Wie wird 2019 für Aktionäre?
Christoph Frank will Mut machen für das junge Börsenjahr. Und sieht nicht nur in dem hohen Pessimismus eine gute Grundlage für steigende Aktien. Er hat auch eine ganze Reihe statischer Regelmäßigkeiten parat.
14. Januar 2018. FRANKFURT (pfp Advisory). Wie wird 2019 für Aktionäre? Kommt ein ähnlich desaströses Jahr wie das abgelaufene oder schafft der Aktienmarkt die Wende zum Besseren? Das weiß ich leider ebenso wenig wie meine Kollegen bei pfp Advisory oder sonst jemand, der sich mehr oder minder intensiv mit dem Kapitalmarkt beschäftigt. Genau deshalb verzichtet pfp Advisory auf Vorhersagen dieser Art und macht auch keine Punktprognosen zum DAX oder ähnliches.
Gleichwohl müssen wir uns natürlich Gedanken über die Verfassung des Gesamtmarkts machen. Nicht nur für unseren Arbeitsalltag, sondern auch, weil uns diese Frage ständig gestellt wird; in unruhigen Börsenphasen wie der momentanen noch mehr als sonst. Während ich in meiner Kolumne vom 3. Dezember 2018 überwiegend Aspekte thematisiert habe, die Aktionäre eher vorsichtig stimmen sollten, will ich heute einige statistische Fakten aus der Börsenhistorie vorstellen, die Appetit auf 2019 machen.
Denn während ich eher vorsichtig ins Jahr 2018 ging und die Anlegergemeinde für meinen Geschmack zu optimistisch gestimmt war, könnte die Gemengelage 2019 umgekehrt sein. Angesichts des desaströsen Schlussquartals 2018 ist der allgemeine Pessimismus zwar verständlich. Genau dieser könnte aber eine robuste Grundlage für mehr Stabilität oder sogar einen neuen Aufschwung bilden. André Kostolany hätte wohl gesagt, dass die "schwachen Hände" durch den Jahresschluss-Sturm aus dem Markt gefegt worden seien. Zurück blieben nach dieser Logik die Hartgesottenen. Wer verkaufen wollte, hat dies vermutlich schon 2018 getan. Entsprechend gering sollte der künftige Verkaufsdruck sein.
Ein Indiz dafür ist, dass der Markt auf schlechte Nachrichten mittlerweile gelassen reagiert und nicht noch wie vor wenigen Wochen mit drastischen Abverkäufen der betroffenen Aktien. Ebenfalls passend ist der Verlauf der ersten fünf Handelstage, die in der Vergangenheit recht häufig (z. B. seit 1950 zu über 80 Prozent beim S&P 500) die Richtung für den restlichen Jahresverlauf vorgegeben haben. Auch wenn dieser simple "Indikator" 2018 versagte, ist es zumindest kein Minuspunkt, dass der DAX am Ende des fünften Handelstages höher stand als zu Ultimo 2018.
Eher esoterisch mutet der Verweis auf die "9" in der Jahreszahl 2019 an. Und doch: Kalenderjahre mit einer "9" am Ende waren verblüffend oft extrem starke Börsenjahre. Beispielsweise hat der DAX bzw. der vom Statistischen Bundesamt zurückgerechnete Vorgängerindex von 1937 bis 2009 im (geometrischen) Durchschnitt rund 7 Prozent pro Jahr zugelegt. Eine schöne Rendite, zweifellos. Und jetzt die geometrische Durchschnittsrendite in den Jahren mit einer "9" am Ende: +31 Prozent! Das nenne ich eine Deklassierung. Nur ein einziges Mal, 1979, war die Jahresrendite überhaupt negativ. 1949 betrug sie, sicherlich getrieben durch Sondereffekte wie die Wiederaufnahme des Börsenhandels und die Währungsreform, unglaubliche 152 Prozent, 1959 wirtschaftswunderstarke 80 Prozent und 1999 New-Economy-rauschhafte 39 Prozent.
Diese frappierende Stärke der "Neuner-Jahre" kann natürlich purer Zufall sein. Oder sie hat etwas damit zu tun, dass am Ende eines Jahrzehnts viele langjährige Trends bekannt sind, an deren Weiterbestehen kaum gezweifelt wird. Ältere Börsenhasen erinnern sich noch lebhaft an die New-Economy-Träume von 1999! Dagegen dominiert zu Beginn eines Jahrzehnts - umgangssprachlich definiert als Jahr mit einer "0" am Ende, weil eben auch optisch besser als Umbruch erkennbar - oft die Unsicherheit. Mächtige Kapitalsammler tasten sich häufig erst einmal vorsichtig ins neue Jahrzehnt hinein, fahren Risiken herunter und justieren ihre Portfolios neu, bis sich belastbare Trends herausgebildet haben.
Und nach dem Sentiment, den ersten fünf Handelstagen und der "tollen Neun" ein letztes, Mut machendes Indiz für 2019: Zwei Verlustjahre hintereinander kamen beim DAX bisher nur selten vor. Konkret trat dies seit 1937 in 81 möglichen Fällen genau 7 Mal ein: 1945/46, 1961/62, 1965/66, 1973/74, 1979/80 und 2000/01/02. Wer sich für Geschichte interessiert, hat wohl bei den meisten dieser Jahreszahlen umgehend die entsprechenden Geschehnisse vor Augen: 1945/46 die Endphase des Zweiten Weltkriegs und die weitgehende Zerstörung Deutschlands, 1961/62 der Bau der Berliner Mauer und die Kubakrise, 1965/66 die Verschärfung des Vietnamkriegs und die erste Rezession im Nachkriegsdeutschland, 1973/74 die erste Ölkrise und die nächste Rezession, 1979/80 der Umsturz im Iran, der Beginn des Ersten Golfkriegs, die sowjetische Intervention in Afghanistan und die Verschärfung des Kalten Kriegs, 2000/01/02 das Platzen der New-Economy-Blase, das anhaltende Nullwachstum und die Terroranschläge vom 11. September 2001.
Mit anderen Worten: Es bedurfte schon eines außergewöhnlich schlechten wirtschaftlichen und politischen Umfelds, oft wahrlich epochaler Ereignisse, gegen die unsere heutigen "bewegten Zeiten" doch recht harmlos aussehen, damit auf ein schlechtes Börsenjahr gleich noch einmal ein schlechtes folgte. Ein derart negatives Umfeld sehe ich für 2019 nicht: Von einem Weltkrieg, einer globalen Krise samt drohendem Atomkrieg oder einer ersten Rezession nach 20 Jahren Wirtschaftswunder sind wir doch sehr weit entfernt. Gleichwohl sehen wir uns politischen und ökonomischen Unwägbarkeiten gegenüber wie seit Jahren nicht mehr, heißen sie nun Handelskonflikt, Zölle, Brexit oder anders. Diese Ausgangslage spricht für anhaltend starke Kursschwankungen, aber nicht per se für ein schlechtes Börsenjahr 2019.
von Christoph Frank
14. Januar 2019, © Deutsche Börse AG
Über den Autor
Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters steuert der seit über 20 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DB Platinum IV Platow Fonds (WKN DWS030), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds. Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
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