Expertinnen und Experten: Spart Smarthome wirklich Strom?
Smarthome gilt als das Wundermittel gegen Stromverschwendung - dabei gehen die Meinungen auseinander, wie stromsparend und umweltschonend die Technologie wirklich ist.
Bis zu 30 Prozent Heizenergie soll mit Smarthome eingespart werden können
Mit der Smarthome-Technologie lassen sich Heizung, Kaffeemaschine, Überwachungskamera, Rollläden & Co. aus der Ferne steuern und vorprogrammieren. So sollen die Geräte optimal genutzt werden können und deutlich weniger Energie verbrauchen als bei einer Nutzung ohne Smarthome. "Die Einsparung von Energie, in erster Linie Heizenergie, ist eines der wichtigsten Ziele von Smarthome", so Günther Ohland, Chef des Branchenverbands Initiative Deutschland, im Interview mit dem SPIEGEL. Rund 20 bis 30 Prozent Heizenergie könne man mit der Technologie einsparen, womit sich die Smarthome-Anschaffungskosten nach zwei bis drei Jahren rechneten. Bei den aktuellen Strompreisen, so Ohland, möglicherweise sogar noch früher.
Alle Geräte ohne Sparfunktion verbrauchen zusätzlichen Strom
So weit, so gut. Doch auch die Optimierung der Heizung und der anderen Geräte verbraucht Strom, und zwar rund um die Uhr. Hinzu kommt, dass auch die Akkus der Thermostate regelmäßig geladen werden müssen, argumentiert Umweltforscherin Johanna Pohl von der TU Berlin, ebenfalls im Interview mit dem SPIEGEL: "Alle Geräte ohne Sparfunktion verbrauchen zusätzliche Energie." Dem hält Ohland entgegen, die heutigen Geräte seien keine Stromfresser, sondern verbrauchen so wenig Strom wie möglich. Damit würde der zusätzliche Stromverbrauch kaum ins Gewicht fallen.
Eine Studie des Instituts für angewandte Ökologie aus dem Jahr 2019 legt nahe, dass beide Recht haben: So braucht die smarte Verwaltung von Heizung, Lautsprechern, Kameras, Saugrobotern & Co. 200 zusätzliche Kilowattstunden Strom jährlich. Einer Erhebung des BUND zufolge sind es sogar 330 Kilowattstunden jährlich, was weltweit einen zusätzlichen Verbrauch von 70 Terrawattstunden bedeute. Zum Vergleich: Das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von ganz Baden-Württemberg. Dennoch, so das Institut für angewandte Ökologie, sinke der Stromverbrauch dank der Einsparungen bei der Heizung mit Smarthome um etwa zehn Prozent.
Nicht jeder Haushalt spart mit Smarthome Strom
Trotzdem ist Pohl umwelttechnisch nicht von Smarthome-Systemen überzeugt: "Es kostet wahnsinnig viel Energie, diese Geräte herzustellen. Wir haben festgestellt, dass es durchschnittlich kaum Einsparpotenzial gibt, wenn man die Produktion von Smarthome-Geräten mit einbezieht." Auch, wer dem Umweltfaktor keine große Bedeutung beimisst, solle sich überlegen, ob sich das Smarthome-Konzept individuell lohnt. Zwar mache es einen riesen Unterschied, ob die Heizung auf 21 oder 19 Grad Celsius eingestellt sei, aber dass alle mit der Technologie sparen können, sei schlicht falsch: "Wer seine Zimmertemperatur jetzt schon auf 19 Grad regeln kann, die Heizung beim Lüften ausschaltet und runterdreht, wenn niemand da ist, der erzielt keine großen Ersparnisse mit Smarthome." Schließlich könne man die Heizung auch manuell runterdrehen und sich so die Anschaffungskosten für das Smarthome sparen.
Die Meinungen gehen also auseinander. Aber: Jeder kann selbst ausrechnen, ob sich die Einrichtung von Smarthome im eigenen Heim lohnt. Auf der Verpackung der smarten Geräte steht immer die Watt-Leistung. Multipliziert man diese mit 24 (Stunden am Tag) und das Ergebnis mit 365 (Tagen im Jahr), ergibt sich der durchschnittliche jährliche Stromverbrauch. Verrechnet man diesen mit der vom Hersteller angegebenen Ersparnis durch die Nutzung des Geräts und dem eigenen aktuellen Stromverbrauch, ergibt sich die absolute Ersparnis.
Haushaltsgeräte können auch manuell ausgeschaltet werden
Natürlich sind auch hybride Lösungen möglich: So gibt es die Möglichkeit, mithilfe smarter Steckdosen den tatsächlichen Stromverbrauch verschiedener Geräte im Laufe des Tages zu messen. Anstatt die Haushaltsgeräte anschließend mit den smarten Steckdosen zu Timen, können Letztere entfernt und die Haushaltsgeräte entsprechend der Ergebnisse des beobachteten Stromverbrauchs manuell ausgesteckt werden, wenn sich dies rechnet. Allerdings sollten nicht alle Geräte willkürlich ausgesteckt werden. So weist die Frankfurter Neue Presse darauf hin, dass dadurch beispielsweise OLED-Fernseher an Qualität einbüßen und auch Tintendrucker Schaden davon tragen können.
Redaktion finanzen.net
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