Die Grenzen der fiskalischen Integration der Eurozone
Für Dirk Schumacher von Natixis ist eine weitere Verzahnung der nationalen Haushaltspolitik eine Voraussetzung für funktionierende Stabilitätsmechanismen in der Eurozone. Er sieht allerdings enge Grenzen dafür, da inzwischen einigen Ländern das "innenpolitische Hemd" näher sei als die "europäische Hose".
Der 20. Geburtstag des Euro war bei vielen Kommentatoren Anlass, auf die Notwendigkeit weiterer Integrationsschritte hinzuweisen. Nun lässt sich trefflich darüber streiten, wie notwendig solche Integrationsschritte tatsächlich sind. Wenig Zweifel sollte allerdings darin bestehen, dass eine wichtige Vorausetzung für eine weitere fiskalische Integration, nämlich die Verbindlichkeit existierender Regeln auch im Angesicht politischen Gegenwinds zu akzeptieren, nicht erfüllt ist.
Eine oft gebrauchte Metapher bei der Kommentierung des 20. Geburtstages der Währungsunion ist die des halbfertigen Hauses. Zwar hat dieses Haus der ersten Schlechtwetterfront - die Krise der Jahre 2011/12 - getrotzt. Einen weiteren Sturm würde das Haus nun aber nicht mehr überstehen. Ein stärkeres Fundament, eine weitere fiskalische Verzahnung der Länder der Währungsunion, sei deshalb unabdingbar.
Nicht zuletzt um dem Vorwurf des nationalen Eigensinns zu entgehen, hat die Bundesregierung neue Vorschläge für ein Eurozonen-Budget gemacht. Zwar blieben diese Pläne hinter den ursprünglichen Forderungen des französischen Präsidenten zurück. Aber man kann davon ausgehen, dass die sich abzeichnende konjunkturelle Schwäche die Diskussion über "Stabilisierungsmechanismen" auf Ebene der Eurozone weiter befeuern wird.
Nun spricht grundsätzlich erst einmal nichts gegen einen konjunkturellen Puffer auf Ebene der Eurozone. Zwar sind die Konjunkturzyklen zwischen den Volkswirtschaften der Eurozone tatsächlich eng korreliert und die genannten asymmetrischen Schocks, die es auszugleichen gilt, nicht wirklich Schocks im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern oft Folgen wirtschaftspolitischer Fehler. Dennoch kann man sich Situationen vorstellen, in denen ein solches Instrument hilfreich sein könnte.
Damit die Übernahme fiskalischer Risiken für alle Beteiligten akzeptabel ist - ohne Risikoübernahme, zumindest implizit, ist eine Stabilisierung schwer vorstellbar - muss Verbindlichkeit beim fiskalischen Gebaren eines jeden Landes herrschen. Diese Regeln können durchaus flexibel sein und im Konsens auch geändert werden. Aber ein Mindestmaß an Verbindlichkeit muss es geben.
Die Entwicklungen in Italien sind nun ein Paradebeispiel, wie der politische Wille der Wähler in Stellung gebracht wird, um genau diese Verbindlichkeit gegenüber der europäischen Ebene in Frage zu stellen. So hat die italienische Regierung mehrfach klar gemacht, dass allein "der Wille des italienischen Volkes" für sie zählt. Man könnte dies nun als Theater-Donner abtun. Schließlich hat sich die italienische Regierung dann doch mit der EU-Kommission geeinigt. Man sollte sich aber keine Illusionen machen, dass es letztlich der Druck der Finanzmärkte war, der die italienische Regierung zum Einlenken brachte (und ein hohes Maß an Flexibilität von Seiten der EU Kommission). Die Aufweichung des Defizitziels der französischen Regierung im Zuge der Gelbwesten Protest sind nun das nächste Beispiel, wie einer Regierung das "innenpolitische Hemd" näher ist als die "europäische Hose".
So nachvollziehbar all dies ist, zeigt es doch erneut die Schwierigkeit, europäische Regeln durchzusetzen, wenn dies innenpolitisch schwer zu vermitteln ist. Damit sind aber auch klare Grenzen für die weitere fiskalische Integration gezogen.
von Dirk Schumacher
© 11. Januar 2019 © Natixis
Über den Autor
Dirk Schumacher ist Managing Director und Senior Economist bei Natixis, einer international tätigen Investmentbank, die zu Groupe BPCE gehört, Frankreichs zweitgrößter Bank.
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