May verteidigt Brexit-Pläne trotz Rücktrittforderungen
Die britische Premierministerin Theresa May hat ihre jüngsten Pläne für den EU-Austritt im britischen Parlament verteidigt.
"Wir müssen den Brexit durchziehen", sagte May am Mittwoch in London. Unterdessen wurden die Rücktrittforderungen immer lauter, auch in den eigenen Reihen.
May will ihren bereits drei Mal vom Parlament abgelehnten Brexit-Deal den Abgeordneten Anfang Juni im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens ein viertes Mal vorlegen. Dafür kündigte sie Zugeständnisse an die Opposition und die Brexit-Hardliner an. Unter anderem stellte sie eine Abstimmung darüber in Aussicht, ob es eine Volksabstimmung über ihr Austrittsabkommen geben soll. Den Gesetzentwurf will sie bereits an diesem Freitag veröffentlichen. Doch die Reaktionen auf ihre Vorschläge fielen vernichtend aus.
Oppositionschef Jeremy Corbyn bezeichnete Mays Vorschläge als "wenig mehr als eine neu verpackte Version" des bereits mehrfach abgelehnten Abkommens. Zudem könne May nicht dafür garantieren, dass sich ihr Nachfolger an ihre Versprechungen halten werde. May habe nur noch Tage im Amt, prophezeite Corbyn. "Es ist klar, dass kein Zugeständnis die Wahl des anstehenden Tory-Partiechefs überstehen würde." Er forderte eine Neuwahl.
Auch in Mays eigenen Reihen werden die Rücktrittforderungen immer lauter. "Wir können es nicht weiter ertragen", sagte Nigel Evans vom einflussreichen 1922-Ausschuss der Konservativen Partei der Zeitung "Sun". Er verlangte ein sofortiges Misstrauensvotum gegen May, "wenn sie nicht zurücktritt - jetzt". Ex-Außenminister Boris Johnson, der May den Vorsitz der Konservativen Partei und damit das Amt als Regierungschefin streitig machen will, kündigte - wie zahlreiche andere Abgeordnete - ein "Nein" bei der Abstimmung an.
Noch am Mittwochabend hatte Berichten zufolge der 1922-Ausschuss über das Schicksal der Premierministerin beraten. Das Gremium der britischen Konservativen ist für die Organisation der Wahl und auch der Abwahl des Parteichefs zuständig. Spekuliert wurde, das Gremium könne die Regeln ändern, um ein baldiges Misstrauensvotum gegen May als Parteichefin und damit als Premierministerin zu ermöglichen. Bislang kann ein Misstrauensvotum nur einmal in zwölf Monaten stattfinden. Ein erster Versuch war im vergangenen Dezember gescheitert. Zu der Regeländerung kam es laut Berichten von Teilnehmern am Mittwoch noch nicht. May werde aber am Freitag mit dem Vorsitzenden des 1922-Ausschusses, Graham Brady, zusammentreffen.
Im Falle eines Rücktritts oder einer Abwahl Mays müssten die Konservativen einen neuen Parteichef wählen, der dann auch das Amt des Regierungschefs einnehmen würde. May hat bereits zugestimmt, einen Zeitplan dafür nach der Abstimmung über ihren Brexit-Gesetzentwurf vorzulegen. Beschleunigt werden könnte ihr Sturz, sollten die Konservativen stärker als erwartet bei der Europawahl abgestraft werden, die bereits an diesem Donnerstag in Großbritannien stattfindet. Die Ergebnisse werden erst am Sonntag veröffentlicht. Die Umfragen deuten auf einen Erdrutschsieg für die Brexit-Partei von Nigel Farage hin. Nichts ändern würde ein Führungswechsel aber an den knappen Mehrheitsverhältnissen im Parlament.
Eine Neuwahl gilt daher für den Fall, dass May stürzt, als wahrscheinlich. Fraglich ist, ob sich eine der großen Parteien dabei eine absolute Mehrheit sichern könnte. Sollte es weder für eine Tory- noch für eine Labour-Regierung reichen, gäbe es möglicherweise weiterhin keinen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse.
Für Nachverhandlungen mit der EU würde dann der politische Spielraum fehlen. Aus Brüsseler Sicht ist ohnehin nur eine Nachjustierung an der Politischen Erklärung über die künftigen Beziehungen möglich, nicht aber an dem rechtlich verbindlichen Abkommen über den Austritt. Am ehesten scheint die Labour-Partei mit ihrem Plan für eine engere Anbindung an die EU ein erfolgversprechendes Konzept für neue Gespräche mit Brüssel zu haben.
Ein Brexit ohne Abkommen mit möglicherweise drastischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche ist das Ziel einiger konservativer Brexit-Hardliner wie Ex-Außenminister Boris Johnson. Sollte bis zum Ende der Austrittsfrist am 31. Oktober nichts anderes vereinbart werden, würde es zu einem sogenannten No-Deal-Brexit kommen.
Ein Ausweg könnte ein zweites Referendum über den Brexit sein. Umstritten ist aber, welche Optionen dabei den Wählern vorgelegt werden. Premierministerin May will das Parlament darüber abstimmen lassen, ob es ein Referendum über ihr Abkommen geben soll. Was im Falle einer Ablehnung geschehen soll, ließ sie offen. Denkbar wären ein "No Deal" oder ein Verbleib in der EU.
Theoretisch könnte Großbritannien den Brexit einfach absagen. Eine einseitige Rücknahme der Austrittserklärung ist einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zufolge noch bis zum tatsächlichen Austritt ohne Weiteres möglich.
Die Briten hatten im Juni 2016 bei einer Volksabstimmung mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt.
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LONDON (dpa-AFX)
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