EZB-Direktor Panetta will mehr Freiheiten für europäische Finanzpolitik
Die Länder des Euroraums sollten ihre Finanzkraft nach Aussage von EZB-Direktor Fabio Panetta effizienter einsetzen und dabei weniger durch Defizit- und Schuldenregeln behindert werden.
In einem auf der Website der Europäischen Zentralbank (EZB) veröffentlichten Beitrag lobt Panetta den in der Pandemie geschaffenen Wiederaufbaufonds NGEU (Next Generation EU) als "Europäischen Sozialvertrag", schlägt eine neue Nutzung der finanziellen Kapazitäten des Euro-Rettungsfonds ESM vor und fordert bessere Möglichkeiten für die Mitglieder, eine antizyklische Finanzpolitik zu betreiben. Folge drei Punkte hebt Panetta hervor:
1. NGEU könnte bei Erfolg Dauermodell werden
Der über eine gemeinsame Schuldenaufnahme finanzierte Wiederaufbaufonds verkörpert laut Panetta einen neuen "Europäischen Sozialvertrag". Die Länder müssten über ehrgeizige und gut umgesetzte Ausgabenpläne dafür sorgen, dass dieser NGEU ein Erfolg wird. Die mit europäischem Geld finanzierten Pläne müssten mit den EU-Prioritäten übereinstimmen und dazu beitragen, die wirtschaftlichen und institutionellen Schwächen der Länder zu beheben. "Bei erfolgreicher Umsetzung wird NGEU dazu beitragen, dieses neue Modell und die Verwendung von EU-Anleihen zu legitimieren, sollte eine zukünftige Krise erneut die nationale Politik zu überfordern drohen", schreibt Panetta.
2. SURE- und ESM-Mittel umnutzen
Panetta schlägt vor, die eigentlich für andere, "rückwärtsgewandte" Zwecke gedachten Finanzmittel des SURE-Programms und des Rettungsfonds ESM für zukunftsorientierte Aufgaben einzusetzen. "Diese Instrumente könnten erweitert und angepasst werden, um verschiedene politische Ziele in der Erholungsphase zu unterstützen - in erster Linie die Förderung des Humankapitals durch Maßnahmen wie Ausbildung am Arbeitsplatz und aktive Arbeitsmarktpolitik", schreibt Panetta. Dies würde wiederum das Beschäftigungswachstum ankurbeln, wenn der Aufschwung an Fahrt gewinne.
3. Fiskalregeln reformieren
Panetta weist darauf hin, dass "ein Großteil der fiskalischen Feuerkraft Europas" in der nationalen Politik verankert bleibe. "Daher ist eine Reform der Regeln (Obergrenzen für Haushaltsdefizite und Gesamtverschuldung) für diese Politik unerlässlich." Dabei muss laut Panetta berücksichtigt werden, dass diese Regeln über die Erwartungen der Akteure die Nachfrage direkt beeinflussten. Sie müssten daher antizyklisch sein.
"Eine gezielte Reform sollte sowohl eine konjunkturelle Komponente haben, die sicherstellt, dass die Fiskalpolitik auf kurzfristige Marktschwankungen reagiert und einen starken Aufschwung ermöglicht, als auch eine strukturelle Komponente, die die Tragfähigkeit der Schulden über den Konjunkturzyklus hinweg stärkt", argumentiert Panetta. Aktuell sind die europäischen Fiskalregeln wegen der Corona-Pandemie suspendiert.
FRANKFURT (Dow Jones)
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