Ungesunder Optimismus?

Marktteilnehmer unterschätzen wohl die Wahrscheinlichkeit einer Rezession im Jahr 2020

09.12.19 18:46 Uhr

Marktteilnehmer unterschätzen wohl die Wahrscheinlichkeit einer Rezession im Jahr 2020 | finanzen.net

Das Jahr 2019 erwies sich als durchaus turbulent - während vor einigen Wochen die Marktstimmung noch auf einem Tiefpunkt war, ist davon inzwischen nichts mehr zu spüren. Gehen Anleger zu naiv mit reellen Daten um?

• Stimmung hat sich erholt
• Möglichkeit einer Rezession 2020?
• Anleger wohl unvorbereitet

Auf und Ab an den Aktienmärkten

Als die inverse Zinskurve in der zweiten Jahreshälfte auftrat, waren viele alarmiert. Nicht nur in den USA, sondern auch in Großbritannien fiel im August die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen unter die Rendite von Anleihen mit zweijähriger Laufzeit - ein markantes Warnsignal. Die nächste Rezession wurde bereits ausgerufen, Anleger zogen sich zurück, weshalb die Stimmung auf einem Tiefpunkt landete. Doch schnell erholte sich die Stimmung an den Märkten und verwandelte sich in eine förmliche Euphorie, die die großen Indizes wie den Dow Jones Industrial und den S&P 500 auf neue Rekorde scheuchte, auch der DAX konnte in diesem Umfeld deutlich klettern und näherte sich kurzzeitig seinem Allzeithoch an. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die lockere Geldpolitik der US-Notenbank, aber auch die jüngsten Quartalsergebnisse, welche sich oft besser als gedacht zeigten, trugen dazu bei. Zusätzlich wiesen einige globale Wirtschaftsdaten darauf hin, dass die Verlangsamung des Wachstums ein Ende hat - so sorgten beispielsweise Daten aus China kürzlich für Kursgewinne.

Sorgt Naivität für ungesunden Optimismus?

Doch wie MarketWatch berichtet, befürchten Analysten, dass Rezessionsanzeichen aufgrund der zwischenzeitlich positiv anmutenden Signale ignoriert werden könnten. In der Notiz erklärt eine Analystin außerdem, dass die Anleger die Börsen nicht aufgrund fundamentaler Daten in die Höhe schickten. "Die Diskrepanz zwischen den Wirtschaftsdaten und dem, was im S&P 500 berücksichtigt wird, nimmt weiter zu", so Lisa Sharlett, die leitende Investmentbeamte bei Morgan Stanley, in einer Kundenmitteilung. Sie erläutert, dass die Daten seit September eigentlich keine ermutigenden Zeichen gesendet hätten und verweist dabei auf die US-Industrieproduktion, die im Oktober zurückgegangen ist. "Die Bullen verwerfen die Rezession der Industrie als alte Nachricht, die keine Rolle spielt," bemängelt Shalett.

Anzeichen für Rezession - besser nicht missachten

Zuviel Optimismus an den Tag zu legen, ist demzufolge nicht die Lösung. Denn die Zeichen seien vorhanden, weshalb Morgan Stanley damit rechnet, dass es zu einer bösen Überraschung für die Bullen kommen könnte. "Wir glauben, sie ignorieren nicht nur die sich verschlechternden Daten, sondern auch, dass sie nach unten hin überraschen - eine Kombination, die der Markt in der Vergangenheit nicht mochte." Diese Annahme wird dadurch untermauert, dass der U.S. Economic Surprise Index in der zweiten Novemberhälfte in die rote Zone gerutscht ist: Ein Hinweis darauf, dass die Entwicklung der Wirtschaftsdaten nicht wie erwartet ausfiel.

"Seit letzter Woche hat die Zinsstrukturkurve ihren mehrmonatigen Aufwärtstrend gebrochen und begonnen, inmitten der Entwicklungen des Handelskrieges relativ schnell zu komprimieren", bemerkte Tom Essaye in einer Kundenmitteilung - zwar meinte er, dass die gebrochene Trendlinie kein grundsätzliches Bärensignal sei, aber dennoch ein "beträchtliches Warnzeichen". Und auch Jeffrey Schulze sieht die Möglichkeit einer Rezession in 2020. Laut MarketWatch führt er seine Annahme auf zwei Signale zurück: Erstens die Umkehrung der Zinskurve, die allgemeingültig als Vorbote für Abschwünge steht, zweitens die deutliche Verlangsamung des Industriewachstums.

Anleger sollten also wachsam bleiben, Wirtschaftsdaten verfolgen und nicht von unüberlegter Sorglosigkeit erfüllt ins neue Börsenjahr starten. Wie die Analysten warnen, sollten die Warnzeichen, dass eine Rezession nicht unwahrscheinlich ist, nicht ignoriert werden. Vor allem vor dem Hintergrund des schwelendes Handelsstreites und des ungewissen Brexit-Ausganges.

Redaktion finanzen.net

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