Studie des Forschungsteams um Hyunjin Koo von der University of California.
An diese Erkenntnisse anknüpfend hat das Team selbst erneut überprüft, wie die Menschen in den USA ihre reichen Mitbürgerinnen und Mitbürger einschätzen und anschließend erforscht, ob diese Einschätzung der Realität entspricht. Alle Studienteilnehmenden kamen aus den USA.
Von Selfmade-Reichen wird mehr Verständnis erwartet
Zunächst wurden rund 700 normalverdienende Probandinnen und Probanden befragt - das Ergebnis: Tatsächlich sympathisieren sie mehr mit Selfmade-Reichen als mit reich Geborenen und erwarten insbesondere mehr Mitgefühl.
Im zweiten Teil der Studie wurden je 500 Menschen befragt, deren Haushalt im Jahr 2019 ein Einkommen in Höhe von mindestens 80.000 US-Dollar beziehungsweise mindestens 142.000 US-Dollar verzeichnete. Das Team um Hyunjin Koo schreibt in seiner Veröffentlichung: "Reich Gewordene empfinden die Verbesserung ihrer sozioökonomischen Bedingungen als weniger schwierig als die reich Geborenen, was auf eine weniger wohlwollende Haltung gegenüber Bedürftigen und Umverteilung schließen lässt."
Weniger Mitgefühl bei Selfmade-Reichen: "Ich habe es doch auch geschafft"
Überprüft haben die Forschenden dieses Ergebnis mit einem Gedankenspiel mit rund 500 weiteren Studienteilnehmenden: Sie sollten sich vorstellen, vor 15 Jahren in einer Firma angefangen zu haben und entweder schon immer eine Führungsposition innegehabt zu haben, weil es das Unternehmen der eigenen Familie ist, oder sich bis heute auf einen Führungsposten hochgearbeitet zu haben. Dann sollten die Probandinnen und Probanden eine imaginäre Kollegin bewerten, die ebenfalls vor 15 Jahren ins Unternehmen gekommen ist - ohne sich auf eine Führungsposition hochzuarbeiten. Tatsächlich hatten auch hier die (in der Vorstellung) reich Geborenen mehr Mitgefühl als die anderen Teilnehmenden. Letztere bewerteten härter, nach dem Prinzip "Ich habe es doch auch geschafft".
Ergebnisse möglicherweise nicht überall auf der Welt zutreffend
In der Studie wird betont, was diese Ergebnisse bedeuten: Nur, weil jemand einmal benachteiligt war, interessiert sich diese Person nicht zwangsweise für andere Benachteiligte. Insbesondere in der Politik, etwa bei Wahlen, sei dies von Bedeutung. Natürlich wolle man allerdings auch nicht allen Selfmade-Reichen das Mitgefühl absprechen, vermutlich gebe es viele Wohlhabende, die nicht den in der Studie dokumentierten Mustern entsprechen. Um weitere Daten zu sammeln, wolle man die Studie beispielsweise auf Millionäre und Milliardäre ausweiten - diese haben an der Ende Juni veröffentlichten Forschung nicht teilgenommen.
Außerdem will das Forschungsteam seine Studie auch im Ausland durchführen. Angesichts der außergewöhnlichen Anerkennung, die finanziellem Aufstieg in den USA entgegengebracht wird - Stichwort American Dream - sei nicht sicher, ob die aktuellen Studienergebnisse so überall auf der Welt zuträfen.
Redaktion finanzen.net
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