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China – „Hard Landing“?

11.11.11 10:20 Uhr

China – „Hard Landing“? | finanzen.net

Eine starke Korrektur des chinesischen Immobilienmarktes, eine Zunahme der Verschuldung der chinesischen Lokalregierungen...

... sowie ein Steigen des Anteils notleidender Kredite in den chinesischen Bankbilanzen oder ein Zusammenbrechen des Schattenbankensystems. Jeder einzelne dieser Punkte, die im Kontext mit China immer wieder angeführt werden, könnte zu einem Rückgang des Wirtschaftswachstums in China führen. Doch ist die Sorge, ob die chinesische Wirtschaft vor einem sogenannten „hard landing“ der Konjunktur stehen könnte, begründet?

Die hohe Unsicherheit bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung in China spiegelt sich nicht nur in der niedrigen Bewertung chinesischer Aktien und in einer hohen Volatilität der lokalen Aktienmärkten wider, sondern zeigt sich auch in diversen Risikoindikatoren, unter anderem in gestiegenen Risikoprämien, den sogenannten Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS). Diese geben die Absicherungskosten für die ihnen unterliegenden Wertpapiere wieder und sind in den vergangenen Monaten deutlich teurer geworden.

Beispiel:
Die Kreditausfallversicherungen für den Ausfall von chinesischen Anleihen haben sich seit dem Sommer 2011 auf zeitweise 200 Basispunkte verdreifacht – ein Zweijahreshoch. Aktuell liegen die Risikoprämien bei 140 Basispunkten, das heißt, um sich gegen einen möglichen Ausfall chinesischer Anleihen im Wert von 10 Millionen Euro abzusichern, müsste man aktuell 140.000 Euro aufwenden (Stand: Oktober 2011). Ende Dezember 2010 lag der Absicherungsaufwand bei gerade mal 67 Basispunkten. Damit wird die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls chinesischer Anleihen höher eingeschätzt als zum Beispiel die von Anleihen aus Chile. Dabei hat China 2010 eine Verschuldungsquote (in % des BIP) von 34 %. Zum Vergleich: Die Kreditausfallversicherungen für die USA und Japan liegen bei knapp 40 Basispunkten bzw. ca. 120 Basispunkten bei einer Verschuldung im Jahr 2010 von 94 % bzw. 220 % des BIP.

Kreditwürdigkeit Chinas

Steigende Risikoprämien für Kreditausfallrisiken.

Wertentwicklungen der Vergangenheit erlauben keine Prognose für die Zukunft.
Quelle: Datastream, AllianzGI Kapitalmarktanalyse

Doch ist die Verunsicherung der Investoren begründet?

Das Bruttoinlandsprodukt Chinas stieg im dritten Quartal um 9,1 % gegenüber dem Vorjahr, nach einem Plus von 9,6 % in der ersten Jahreshälfte, und der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe stieg zuletzt wieder etwas an. Die Wirtschaft im Reich der Mitte wächst daher weiter ungebremst. Das durchschnittliche reale Wirtschaftswachstum der letzten fünf Jahre liegt bei 11 %, wenngleich es getrieben wird von der politischen Intention, die Inflation einzudämmen. Im Gesamtjahr 2011 dürfte nach unseren Schätzungen das reale Bruttoinlandsprodukt um 9,2 % zulegen. Der internationale Währungsfonds (IWF) geht für die Jahre 2012 bis 2016 von einem realen Wirtschaftswachstum von im Durchschnitt 9,4 % aus.

Chinas Verschuldungsquote gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegt bei 34 % – bei einer voraussichtlich fallenden Tendenz bis 2016. Rechnet man die Verschuldung der Lokalregierungen in Höhe von 10,7 Billionen Renminbi (ca. 1,2 Billionen Euro bzw. 27 % des BIP) hinzu, würde sich die Verschuldungsquote auf etwas über 60 % des BIP belaufen.

Die Verschuldung könnte unter Berücksichtigung auf die Lage des chinesischen Bankensektors höher ausfallen. Nach der sehr kräftigen Kreditausweitung in den Jahren 2009 und 2010 besteht hier, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Konjunkturabschwächung, die Gefahr eines deutlichen Anstiegs der notleidenden Kredite. Zwar betrug laut Standard & Poor’s (S&P) der Anteil notleidender Kredite am gesamten Kreditportfolio der chinesischen Banken Ende 2010 (aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor) lediglich 1,1 % oder ca. 430 Milliarden Renminbi (ca. 67 Milliarden USDollar), dieser könnte jedoch in den kommenden drei Jahren auf 5 bis 10 % steigen. Langfristig dürften die umfangreichen Verluste zu verkraften sein, vorausgesetzt jedoch, dass China die Probleme aktiv angeht und entschlossen handelt.

China: Der globale Stabilitätsanker?

Entwicklung der Staatsschulden in China und Industriestaaten (% vom BIP)

Quelle: IMF „World Economic Outlook“, Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

Hilfreich könnten auch Chinas Devisenreserven sein, die sich per Oktober 2011 auf 3,2 Billionen US-Dollar summieren, sowie die Vermögenswerte staatseigener Unternehmen, die sich auf 48 Billionen Renminbi (ca. 7,5 Billionen US-Dollar oder 150 % des BIP im Jahr 2008) belaufen, falls es neben höheren Ausfallquoten bei den Lokalregierungen bzw. notleidender Bankkredite zu einer globalen Rezession kommen sollte.

Die Chinesen verfügen weltweit über eine der höchsten Sparquoten. So legen die Chinesen rund ein Drittel des verfügbaren Einkommens auf die Seite (zum Vergleich: In Deutschland liegt die Sparquote bei ca. 11,5 %, in den USA bei ca. 6 % und in Japan bei etwa 3 %). Die hohe Sparquote der Chinesen scheint allerdings auch ein Indiz zu sein, dass Chinas Wirtschaft sich weiter von einer stark exportorientierten hin zu einer mehr konsumorientierten Wirtschaft entwickeln kann.

Die Preisstabilität bzw. der Kampf gegen eine ausufernde Inflation erfährt nach wie vor höchste politische Aufmerksamkeit in China. Im Zuge der globalen Wachstumsabschwächung und nachlassender Rohstoffpreisnotierungen schwächte sich die chinesische Inflation zuletzt leicht ab. Bei der Eindämmung der Verbraucherpreise half auch die Aufwertung der chinesischen Währung, die im Oktober den stärksten Zugewinn seit der Aufhebung des Festkurses zum US-Dollar 2005 verzeichnete. So dürfte eine sinkende Inflation nicht nur positiv für die Konjunktur der Volksrepublik sein, sondern könnte auch das Ende des Zinserhöhungszyklus markieren.

Ebenso ist es möglich, dass Chinas Geldpolitik, ähnlich 2008 / 2009, wieder expansiver werden könnte (u. a. expansivere Fiskalpolitik, höheres Kreditwachstum zur Stützung z. B. der Bauwirtschaft, Reduzierung der Mindestreservesätze auf Guthaben, die chinesische Banken bei der Notenbank zu hinterlegen haben, oder Herabsetzen des Leitzinses) – mit positiven Auswirkungen auch auf den chinesischen Aktienmarkt.

China hat sich in den letzten Jahren zur Stütze bzw. zum Gravitationszentrum der globalen Konjunktur entwickelt. Chinas Anteil am weltweiten Wirtschaftswachstum liegt aktuell bei ca. 25 %, wenngleich die Marktkapitalisierung des chinesischen Kapitalmarktes de mal 3 % beträgt. Zum Vergleich: Auf die USA entfallen ca. 15 % des globalen Wirtschaftswachstums und die Marktkapitalisierung des amerikanischen Kapitalmarkts liegt dagegen bei fast 45 %.

Chinas Wachstumskraft

Anteil der Länder am globalen Wirtschaftswachstum sowie Anteil am MSCI Welt („All countries“, in US-Dollar)

Quelle: Datastream, Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

Auch wenn sich das chinesische Wirtschaftswachstum leicht abschwächen sollte, scheinen die aktuellen Kreditausfallversicherungen für chinesische Anleihen ein Szenario für China einzupreisen, das aktuell zu pessimistisch erscheint. Allerdings sollte die Entwicklung der eingangs erwähnten Punkte weiter beobachtet werden.

Autor: Stefan Scheurer

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