Unsicherheit bis 2021: Wann wirklich endgültig feststeht, wer neuer US-Präsident wird
Die US-Präsidentschaftswahlen haben die Welt in den vergangenen Wochen in Atem gehalten. Auch wenn aus der vorläufigen Auszählung der Wählerstimmen Joe Biden als Sieger um das Präsidentenamt hervorgeht: Sicherheit gibt es für ihn, seine Partei und das US-amerikanische Volk noch lange nicht.
• Noch immer nicht alle Stimmen in US-Bundesstaaten endgültig ausgezählt
• Wahlmänner entscheiden über den nächsten Präsidenten
• Endgültige Entscheidung erst 2021?
Noch einige Tage nach dem offiziellen Wahltermin war unklar, wer das Rennen um das Weiße Haus gewonnen hat. Nachdem Amtsinhaber Donald Trump nach ersten Hochrechnungen und Auszählung vieler Präsenzwahlstimmen im vielen Staaten zunächst vorne lang, drehte die Stimmung im Verlauf der nächsten Tage: Insbesondere die starke Briefwahlnutzung durch Demokraten-Wähler brachte Joe Biden auf die Überholspur.
US-Medien haben den Herausforderer inzwischen zum President-elect ausgerufen, zum gewählten Präsidenten also, der sein Amt aber noch nicht angetreten hat. Noch-Amtsinhaber Donald Trump stellt die bisherigen Wahlergebnisse in Frage. Doch allzu lange Zeit wird der 45. Präsident der Vereinigten Staaten nicht mehr haben, gegen das Ergebnis vorzugehen.
US-Bundesstaaten mit unterschiedlichen Verfahren
Denn wann die Wählerstimmen in einem Staat endgültig ausgezählt werden müssen, ist landesübergreifend nicht vereinheitlicht. In Arizona etwa, einem Bundesstaat, in dem Herausforderer Joe Biden die Mehrheit der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte, haben Wahlbeamte bis zum 23. November Zeit, die Wahlergebnisse aus dem Bundesstaat zu finalisieren. In Pennsylvania mussten inoffizielle Ergebnisse am 10. November geliefert werden, so dass bei Bedarf bis zum 12. November eine Neuauszählung der Stimmen hätte angeordnet werden können. Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn das Rennen hier besonders eng ausgefallen wäre oder aber mindestens drei Wähler auf Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der Auszählung aufmerksam gemacht hätten. Auch hier müssen die beglaubigten Ergebnisse am 23. November endgültig vorliegen, für eine - nicht erfolgte - Nachzählung wäre Zeit bis zum 25. November gewesen.
Spannend wurde es zwischenzeitlich in Georgia, denn dort kam es aufgrund der geringen Differenz zwischen Trump und seinem Herausforderer Biden tatsächlich zu einer Neuauszählung der Stimmen. Doch auch nach Neuauszählung bestätigte sich der Sieg von Joe Biden: Innenminister Brad Raffensperger sagte dem örtlichen Sender WSB-TV, der Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Zählung würde "keinen Fingerhut" füllen. Es gebe "keinen Zweifel", dass der Bundesstaat den Sieg Bidens über den republikanischen Amtsinhaber Donald Trump formell bestätigen werde.
Grundsätzlich müssen fast alle Bundesstaaten am 8. Dezember endgültige Wahlergebnisse liefern, an diesem Tag endet die Frist. Auch alle ausstehenden gerichtlichen Auseinandersetzungen wie etwa Anfechtungen des Wahlergebnisses müssen bis zu diesem Tag beigelegt werden. Die bis zu diesem Tag vorgelegten Ergebnisse muss der Kongress als "gültig" akzeptieren.
Wahlmänner machen die Wahl fix
Der nächste wichtige Termin auf dem Weg zu einem neuen - oder wiedergewählten - Präsidenten ist die Stimmrechtsabgabe der Wahlmänner. Diese erfolgt laut Plan am 14. Dezember. Dazu kommen die Wahlmänner an diesem Tag in ihren jeweiligen Staaten zusammen, um ihre Stimmen für Donald Trump oder Joe Biden abzugeben.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Kandidat, der die Wahl in einem Bundesstaat gewonnen hat, auch alle Wahlmännerstimmen bekommt, Ausnahmen sind aber in Maine und Nebraska möglich, wo das "winner takes it all"-Prinzip nicht gilt. Theoretisch könnten die Stimmen der Wahlmänner in diesen Staaten aufgeteilt werden, da in jedem Kongressbezirk ein Wahlmann bestimmt wird und zwei weitere staatsweit gewählt werden.
Relevant wird diese Besonderheit nur dann, wenn beide Präsidentschaftskandidaten bei den Wahlmännerstimmen nahezu gleichauf sind, bisher hat das Wahlmännerprinzip in Maine und Nebraska aber keine entscheidenden Auswirkungen auf die US-Wahlhistorie gehabt.
Der Kandidat, der die meisten Wahlmännerstimmen auf sich vereinigt - mindestens aber 270 - wird neuer Präsident der Vereinigten Staaten oder verbleibt in seinem Amt. Die Stimmen des Electoral College müssen innerhalb der folgenden neun Tage beim Vorsitzenden des US-Senats ankommen.
Endgültige Entscheidung erst im neuen Jahr
Am 6. Januar kommen das Repräsentantenhaus und der Senat zusammen, um die Stimmen der Wahlmänner auszuzählen, der Kongress verkündet das offizielle Wahlergebnis. Dies ist auch der letzte Termin, an dem Einwände gegen das Wahlergebnis vorgebracht werden können, dabei ist die Unterschrift von mindestens einem Mitglied aus jedem Haus vonnöten. Beide Kammern untersuchen den Einwand dann individuell.
Am 20. Januar werden der gewählte Präsident und sein Vize in ihr Amt eingeführt und erhalten ihre offiziellen Titel. Die mögliche Amtsübergabe müsste bis zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen sein, so dass der Präsident ab diesem Datum sein Amt vollständig ausüben kann.
Angesichts der aktuellen Zahlen aus den US-Bundesstaaten ist es also sehr wahrscheinlich, dass Joe Biden der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird, endgültig fix ist seine Wahl aber noch nicht. Wenn Noch-Präsident Donald Trump alle rechtlichen Mittel ausschöpft, um das Wahlergebnis anzufechten, könnte eine endgültige Entscheidung über den Ausgang der US-Wahl tatsächlich erst im Januar 2021 fallen.
Redaktion finanzen.net
Weitere News
Bildquellen: TexBr / Shutterstock.com, spirit of america / Shutterstock.com