Handelskonflikt - Wer hat den längeren Atem?
In den letzten Wochen gab es im Handelskonflikt eine Reihe von Ankündigungen, Gegen-maßnahmen, Provokationen und Rückziehern. Anfang August beschloss Trump die restli-chen chinesischen Güter in Höhe von 200 Milliarden US-Dollar mit einem Zoll von zehn Prozent zu belegen.
Die nächsten Schritte im Handelskrieg zu prognostizieren ist zunehmend schwieriger geworden. Trump hat den Druck auf seinen Verhandlungspartner immer wieder er-höht. Es ist durchaus auch denkbar, dass die Zollsätze durch die USA noch angehoben werden bzw. neue Maßnahmen hinzukommen.
Allerdings gehen wir davon aus, dass er spätestens zum Wahlkampf einen Deal mit China präsentieren möchte, um die Chancen seiner Wiederwahl zu erhöhen. Gerade Wechselwähler könnten sich von Trump abwenden, wenn sie merken, dass Konsumar-tikel durch die Zölle deutlich teurer werden. Insbesondere trifft die letzte Zollerhö-hungsrunde die für die amerikanische Gesellschaft wichtige Unterhaltungselektronik.
Die teilweise Verschiebung dieser Zölle durch die US-Regierung zeigt aber die Besorgnis vor einem schwachen Weihnachtsgeschäft für die US-Unternehmen im 4. Quartal. Auf der anderen Seite hat Trump gleichzeitig eine sehr loyale Anhängerschaft, für die stei-gende Preise zwar bedauerlich sind, aber als Opfer im "Kampf" um die Vorherrschaft mit den Chinesen in der Weltwirtschaft gesehen werden.
Schaut man auf die Handelsbilanz, könnte man meinen, dass die USA den längeren Atem hat, da der wirtschaftliche Schaden in China durch den Handelskonflikt viel grö-ßer ist. Wir sehen heute schon, dass sich ein Teil der Produktion von China in andere Länder verlagert, wie zum Beispiel Vietnam. Diese Handelsumlenkungen können das chinesische Wirtschaftsmodell dauerhaft beschädigen. Sollten jedoch die Zölle weiter angehoben werden, steigt auch die Gefahr für die US-Konjunktur und einer Rezession. Analysten schätzen, dass sich bei einer Zollerhöhung von 25 Prozent auf alle chinesi-schen Waren die Gewinne für US-Unternehmen um weitere zwei bis vier Prozent ver-ringern können. Das würde die Chancen auf seine Wiederwahl deutlich reduzieren.
Allerdings muss China keine Wahlzyklen beachten und könnte die Zeit einfach "aussit-zen", um auf eine Wahlniederlage von Trump zu spekulieren. Aber die chinesische Führung weiß auch, dass ihre Stabilität erheblich von der Wirtschaft abhängt und kon-junkturelle Risiken den Machtanspruch bedrohen können. Dieses fragile Gleichgewicht in China und die US-Wahlen sprechen unserer Meinung nach für eine Einigung im Handelsstreit. Ein Deal wird wahrscheinlich in der Substanz nicht "großartig" sein, aber beide Parteien würden dies als Erfolg präsentieren.
von Jörg Franzen, Geschäftsführer der Franzen Gerber & Westphalen Asset Management GmbH in Kronberg i. Ts
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