Kündigungen: Kein Aufhebungsvertrag ohne Beratung
Unsere Arbeitswelt befindet sich nicht nur durch die Digitalisierung in einem gewaltigen Umbruch, Unternehmen müssen auch mit Kündigungen reagieren. Der bessere Weg sind Aufhebungsverträge - wenn beide Seiten zufrieden sind.
von Benjamin Scholz, Gastautor für €uro am Sonntag
Jahr für Jahr einigen sich tausendfach Beschäftigte mit ihren Arbeitgebern mithilfe von Aufhebungsverträgen über die Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses. Diese grundsätzlich einvernehmliche Regelung wird vielfach von beiden Seiten einer Kündigung vorgezogen. Beide ersparen sich so oft langwierige gerichtliche Verfahren, deren Ausgang zudem ungewiss und oft für keinen der Beteiligten von Vorteil ist. Ein Aufhebungsvertrag schafft Klarheit und erleichtert den Blick nach vorn, nicht zuletzt auch auf eine berufliche Neuorientierung mit dauerhafter Perspektive.
Die Bedeutung eines Aufhebungsvertrags in unserer Arbeitswelt ist also offensichtlich, und sie wird weiter steigen. Denn unsere Unternehmen und damit die gesamte Arbeitswelt mit der Digitalisierung befinden sich mitten in den Anfängen der größten Umwälzung seit Jahrzehnten. Die Folge sind auch Personalfluktuationen, die oft durch Aufhebungsprogramme realisiert werden.
Die vielfältigen Chancen dieser Entwicklung sind bekannt, ebenso wie die Tatsache, dass morgen und übermorgen neue Berufsbilder entstehen, die manch einer heute nur erahnen kann. Sicher ist allerdings auch, dass die Unternehmen damit vor bisher kaum gekannten Disruptionen stehen, Berufsbilder tief greifend verändert werden oder verschwinden. Im Kontext einer solchen einschneidenden Entwicklung ist es für beide Seiten - Beschäftigte wie Arbeitnehmer - unerlässlich, sich mit den personalseitigen Konsequenzen und eben auch mit den potenziellen Fallstricken eines Aufhebungsvertrags zu beschäftigen. Nur so lassen sich höchst unangenehme Überraschungen vermeiden.
Für die Annahme eines Aufhebungsvertrags durch den Arbeitnehmer sind zum einen subjektiv-persönliche Faktoren ausschlaggebend, dazu zählen die individuellen Perspektiven des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt sowie dessen persönliche und familiäre Situation.
Hinzu kommen die "harten", objektiv-finanziellen Faktoren, die aufgrund ihrer Komplexität oft nicht hinreichend bedacht werden. Das sind alle finanziellen, steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Fragen. Ohne eine tiefgehende Betrachtung dieser Fragen ist die Beurteilung eines Aufhebungsvertrags nur eingeschränkt möglich.
Im Übrigen ist es auch im Interesse einer Geschäftsleitung, den Betroffenen in diesen Fragen mit Expertise zur Seite zu stehen. Durch eine zuverlässige Beratung sind Mitarbeiter in der Lage, sich frühzeitig zu orientieren und ein Angebot zur Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses nach fundierter Abwägung zu akzeptieren. Eine unter dieser Maßgabe reibungslose und positiv besetzte Entscheidung des Mitarbeiters ist von unschätzbarem Wert für die Wahrung des Betriebsfriedens und die Sicherung der Betriebsreputation.
Richtige Beratung kann fünfstellige Summen sichern
Wesentlich ist die Frage, mit wie viel Geld der Betroffene nach einer Abfindung rechnen kann. Oft stellen sich hier bei fehlender Beratung höchst unangenehme Überraschungen ein, die im Nachhinein nicht mehr zu korrigieren sind. Da die Sätze zur Einkommensteuer grundsätzlich progressiv sind, erhöht sich auch bei der Abfindung der Steuersatz mit der Höhe ihrer Auszahlung. Gerade wenn ein Arbeitnehmer am Ende einer langjährigen Betriebszugehörigkeit eine hohe Abfindung erhält, ist der darauf zu entrichtende Steuersatz erheblich. Die Höhe der Steuerzahlungen kann jedoch gemindert werden.
Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte Fünftelregelung. Bei ihr handelt es sich um eine Steuertarif-Vergünstigung, wenn in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte wie beispielsweise eine Abfindung enthalten sind. Dank dieser Regelung wird die Progression durch die Verteilung auf fünf Jahre abgeflacht, mit zum Teil erheblichen Folgen. Ein vereinfachtes Beispiel: Ein 52-Jähriger, mit zwei minderjährigen Kindern, verdient brutto 60.000 Euro im Jahr und bekommt eine Abfindung über 100.000 Euro. Seine Frau verdient 25.000 Euro. Für die Kinder besteht Anspruch auf Kindergeld, die Eltern sind kirchensteuerpflichtig.
Durch eine Abmilderung der Spitzenbelastung im Rahmen der Fünftelregelung konnte in diesem Fall dem Arbeitnehmer ein Vorteil von über 7400 Euro verschafft werden. Ohne eine eingehende Beratung hätte zudem gegebenenfalls noch eine Sperrfrist von zwölf Wochen beim Bezug des Arbeitslosengeldes angestanden, die mit einer zusätzlichen Einbuße von weiteren 6507 Euro zu Buche geschlagen hätte. Das heißt: Ohne detaillierte Beratung hätte dieser Arbeitnehmer auf einen Vorteil von insgesamt fast 14.000 Euro verzichtet.
Eine Steuerersparnis kann auch erreicht werden, wenn die Abfindung oder Teile davon als Anlage für die Altersvorsorge verwendet werden. Im Rahmen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) sind verbesserte steuer- und sozialversicherungsrechtliche Rahmenbedingungen für die betriebliche Altersvorsorge möglich. Für Direktversicherungen, Pensionskassen oder Pensionsfonds beinhaltet dies auch, dass der steuerfreie Höchstbetrag der Entgeltumwandlung von vier auf acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (West) angehoben wurde. Dabei kann es sich in vielen Fällen, besonders bei älteren Arbeitnehmern, rechnen, wenn steuerfreie Einzahlungen in eine Direktversicherung oder Pensionskasse geleistet werden. So können im Idealfall Abfindungen für die Altersvorsorge angelegt werden - bei gleichzeitiger Steuerersparnis.
Ein weiteres Thema ist die Sozialversicherung. Der Arbeitnehmer muss wissen, wie lange und in welcher Höhe er Arbeitslosengeld I beziehen kann. Dies ist in aller Regel abhängig vom Alter, von der Höhe des Einkommens und der daraus resultierenden Versicherungsbeiträge der letzten Monate und Jahre. Besonders wichtig ist jedoch die Frage, inwieweit die Abfindung die Bezugszeit und damit die Gesamthöhe des Arbeitslosengeldes I beeinflusst. Dies kann dann der Fall sein, wenn sich der Beschäftigte mit seinem Arbeitgeber auf einen "vorzeitigen Abschied", also unter Nichtbeachtung der vorgesehenen Kündigungsfristen, geeinigt hat. Die damit einhergehenden Themen der Sperr- und Ruhezeiten haben das Potenzial für höchst unangenehme Überraschungen, denn sie können unter Umständen den Bezug des Arbeitslosengeldes I verzögern, es kürzen oder sich auf die Rentenhöhe auswirken.
Vor Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags ist also eine Vielzahl von Fragen zu klären. Doch jeder Fall ist anders gelagert, folglich muss eine Beratung - die dringend zu empfehlen ist - immer individuell sein.
Kurzvita
Benjamin Scholz
Partner bei der
EL-NET Group
Die HR-Beratungsgesellschaft EL-NET GROUP ist auf
Personaltransformation und -neustrukturierung, Outplacement und
Executive Search
spezialisiert. Benjamin
Scholz verantwortet dort das operative Transformations- und Outplacementgeschäft und berät Unternehmen bei der Konzeption von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Mitarbeiter bei Transformationsprozessen.
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