Kapitalmarktunion

EZB-Präsidentin Lagarde spricht sich für europäische Börsenaufsichtsbehörde aus

17.11.23 11:52 Uhr

EZB-Präsidentin Lagarde spricht sich für europäische Börsenaufsichtsbehörde aus | finanzen.net

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, hat eine größere Entschlossenheit öffentlicher und privater Akteure bei der Vertiefung einer europäischen Kapitalmarktunion gefordert.

Lagarde sagte beim 33. European Banking Congress in Frankfurt: "Um die Fragmentierung der EU-Kapitalmärkte zu verringern, sollte ein ehrgeizigerer Ansatz die Schaffung eines einheitlichen Regelwerks beinhalten, das von einer einheitlichen Aufsichtsbehörde durchgesetzt wird."

Dies würde private Unternehmen in die Lage versetzen, ihre Ambitionen zur Förderung wachstumsstarker privater Investitionen auszuweiten. Lagarde sagte weiter: "Schließlich braucht ein echter europäischer Kapitalmarkt konsolidierte Marktinfrastrukturen - und auch hier kann der Privatsektor seine Entschlossenheit unter Beweis stellen."

Lagarde zufolge ähneln die Herausforderungen, vor denen Europa heute steht, denen der USA während des Eisenbahnbaus im 19. Jahrhundert. Damals habe die US-Regierung mit der Schaffung einer zentralen Securities and Exchange Commission (SEC) die Voraussetzungen für eine Finanzierung dieser Vorhaben geschaffen und sich damit den partikularen Interessen der Bundesstaaten entgegengestellt.

Heute stehe Europa wegen des Klimawandels, demografischer Probleme, der notwendigen Digitalisierung und der Neuausrichtung von Lieferketten vor ähnlichen Herausforderungen. Aber die Bemühungen um eine Integration der Kapitalmärkte sind Lagarde zufolge bisher Stückwerk geblieben. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) übernehme einen Teil der Aufgaben in der EU, aber sie sei nicht wirklich einheitlich. "Die Aufsicht bleibt weitgehend auf nationaler Ebene, wodurch die Anwendung der EU-Vorschriften fragmentiert wird. Tatsächlich sind die Durchsetzungsbefugnisse oft auf mehrere nationale Regulierungsbehörden aufgeteilt" bemängelte Lagarde.

Die Schaffung einer europäischen Börsenaufsichtsbehörde, zum Beispiel durch Ausweitung der Befugnisse der ESMA, könnte Lagarde zufolge die Lösung sein. "Sie bräuchte ein breit gefächertes Mandat, das auch eine direkte Beaufsichtigung einschließt, um die von großen grenzüberschreitenden Unternehmen und Marktinfrastrukturen wie den zentralen Gegenparteien in der EU ausgehenden systemischen Risiken zu mindern."

Banker unterstützen Lagardes Vorstoß bei Kapitalmarktunion

Der Vorstoß von EZB-Präsidentin Christine Lagarde für eine größere Entschlossenheit bei der Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion und für eine einheitliche Kapitalmarktaufsicht findet die Unterstützung der Banken. "Madame Lagarde hat völlig Recht: Wenn wir einen einheitlichen Markt für Geld haben wollen, müssen wir einen einheitlichen Aufseher dafür haben", sagte Jean Lemierre, Verwaltungsratspräsident von BNP Paribas, auf dem European Banking Congress in Frankfurt. "Die Defragmentierung des europäischen Marktes ist notwendig und wir sollten viel mehr tun", fügte er hinzu.

"Was dieser Kontinent braucht, ist eine Kapitalmarktunion", sagte Christian Sewing, Vorstandschef der Deutschen Bank. Dies hätte große Folgeeffekte. "Wenn wir eine größere Kapitalmarktunion hätten mit Anleiheemissionen und mit einer größeren Liquidität, dann zieht das auch die anderen Teile des Kapitalmarkts an wie Risikokapital und Private Equity." Das sei Geld, das benötigt werde für die klimaneutrale Transformation, für Innovationen, Technologie und Digitalisierung. Es gebe sehr viele Investoren, die bereit wären, zu investieren.

"Was mich im Moment wirklich nervös macht, ist die Frage, woher das Wachstum in Europa in den nächsten Jahren kommen soll", fügte Sewing hinzu. "Wenn wir dieses Wachstum nicht generieren, haben wir ein Problem in Europa." Eine einheitliche Regulierung würde Sewing begrüßen. Es sei schwierig, dass es in jedem europäischen Land verschiedene rechtliche und regulatorische Anforderungen gebe. "Es ist sinnvoll, einen europäischen Regulierer zu haben."

FRANKFURT (Dow Jones)

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