Modell für Deutschland?

Niederlande testen bedingungslose Sozialhilfe

25.10.16 12:00 Uhr

Niederlande testen bedingungslose Sozialhilfe | finanzen.net

Wie können Sozialhilfeempfänger am besten motiviert werden, sich wieder in die Arbeitswelt zu integrieren? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, starten die Niederlande ein Experiment, bei dem unter anderem eine bedingungslose Sozialhilfe gezahlt wird.

Der richtige Umgang mit Hilfsempfängern ist ein viel diskutiertes Thema. Die Meinungen, was von ihnen verlangt werden darf, wie viel Freiraum sie brauchen oder wie sie am besten zu einer Beschäftigungsaufnahme motiviert werden können, gehen weit auseinander. Auf der Suche nach dem richtigen Sozialhilfe-Modell wollen nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" die vier niederländischen Städte Utrecht, Groningen, Tilburg und Wageningen ein Experiment starten, das auch schon von der Regierung abgesegnet wurde.

Das Experiment

Utrecht bildet Teilnehmergruppen mit 100 bis 150 Menschen, die seit mindestens sechs Monaten Sozialhilfe erhalten. Im Rahmen der Tests werden etwa an eine Gruppe keine Forderungen gestellt. In der nächsten Gruppe erhalten die Teilnehmer einen Bonus, falls sie bestimmte Bedingungen erfüllen, die dritte Gruppe bekommt den Bonus zwar im Voraus, verliert ihn aber, falls sie die gewünschte Aktivität unterlässt. Eine weitere Gruppe darf sich monatlich bis zu 199 Euro hinzuverdienen. Und dann gibt es noch eine Gruppe, für die sich nichts ändert. Auch in den anderen Städten sind die Tests ähnlich gestaltet.

Für diese Experimente war eine Ausnahmegenehmigung der Regierung erforderlich. Schließlich hatte die niederländische Regierung in Amsterdam erst 2015 einen schärferen Kurs beschlossen und den Empfängern von Sozialhilfe mehr Pflichten auferlegt - darunter etwa, sich regelmäßig zu bewerben.

Das Experiment wird von der Universität Utrecht geleitet. Der Utrechter Ökonom Loek Groot tritt der verbreiteten Ansicht entgegen, dass Hilfsempfänger sich möglichst wenig anstrengen wollten, um so viel Geld wie möglich zu erhalten: "Das ist vielleicht zu einfach gedacht." Gegenseitigkeit spiele eine wesentliche Rolle im menschlichen Verhalten, erläutert Groot. Und weiter: "Wenn Menschen etwas erhalten, fühlen sie sich verpflichtet, etwas zurückzugeben."

Modell für Deutschland?

Das Thema ist nicht neu. Schließlich haben in den zurückliegenden Jahren viele Länder ihre Sozialgesetze verschärft - auch Deutschland. Wir erinnern uns: Unter teils heftigen Protesten wurde unter Bundeskanzler Schröder Hartz IV eingeführt.

Ob die Ausgestaltung von Hartz IV richtig ist, wird auch jetzt - Jahre später - noch immer kontrovers diskutiert. Deshalb dürfte das neue Experiment in den Niederlanden auch hierzulande genau beobachtet werden.

Einer der zahlreichen Experten, die sich für eine Abschaffung von Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger stark machen, ist der Kölner Politik-Professor Christoph Butterwegge. Die "Huffington Post" zitiert ihn mit den Worten: "Schikanen bringen nichts. Im Gegenteil: Menschen mit Problemen, etwa psychischen, werden so nur weiter nach unten gezogen."

Auch der Missbrauchs-Umfang wird laut dem Armutsforscher überschätzt. "Bei falschen Steuererklärungen der Superreichen entgeht dem Staat sicher mehr Geld als bei falsch ausgefüllten Hartz-IV-Anträgen".

Redaktion finanzen.net

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