Schattenhandel

Insiderhandel mit ETFs? Studie untersucht auffällige Trades vor Fusionen und Übernahmen

21.02.23 23:00 Uhr

Insiderhandel mit ETFs? Studie untersucht auffällige Trades vor Fusionen und Übernahmen | finanzen.net

Könnten Insidertrader Exchange Traded Funds nutzen, um ihre potenziell illegalen Deals im Vorfeld von Fusionen und Übernahmen zu verschleiern? Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung, die solche "Schatten-Trades" unter die Lupe genommen hat.

• Studie geht Insiderhandel mit ETFs auf den Grund
• Zwischen 2009 und 2021 Schatten-Trades in Milliardenhöhe durchgeführt
• Handel mit ETFs hilft Insider-Trades zu verschleiern



Wer Insiderinformationen nutzt, macht sich strafbar, so heißt es auf der Webseite der deutschen Börsenaufsicht BaFin. Um diesem illegalen Geschäft auf die Spur zu kommen, untersucht die Behörde beispielsweise Ad-hoc-Meldungen, geht Hinweisen Dritter nach und analysiert Daten der Wertpapieraufsicht über verschiedenste Wertpapiergeschäfte. Dennoch betont die BaFin, dass sich jeder strafbar macht, "der seine Insiderkenntnisse für sich oder andere verwendet und daraufhin Wertpapiere kauft oder verkauft bzw. daraufhin schon aufgegebene Aufträge ändert oder storniert […] unabhängig davon, auf welche Weise er von der Insiderinformation erfahren hat."

Studie zu Insiderhandel mithilfe von ETFs

Um einer Bestrafung zu entgehen und dennoch von Insiderinformationen zu profitieren, haben findige Trader mittlerweile jedoch offenbar eine gewiefte Methode entwickelt - den Schattenhandel mithilfe von ETFs. Dies hat eine Analyse von Elza Eglīte und Dans Štaermans von der Stockholm School of Economic in Riga sowie Vinay Patel und Tālis J. Putniņša von der University of Technology Sydney ergeben, die im Januar 2023 veröffentlicht wurde. So untersuchten die Autoren der Studie alle US-Unternehmen und in den USA gelisteten ETFs mit Bezug auf die Ankündigungen von Fusionen und Übernahmen im Zeitraum von 2009 bis 2021, um potenziell verdächtige Trades zu identifizieren. In die Betrachtung wurden dabei nur solche Ankündigungen aufgenommen, zu denen es zuvor keine Marktgerüchte gab, die zu einem verstärkten Aktienhandel hätten führen können. Auch angekündigte Fusionen und Übernahmen wurden außen vor gelassen, sodass nur überraschende Ankündigungen mit einbezogen wurden, damit ein möglicher Insiderhandel auch besser als solcher identifiziert werden konnte.

Das Ergebnis der Studie ist bemerkenswert: So schätzt das Autorenteam, dass in dem betrachteten Zeitraum vor solchen M&A-Ankündigungen irreguläre Trades im Umfang von mindestens 2,75 Milliarden US-Dollar durchgeführt worden seien. Wie die Financial Times das Team widergibt, könne es sich bei diesem Resultat auch lediglich "um die Spitze des Eisbergs" handeln. Daneben könne diese Form des Insidertradings weit verbreiteter sein als die "direkte" illegale Praxis, die dementsprechend auch eher im Licht der Öffentlichkeit steht.

So funktioniert der ETF-Schattenhandel

Wie könnte diese Form des Schattenhandels konkret aussehen und welche Vorteile könnte sie für die Betrüger bringen? Beim "traditionellen" Insiderhandel erwerben Trader mit Insiderwissen direkt Aktien von dem Unternehmen zu dem sie Informationen haben beziehungsweise lassen dies durch Mitverschworene tun, damit diese illegale Aktivität verschleiert wird. Eine andere Art von Insiderwissen zu profitieren besteht darin, nicht Aktien des betroffenen Unternehmens selbst zu erwerben, sondern stattdessen auf Rivalen aus derselben Branche zu setzen, da erwartet wird, dass diese durch eine Fusions- oder Übernahmeankündigung des Konkurrenten ebenfalls Rückenwind erfahren.

Beim Schattenhandel setzen die Personen mit Insiderwissen jedoch nicht auf einzelne Titel, sondern erwerben stattdessen Exchange Traded Funds, in denen das betroffene Unternehmen enthalten ist. Dies birgt gleichzeitig noch den Vorteil, dass je nach Aufbau des ETFs gleich noch mehrere Branchenpeers enthalten sind, sodass es fast sicher ist, dass der Fonds nach der offiziellen Fusions- oder Übernahmeankündigung steigen wird - zum Vorteil des Insidertraders.

"Über den ETF kann man sich direkt am Aktienkurs des Unternehmens beteiligen, aber in einem Instrument, das subtiler ist als der direkte Handel mit den Aktien des Unternehmens, was dazu beiträgt, die Kontrolle durch die Strafverfolgungsbehörden zu verringern", heißt es in der Studie. Zusätzlich können ETFs liquider sein als die darin enthaltenen Aktien, sodass die Insideraktivität noch besser verschleiert werden kann.

Ob es sich bei dem Schattenhandel jedoch tatsächlich um eine illegale Aktivität handelt, ist bisher noch nicht abschließend geklärt. So heißt es seitens Putniņša, dass die Praxis sich aktuell in einer juristischen Grauzone befände und es bisher noch keinen konkreten Präzedenzfall vor Gericht gegeben hätte, um diese Art des Handels zu verbieten.

Diese ETFs sind beim Schattenhandel besonders gefragt

Das Autorenteam hat in der Analyse festgestellt, dass es fünf Tage vor einer M&A-Ankündigung in drei bis sechs Prozent der Fälle zwischen 2009 und 2021 einen statistisch bedeutenden Anstieg im ETF-Handelsvolumen gab. Dies wurde vor allem in den Bereichen Gesundheit, Technologie und Industrie beobachtet.

Die Studie hat auch herausgefunden welche ETFs bevorzugt von Insidern genutzt wurden - nämlich der iShares Expanded Tech-Software Sector ETF, der Vanguard Health Care ETF sowie der Vanguard Industrials ETF. Dabei ist es kein Zufall, dass sich Insidertrader insbesondere auf diese drei Fonds konzentriert haben. Wie 7IM-Portfoliomanager Peter Sleep gegenüber der FT erklärt, handele es sich bei den ETFs um Fonds in denen Unternehmen mit kleiner oder mittlerer Marktkapitalisierung, die eher als Übernahmeziel in Frage gekommen, schwerer gewichtet sind als in anderen, traditionellen Markkapitalisierungs-ETFs. Daher hätten M&A-Aktivitäten einen größeren Einfluss auf die Fonds, was den Insiderhändlern wiederum zu Gute komme.

Abschließend fasst der Anlageexperte zusammen: "Die Studie trägt zu unserem Wissen bei, dass Schattenhandel bei ETFs stattfindet, und dies ist etwas, das die Aufsichtsbehörden berücksichtigen müssen, insbesondere angesichts des stärkeren Optionshandels in den USA."

Redaktion finanzen.net

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