Deutsche Bundesbank erwartet für 3Q kräftigen BIP-Anstieg
Die Bundesbank erwartet, dass sich die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal nach dem coronabedingten Einbruch deutlich erholen wird.
"Bereits im Mai setzte nach ersten Lockerungen der allgemeinen Kontaktbeschränkungen die wirtschaftliche Erholung ein. Das aktuelle Indikatorenbild deutet darauf hin, dass sich diese Aufwärtsbewegung während der Sommermonate fortsetzt", heißt es im aktuellen Bundesbank-Monatsbericht. In der Folge dürfte die gesamtwirtschaftliche Leistung im dritten Quartal wieder kräftig expandieren.
Laut Bundesbank ist der Weg bis zu einer umfassenden wirtschaftlichen Normalisierung angesichts der Tiefe des Einbruchs allerdings noch weit. Zudem besteht ihrer Einschätzung nach die große Gefahr von Rückschlägen, insbesondere mit Blick auf den weiteren Pandemieverlauf.
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) war im zweiten Quartal gemäß einer ersten Schätzung gegenüber dem Vorquartal um 10,1 Prozent gesunken. Detaillierte BIP-Daten veröffentlicht das Statistische Bundesamt (Destatis) am 28. August. Die Bundesbank nimmt an, dass die reale Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe stärker als im Dienstleistungssektor zurückgegangen ist, wobei sich die einzelnen Dienstleistungsbereiche uneinheitlich entwickelt haben dürften.
Starke Rückgänge bei Privatkonsum und Investitionen im 2. Quartal
So rechnet sie wegen der Entwicklungen im Hotel- und Gaststättensektor und im Kfz-Handel mit einem "äußerst starken" Rückgang der privaten Konsumausgaben, dem einen "Seitwärtsbewegung" der Einzelhandelsumsätze gegenüber steht. Zugleich ist es laut Bundesbank zu einer "abrupten Verringerung" der Ausrüstungsinvestitionen gekommen, während die Bauinvestitionen wohl robust geblieben sind. Die Exporte fielen demnach um rund ein Fünftel.
Nach der Lockerung der Restriktionen im April und Mai kam es zu einem kräftigen Konjunkturaufschwung, der laut Bundesbank zusätzlich von geld- und finanzpolitische Maßnahmen unterstützt werden dürfte, zum Beispiel vom Konjunkturpaket der Bundesregierung. Die Bundesbank nimmt an, dass der Staatshaushalt im laufenden Jahr ein Finanzierungsdefizit von 7 Prozent aufweisen und die Schuldenquote auf 75 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung steigen wird.
"Steigende Defizite und Schulden sind gerechtfertigt, um der Pandemie und ihren Folgen zu begegnen und dauerhaften wirtschaftlichen Schäden entgegenzuwirken", schreibt die Bundesbank hierzu. Die mit der Pandemie verbundenen wirtschaftlichen Kosten und der Bedarf an Gegenmaßnahmen hielten vermutlich über das laufende Jahr hinaus an, weshalb es wohl verfrüht wäre, bereits 2021 wieder die regulären Regeln anzuwenden.
"Im Gegenteil können zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen sinnvoll sein, wenn sich im weiteren Verlauf keine durchgreifende Besserung der Wirtschaftslage abzeichnet", urteilt die Bundesbank. Wichtig wäre aus ihrer Sicht aber auch im Fall neuer Maßnahmen, diese zu befristen. Wenn sich die wirtschaftliche Erholung festige, sollten Haushaltsregeln wieder greifen - "dies gilt sowohl für Deutschland als auch für die anderen Mitgliedstaaten der Währungsunion", wie die Bundesbank anmerkt.
Schuldenfinanzierung von EU-Extrahaushalt "bedenkliches Novum"
Kritisch äußert sich die Bundesbank zu Details des europäischen Extrahaushalts, mit dessen Mitteln die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bekämpft werden sollen. Die umfangreiche Schuldenfinanzierung, insbesondere von Transfers, sei ein "bedenkliches Novum", merkt sie an. "Eine Kreditaufnahme auf der EU-Ebene ist in den EU-Verträgen eigentlich nicht vorgesehen."
Um Haftung und Kontrolle bei dauerhaft umfangreichen Gemeinschaftsschulden in der Balance zu halten, wäre laut Bundesbank ein deutlich stärkerer Integrationsgrad erforderlich. Die Bundesbank warnt vor der Wahrnehmung, die neue EU-Kreditaufnahme verursache für die Mitgliedstaaten keine Kosten. "Das ist nicht der Fall. Die EU-Schulden werden die künftigen europäischen Steuerpflichtigen belasten, selbst wenn die Schulden nicht in den nationalen Statistiken abgebildet sind", konstatiert die Bundesbank.
Zins und Tilgung seien weiterhin von den Mitgliedstaaten aufzubringen. Diese neuen Verpflichtungen aus den EU-Schulden sollten deshalb in die Bewertung der nationalen Staatsfinanzen einfließen.
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)
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