Inflation im Fokus

Rutschen die US-Börsen in einen langanhaltenden Bärenmarkt?

26.05.22 23:29 Uhr

Rutschen die US-Börsen in einen langanhaltenden Bärenmarkt? | finanzen.net

Alarmglocken schrillten am 20. Mai bei den Wall Street-Anlegern: Der S&P 500-Index, der den breiten US-Aktienmarkt widerspiegelt, fiel phasenweise in den Bärenmarktmodus. Doch ist damit die Talsohle erreicht oder war dies der Beginn eines länger andauernden Bärenmarkts?

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• S&P 500 fiel vorübergehend in den Bärenmarktmodus
• WSJ zweifelt, dass damit die Talsohle erreicht ist
• Entscheidende Rolle komme der Fed zu

Inflations-, Rezessions- sowie Zinssorgen verunsichern derzeit die Anleger und sorgen für starke Kursschwankungen. In einer sehr volatilen Sitzung war der S&P 500 deshalb am vergangenen Freitag phasenweise in den Bärenmarktmodus gerutscht. An der Wall Street spricht man von einem Bärenmarkt, wenn ein Index mindestens 20 Prozent von seinem jüngsten Höchstwert einbüßt.

Mit großer Erleichterung wurde jedoch registriert, dass sich der S&P 500 an besagtem Tag bis Handelsschluss nochmal vor dem Bärenmarkt retten konnte. Doch da der Index mit einem Minus von aktuell 16,52 Prozent (Stand: 25.05.2022) zu seinem am 05. Januar 2022 erreichten Peak von 4.818,62 Zählern nur noch wenig Puffer hat, stellen sich Anleger nun die Frage, ob die Erholung Bestand hat oder ob nicht doch ein langer Bärenmarkt droht.

Schwaches Vertrauen

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit zeigt: Im Jahr 2020 hat die Corona-Pandemie einen der längsten Bullenmärkte der letzten 100 Jahre beendet und die Märkte stattdessen in einen Bärenmarkt gestürzt. Doch nach nur drei Monaten sind die Kurse wieder extrem stark angestiegen. Allerdings könnte sich die Hoffnung, dass die Aktienkurse dieses Mal genauso glimpflich davon kommen wie vor zwei Jahren als trügerisch erweisen, meint das "Wall Street Journal" (WSJ).

Die Wirtschaftszeitung verweist zum einen darauf, dass das Vertrauen der Investoren und Verbraucher derzeit stark eingetrübt ist. Das von der Universität Michigan erhobene Konsumklima etwa sank im Mai stärker als erwartet und fiel sogar auf den niedrigsten Stand seit dem Jahr 2011.

Straffere Geldpolitik

Daneben verweist das "Wall Street Journal" noch auf einen anderen entscheidenden Unterschied zur Situation in 2020. Um die Auswirkungen der Corona-Krise abzumildern haben damals nämlich viele Regierungen und Notenbanken extreme Maßnahmen beschlossen, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Dank dieser Hilfspakete konnte sich die globale Konjunktur von den Folgen der Pandemie erholen. Diese enorme Liquidität, die in die Märkte gepumpt wurde, ließ auch Investoren wieder Mut fassen und half somit auch den Aktienmärkten.

Doch dieses Mal sind die Vorzeichen anders. Die starke Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen sowie Engpässe in den globalen Lieferketten nach der Corona-Krise lassen die Inflation derzeit aus dem Ruder laufen, so dass sie in den USA im März sogar auf ein 40-Jahreshoch kletterte. Verstärkt wird der Inflationsdruck nun auch noch durch den Ukraine-Krieg, denn die Sanktionen gegen Russland verteuern Rohstoffe zusätzlich und heizen die Inflation weiter an.

Vor diesem Hintergrund hat die US-Notenbank im März erwartungsgemäß die Zinswende eingeleitet und erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie ihren Leitzins wieder erhöht. Auch für den weiteren Jahresverlauf hat die Fed weitere Erhöhungsschritte angekündigt und dabei einen aggressiven Kurs signalisiert. Der Fokus der Währungshüter liege laut dem WSJ derzeit ganz klar auf der Inflationsbekämpfung, und nicht wie vor zwei Jahren auf der Konjunkturunterstützung. Fallende Aktienkurse würden dabei lediglich als ein Nebeneffekt der Zinserhöhungen angesehen, aber nicht als Anlass die Investoren zu retten.

Auf die Fed kommt es an

Das WSJ erklärte weiterhin, dass es in der Vergangenheit unterschiedliche Bärenmärkte gegeben habe. So sei in den letzten 40 Jahren der S&P 500 in mehreren Fällen noch deutlich tiefer gefallen, nachdem es mit dem Aktienindex zuvor rund 20 Prozent abwärts gegangen war. Andererseits hätten die Aktienkurse mehrfach mit dem Bärenmarktmodus auch schon eine Talsohle erreicht und seien dann wieder angezogen.

Der entscheidende Faktor sei dabei die US-Notenbank gewesen. In sämtlichen dieser vergangenen Fällen, in denen es nach Erreichen des Bärenmarktmodus wieder aufwärts ging, habe die Fed nämlich ihre Geldpolitik gelockert.

Bärenmarktrally voraus?

Das WSJ befürchtet jedoch, dass die derzeitige Situation eher mit den Jahren 1973/74 vergleichbar ist. Die Unterstützung Israels im Yom Kippur Krieg und das darauffolgende arabische Öl-Embargo ließen damals die Energie-Preise in die Höhe schnellen und stürzten die USA in eine Rezession und die Wall Street in einen Bärenmarkt. Genau wie damals sei auch derzeit das Hauptproblem der USA die hohe Inflation, angeheizt durch einen kriegsgetriebenen Ölpreisschock. Und genau wie damals habe auch dieses Mal eine starke Inflation eingesetzt, nachdem der US-Leitzins angesichts der Umstände zu tief war. Wohl am wichtigsten sei jedoch, dass sich die Währungshüter 1974 aufgrund des Inflationsdrucks selbst dann noch zu Zinserhöhungen genötigt sahen, als schon eine Rezession einsetzte.

Das Resultat damals sei ein schrecklicher Bärenmarkt gewesen, der sechs Mal von einer Bärenmarktrally unterbrochen wurde, d.h. es trat eine kurzfristige, starke Besserung vom negativen Bärenmarkt ein. Der Markt schien sich dabei zu normalisieren, doch dieser Aufwärtstrend trügte, denn die Kurse brachen jeweils nach einer kurzen Erholung wieder ein. Erst nach nervenaufreibenden 20 Monaten wurde letztlich das Tief erreicht - als die Fed ernsthaft damit begann, die Zinsen wieder zu senken. Auch in der aktuellen Situation befürchtet das WSJ, dass die US-Notenbank wieder zum entscheidenden Faktor werden könnte, und dass ohne eine aktienfreundliche Geldpolitik eine Serie von Bärenmarktrallys drohen könnte, die schwer auf die Investorenstimmung drücken würde.

Positiv sei jedoch, dass sich die Wirtschaft derzeit nicht in einer Rezession befindet. Damit bestehe die Hoffnung, dass es für Aktien dieses Mal nicht so schlimm wie 1973/74 wird.

Redaktion finanzen.net

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