Value-Fonds

Auf der Suche nach europäischen Substanzwerten

24.03.11 12:00 Uhr

Die Euro-Schuldenkrise zog viele Börsen nach unten. Wie Manager von Europa-Aktienfonds, die auf unterbewertete Unternehmen setzen, jetzt wahre Werte finden.

Werte in diesem Artikel
Fonds

105,49 EUR 0,08 EUR 0,00%

53,38 EUR -0,25 EUR -0,00%

ETFs

27,80 EUR -0,12 EUR -0,00%

Indizes

2.028,8 PKT 5,3 PKT 0,26%

19.848,8 PKT -36,0 PKT -0,18%

11.473,9 PKT 38,2 PKT 0,33%

20.571,0 PKT -260,0 PKT -1,25%

von Christoph Platt, €uro am Sonntag

Beim Blick auf die Börsen der europäischen Krisenstaaten dürften sich viele Anleger verwundert die Augen reiben. Trotz der Japan-Krise und des Nahostkonflikts notiert der griechische Leitindex AEX über 14 Prozent im Plus, der spanische IBEX und der italienische MIB haben in diesem Jahr um rund fünf Prozent zugelegt. Zum Vergleich: Der DAX hat 2011 bisher über drei Prozent Minus eingefahren.

Die steigenden Aktienkurse sind erfreulich, doch sie attestieren den Staaten Südeuropas nicht zwangsläufig eine rosige Zukunft. Denn die Volkswirtschaften präsentieren sich weiter in schlechter Verfassung. Vielmehr stellt sich die jüngste Hausse als Gegenreaktion auf die Kurseinbrüche des vergangenen Jahres dar. Die Märkte in den Peripheriestaaten hatten 2010 um bis zu 36 Prozent nachgegeben.

Die breite Masse der Anleger hätte Aktien aus Griechenland, Spanien und Co damals nicht einmal mit der Kneifzange angefasst. Doch in diesem Jahr erkennen die Anleger nach und nach, dass in diesen Ländern nicht alles schlecht ist. „2010 wurden einige sehr gesunde Firmen stark abgestraft“, sagt Jörg de Vries-Hippen, Manager des Aktienfonds Allianz RCM Deep Value Europe. Diesen Unternehmen wenden sich die Börsianer nun wieder verstärkt zu.

Eine Anlegergruppe ist auf die stark gebeutelten Werte des vergangenen Jahres aber schon deutlich früher aufmerksam geworden: die Value-Investoren, deren Fonds in diesem Jahr daher besonders erfolgreich sind. Sie suchen nach Titeln, die an der Börse niedriger bewertet sind, als es nach dem wahren Wert des Unternehmens der Fall sein dürfte. Auf Deutsch werden solche Aktien als Substanzwerte bezeichnet.

Im Gegensatz dazu investieren Anhänger der Growth-Strategie in Wachstumsmärkte und versuchen, dort die Unternehmen mit der größten Wachstumsdynamik auszuwählen. Kaufanreize sind für sie also Hoffnungen auf ein starkes Gewinn- und Umsatzwachstum.


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Die Berechnung des wahren Unternehmenswerts im Rahmen des Value-Ansatzes ist alles andere als einfach. Die Anhänger dieser Strategie versuchen, diesen Wert zu ermitteln, indem sie die Fundamentaldaten eines Konzerns wie Gewinn, Buchwert oder Cashflow unter die Lupe nehmen. Ergibt sich aus den Analysen, dass der errechnete Wert eines Unternehmens über dem Börsenwert liegt, weckt diese Aktie das Interesse eines Value-Anlegers.

Mit einer lediglich leichten Unterbewertung geben sich die Value-Investoren im Regelfall aber nicht zufrieden. Der Abstand zwischen dem Börsenwert eines Unternehmens und dem fairen Wert muss deutlich sein. Die Anleger sprechen von der Sicherheitsmarge (margin of safety), die zum einen das Aufwärtspotenzial eines Substanzwerts widerspiegelt, zum anderen einen gewissen Puffer in schlechten Zeiten darstellt. Sie beträgt je nach Ausrichtung des Investors bis zu 50 Prozent, in seltenen Fällen sogar mehr.

Um die besten Value-Titel zu finden, beobachtet der Fondslenker daher nur Unternehmen, die zu dem preiswertesten Fünftel aller europäischen Unternehmen gehören. Der bloße Blick auf die niedrige Bewertung reicht aber nicht aus, um langfristig mit dieser Strategie erfolgreich zu sein. „Wer einfach nur billig einkauft, der läuft Gefahr, schlechte Unternehmen zu kaufen, nur weil sie günstig zu haben sind“, betont de Vries-Hippen. Der erfahrene Fondsmanager warnt mit diesen Worten vor der sogenannten Value-Trap – ­eine Falle, vor der sich substanzorientierte Anleger in Acht nehmen müssen.

Denn die Kunst ist es, nicht ein beliebiges, sondern ein aussichtsreiches Unternehmen preiswert einzukaufen. „Es gibt Unternehmen, die sind extrem billig, doch sie sind zu Recht so billig“, sagt er. „Die Kernfrage ist: Ist genügend Klasse und Masse in einem Unternehmen, um die aktuelle Phase der niedrigen Bewertung zu verlassen?“

Ein solches Potenzial lässt sich beispielsweise bei Unternehmen erkennen, bei denen eine dauerhaft hohe Nachfrage nach ihren Produkten oder Dienstleistungen zu erwarten ist. Auch langfristige Wettbewerbsvorteile, eine solide Bilanz oder ein fähiges aktionärsfreundliches Management sprechen für einen Titel. All diese Punkte können dafür sorgen, dass die Aktie ihre niedrige Bewertung hinter sich lässt und allmählich zu ihrem fairen Wert aufschließt.

Investmentfonds, die auf europäische Substanztitel setzen, zählen 2011 trotz ihrer Verluste in den vergangenen zwei Wochen mit Gewinnen von über fünf Prozent zu den besten Fondsvehikeln. Ihre Erfolge beruhen aber nicht nur auf der Aufholbewegung der Aktienmärkte in den Peripheriestaaten.

Europäische Aktien präsentieren sich insgesamt im globalen Vergleich in guter Verfassung. Denn das Interesse vieler Investoren hat sich gewandelt. „Die Anleger haben sich 2010 auf das Wachstum in den Schwellenländern konzentriert, jetzt wechseln sie zu guten Substanzwerten aus Europa“, sagt Damien Lanternier, Manager des Europa-Aktienfonds Agressor von der französischen Vermögensverwaltung Financière de l’Echiquier. Die Profitabilität vieler Konzerne sei hoch und die Gewinne entwickelten sich sehr gut. Damit nennt der Experte zwei Gründe, die für europäische Aktien sprechen. „Die Chancen überwiegen die Risiken klar“, sagt er.

Auch die niedrige Bewertung vieler europäischer Unternehmen sei ein Grund für die jüngsten Zuwächse. Lanternier hat, obgleich nicht auf den Value-Ansatz festgelegt, auf diese Entwicklung reagiert und sein Portfolio entsprechend angepasst. „Seit sechs Monaten haben wir unseren Schwerpunkt hin zu Substanztiteln verlagert“, sagt er. 60 Prozent seines Portfolios bestehen inzwischen aus Value-Aktien. Für sie sieht der Manager ein deutlich höheres Kurs­potenzial als bei Growth-Titeln.

Zum Erfolg der Value-Fonds trägt insbesondere bei, dass sie Branchen hoch gewichtet haben, die 2010 schlecht gelaufen waren. Hier fällt vor allem der Finanzsektor ins Auge. Aus Angst vor neuen Problemen der Finanzwelt – allen voran vor der Pleite europäischer Staaten, deren Anleihen die Banken und Versicherungen besitzen – waren die Kurse hinter denen anderer Branchen zurückgeblieben. Nach einem katastrophalen Jahr 2010, gewannen Finanztitel in diesem Jahr jedoch deutlich mehr hinzu als der breite Markt – und mit ihnen die Fonds, die auf ­diese Sektoren gesetzt haben.

Dass sich Value-Fonds in der ­Finanzbranche engagiert haben, ist logische Folge ihrer fortwährenden Suche nach Schnäppchen. Finanzwerte waren Ende 2010 extrem niedrig bewertet. Trotz ihres Kursanstiegs von im Schnitt sechs Prozent seit Januar zählen Banken gemessen an dem Kurs-Gewinn-Verhältnis weiter zu den preiswertesten Sektoren in Europa. Dabei haben sich ihre Aussichten verbessert: Das konjunkturelle Umfeld hat sich aufgehellt und einzelne Institute haben passable Ausblicke gegeben. Zudem ist das Kreditausfallrisiko gesunken und die regulatorischen Anforderungen an die Finanzkonzerne werden immer deutlicher. Nicht nur Value-Investoren rechnen daher für 2011 mit weiteren Gewinnen bei Bankaktien.

Vorsichtige Anleger sollten allerdings die Turbulenzen in Folge der Japan-Ereignisse abwarten, ehe sie einsteigen. Längerfristig sind Substanzwerte-Portfolios aber ein wichtiger Bestandteil des Vermögensaufbaus. Value-Investoren haben aussichtsreiche Unternehmen preiswert eingekauft – und das sorgt dank Sicherheitsmarge und dem Fokus auf Solidität für Stabilität in aktienlastigen Depots.

Investor-Info

Allianz RCM Deep Value Europe
Europas günstigstes Fünftel
Für seinen Fonds sucht Manager Jörg de Vries-Hippen Aktien, die zu den preiswertesten 20 Prozent in Europa gehören. Ein wichtiges Kriterium bei der Titelauswahl ist die Fähigkeit eines Unternehmens, freien Cashflow zu generieren, also liquide Mittel zu schaffen. De Vries-Hippen engagiert sich zudem in Firmen, bei denen zu erwarten ist, dass sie nach Umstrukturierungen wieder auf die Erfolgsspur zurückkehren werden.

4Q-European Value
Mathematische Schnäppchenjagd
Fondsmanager Peter Dreide investiert in Substanzaktien aus ganz Europa und nutzt dabei ein mathematisches Modell, das die künftige Entwicklung des Unternehmenswerts simuliert. So spürt er Titel auf, die deutlich unterbewertet sind. Die Unternehmen müssen unter anderem einen robusten Cashflow und solide Bilanzkennzahlen aufweisen. In schwachen Marktphasen kann Dreide die Liquidität erhöhen und so das Risiko reduzieren.

Fidecum Contrarian Value Euro
Unbeliebt, aber chancenreich
Auf Titel aus der Eurozone beschränkt sich der Fidecum-Contrarian-Fonds. Manager Hans-Peter Schupp investiert in Aktien, die der Markt gerade nicht mag, deren Kurs­chancen aber binnen drei bis fünf Jahren zum Tragen kommen sollten. Aussichtsreiche Werte identifiziert er unter anderem durch den Vergleich von Marktkapitalisierung und Buchwert. Der Fonds hält derzeit vor allem Standardwerte und kleine Titel.

ETFlab Stoxx Strong Value 20
Index reinster Value-Werte
Der börsennotierte Fonds von ETFlab bildet den gleichnamigen Index ab, welcher der Wertentwicklung der 20 reinsten Value-Unternehmen in Europa folgt. Deren Value-Eigenschaft wird durch die Analyse von sechs fundamentalen Kennzahlen ermittelt. Dazu zählen historisches und erwartetes Kurs-Gewinn-Verhältnis, das Kurs-Buchwert-Verhältnis und die Dividendenrendite.

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