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Leitzinsen steigen: Die Folgen im Alltag

18.10.22 21:03 Uhr

Leitzinsen steigen: Die Folgen im Alltag | finanzen.net

Die Europäische Zentralbank hat erst kürzlich über die höchste Leitzinserhöhung seit der Einführung des Euros entschieden. Wie wirkt sich das auf die Alltagsfolgen für Verbraucher aus?

EZB: Höchste Leitzinserhöhung seit dem Euro

Wie die Europäische Zentralbank in einer Pressemitteilung vom 8. September 2022 erklärte, hat der EZB-Rat beschlossen, die Leitzinssätze um 75 Basispunkte zu erhöhen. Dabei handelt es sich um die höchste Erhöhung seit der Einführung des Euros im Jahr 2002. "Grund für den Beschluss des EZB-Rats ist, dass die Inflation nach wie vor deutlich zu hoch ist und voraussichtlich für längere Zeit über dem Zielwert bleiben wird. Aus demselben Grund geht der EZB-Rat davon aus, dass er die Zinsen weiter anheben wird", so die Erklärung in der Pressemitteilung. Der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte sowie die Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität wurden demnach am 14. September auf 1,25 Prozent, 1,50 Prozent und 0,75 Prozent erhöht.

So sehen die Folgen für Kreditnehmer aus

Doch welche Folgen hat die Leitzinserhöhung für die Verbraucher im Alltag? Wie der Deutschlandfunk erklärt, haben die bisher niedrigen Zinsen Immobilienfinanzierungen jahrelang immer billiger werden lassen. Jedoch sind die Kredite zuletzt rasant teurer geworden. Im Zusammenhang mit der Leitzinserhöhung wird die Zinslast nun weiter zunehmen. Dem Internetportal Finanztip nach sind Baukredite seit dem großen Zinsanstieg in der ersten Jahreshälfte 2022 so teuer, wie sie es seit zehn Jahren nicht mehr gewesen sind. Wie der Deutschlandfunk weiter berichtet, könnten die steigenden Kreditraten außerdem einige Schuldner überfordern. Besonders vorsichtig sollten solche Kreditnehmer sein, deren Zinsbindung in der nächsten Zeit ausläuft. Darüber hinaus kann man davon ausgehen, dass einige Hypothekenschuldner aufgrund der steigenden Zinssätze die monatlichen Raten nicht mehr tragen können. Dies könnte wiederum dazu führen, dass die Anzahl an Zwangsversteigerungen von Immobilien zunehmen könnte. Diese Auswirkung dürfte sich jedoch erst in den Jahren 2023 und 2024 bemerkbar machen, da die Verfahrensdauer von Haus-Versteigerungen oft einen längeren Zeitraum beansprucht.

Wie Christina Bannier, Professorin für Banking & Finance an der Justus-Liebig-Universität Gießen, gegenüber der Tagesschau erklärt, seien die erhöhten Zinsen jedoch nicht das einzige Problem für Kreditnehmer. Hier stelle sich nämlich nun die Frage, ob Interessenten überhaupt noch Kredite bekommen. "Wenn eine Bank eine Anfrage bekommt, prüft sie den potenziellen Kreditnehmer sehr gründlich und macht sich Gedanken, ob dieser sich die teureren Zins- und Tilgungszahlungen in der Zukunft leisten kann", erklärt die Professorin. Hinzu kommt außerdem die Gefahr einer Rezession, die Jobverluste und Einkommenseinbußen mit sich bringen könnte. Die Kreditvergabe könnte in Zukunft also deutlich strenger ablaufen als zuvor.

Folgen für Sparer

Sparer dürften sich im Gegensatz zu Kreditnehmern über die steigenden Zinsen freuen. Denn durch die Leitzinserhöhung könnten Niedrigstzinsen auf Tagesgeld- und Festgeldkonten sowie Negativzinsen auf Konten, die einen bestimmten Freibetrag überschreiten, nun Vergangenheit sein. Wie das Vergleichsportal Verivox berichtet, haben bereits 51 Banken ihre sogenannten Verwahrentgelte ganz oder zumindest teilweise gestrichen. "Die große Mehrheit der Banken hat nach der Zinserhöhung schnell reagiert und ihre Negativzinsen abgeschafft. Das ist nur folgerichtig, schließlich hatten die Geldhäuser ihre Verwahrentgelte stets mit der Minuszinspolitik der Notenbank begründet. Da sie selbst nun keine Strafzinsen mehr bezahlen müssen, entfällt für die Banken auch die Grundlage, die eigenen Sparer noch länger mit Negativzinsen zu belasten", erklärt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. Bis der Rest der Banken nachzieht, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein.

Langfristig dürften die Zinsen für Sparer sogar steigen, wie der Deutschlandfunk weiter erklärt. Erste entsprechende Tendenzen für eine solche Entwicklung gebe es schon. Jedoch gibt Bannier gegenüber der Tagesschau zu bedenken, dass man sich von den steigenden Zinsen nicht täuschen lassen dürfe. "Der Effekt ist vorerst nur ein scheinbarer, da wir im Moment eine wahnsinnig hohe Inflation haben. Die frisst die zusätzliche Kaufkraft durch das gesparte Geld derzeit komplett weg", so die Ökonomin. Für einen tatsächlich spürbaren Effekt müsse der Zins für Sparer noch viel stärker ansteigen oder die Inflation deutlich zurückgehen.

E. Schmal / Redaktion finanzen.net

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