Keine Angst vor aktivistischen Investoren
Angriffe von Leerverkäufern können dem Vertrauen der Anleger und damit dem Aktienkurs eines Unternehmens ganz erheblich schaden - vom guten Ruf ganz zu schweigen. So sieht eine wirkungsvolle Verteidigungsstrategie aus.
von Richard
Mayer-Uellner und Andreas Zanner, Gastautoren für €uro am Sonntag
Der Begriff Investor Activism bezeichnet die aktive Einflussnahme von Investoren auf börsennotierte Unternehmen. In den vergangenen Jahren haben die
Tätigkeiten aktivistischer Investoren in Deutschland erheblich zugenommen. Dabei handelt es sich in den meisten
Fällen um aktivistische Aktionäre ("Shareholder Activism"), deren Einflussnahme auf eine Steigerung des Börsenkurses abzielt. Ihre Erscheinungsformen sind vielfältig: Die meisten aktivistischen Aktionäre beschränken sich auf die Kommunikation mit dem Vorstand, beispielsweise große Vermögensverwalter, Pensions- und Staatsfonds oder Family Offices.
Finanzinvestoren versuchen dagegen, Einfluss auf die Unternehmensstrategie zu nehmen, und streben zu diesem Zweck auch Sitze in den Aufsichtsgremien an. Schließlich gibt es aggressive Hedgefonds, die durch öffentliche Kampagnen massiven Druck auf das Management ausüben oder Sondersituationen des Unternehmens, vor allem Übernahmen, ausnutzen.
Im Gegensatz zu aktivistischen Aktionären setzen Leerverkäufer (Short-Seller) auf einen fallenden Börsenkurs. Ein in Deutschland neueres Phänomen ist die sogenannte Short-Attack, bei der die Short-Seller durch die Veröffentlichung kritischer Stellungnahmen aktiv auf ein Fallen des Börsenkurses hinwirken. Zuletzt sind ProSiebenSat.1 sowie - zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren - Wirecard Ziel eines solchen Angriffs geworden. Zuvor waren bereits Thyssenkrupp, die Beteiligungsgesellschaft Aurelius und der Werbekonzern Ströer attackiert worden, was teilweise zu Kursverlusten von bis zu 40 Prozent führte. Neben Kursverlusten drohen den Unternehmen massive Reputationsschäden. Die derzeit hohe Volatilität an den Börsen begünstigt das Geschäft der Leerverkäufer, denn nervöse Anleger sind schneller und zu niedrigeren Kursen bereit, ihre Aktien zu verkaufen.
Die Wirtschaftskanzlei CMS und der Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) haben in einer aktuellen Studie untersucht, ob die börsennotierten Unternehmen in Deutschland ausreichend auf die mit aktivistischen Investoren einhergehenden Herausforderungen vorbereitet sind. Vor allem bei Attacken von Short-Sellern ist es wichtig, dass das angegriffene Unternehmen möglichst schnell reagieren kann. Allerdings hat laut der Studie nur etwa jedes vierte befragte Unternehmen Vorbereitungsmaßnahmen gegen einen möglichen Angriff durch Short-Seller entwickelt. Und selbst wenn Vorbereitungen getroffen wurden, beschränken sie sich auf die Beobachtung von Handelsbewegungen und eine verstärkte Kommunikation mit wichtigen Aktionären und Investoren, Großbanken, Finanzpublikationen oder Analysten.
Transparenz und professionelle Kommunikation beugen vor
Was aber können Unternehmen überhaupt gegen Short-Attacks tun? Zunächst muss man sich vor Augen führen, wie Leerverkäufer ihre Angriffsziele auswählen: Sie nutzen dafür lange Listen typischer Kriterien - je mehr auf ein Unternehmen zutreffen, desto eher eignet es sich als Ziel. Diese umfassen etwa eine intransparente Finanzberichterstattung, ein schwer zu kommunizierendes Geschäftsmodell, komplexe Holdingstrukturen, ein ungenügendes Compliance-System oder Corporate-Governance-Defizite wie enge operative Verflechtungen mit Großaktionären oder das Fehlen unabhängiger Mitglieder im Aufsichtsrat. Daher ist es in präventiver Hinsicht wichtig, nach einer eingehenden Analyse aufgedeckte Schwachstellen zu identifizieren und zu beseitigen. Weiter sollten die Handelsbewegungen in den Aktien beobachtet werden, um den Aufbau größerer Short-Positionen aufdecken zu können.
Manche Short-Seller befragen vor dem Angriff Mitarbeiter des Unternehmens telefonisch, die daher geschult werden sollten, wie sie auf die Kontaktversuche reagieren. Wichtig sind eine transparente Öffentlichkeitsarbeit und eine intensive Pflege der Investor-Relations, einschließlich der Bereitstellung einer verlässlichen Guidance zu den wesentlichen Finanzkennzahlen. Die Aktionäre werden ihre Aktien beim Aufkommen negativer Nachrichten nämlich nur dann behalten, wenn sie Vertrauen in das Management haben.
Um im Fall eines Angriffs schnell reagieren zu können, sollten börsennotierte Unternehmen einen Leitfaden bereithalten, der die einzuleitenden Schritte und Gegenmaßnahmen beschreibt (ein sogenanntes "Defense Manual"). Hierzu gehört etwa, welche internen und externen Stellen unverzüglich zu kontaktieren sind oder aus welchen Personen das Team besteht, das die Abwehr koordiniert. Die Leitfäden enthalten außerdem Listen von Kontaktdaten der größeren Aktionäre und "Opinion Former", die zwecks Verbreitung der eigenen Botschaft zu kontaktieren sind. Häufig führt es auch mögliche Kommunikationsformen auf (etwa Pressemeldungen, ausführliche Stellungnahmen, Telefon- und Pressekonferenzen, Briefe oder E-Mails an die Aktionäre et cetera) und enthält konkrete Formulierungsvorschläge. Schließlich beschreibt es den rechtlichen Rahmen, den die Entscheidungsträger im Unternehmen beachten müssen.
Wie Unternehmen einen Angriff auf dem Rechtsweg parieren
In Betracht kommen auch rechtliche Schritte gegen die Short-Seller. Bei Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Meldepflichten oder Insiderrecht ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als zuständige Behörde zu kontaktieren. Dasselbe gilt für eine mögliche Marktmanipulation, wenn der Short-Seller falsche oder irreführende Angaben über das Unternehmen verbreitet. Da eine Marktmanipulation strafbar ist, ist in diesem Fall die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Schließlich muss der Vorstand zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche prüfen und gegebenenfalls geltend machen.
Ist der Börsenkurs nach einem Angriff eingebrochen, ist dies ein sicheres Zeichen dafür, dass das Vertrauen der Anleger nicht groß genug war. Es ist dann ein mühsamer Prozess, dieses Vertrauen wiederherzustellen. Dabei können Kurspflegemaßnahmen wie ein Aktienrückkaufprogramm oder Aktienkäufe durch Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder helfen. Am wichtigsten ist es aber, den Rahmen für eine künftig gute und transparente Unternehmensführung zu schaffen - und natürlich auch solche Verbesserungen möglichst öffentlichkeitswirksam bekannt zu machen.
Zu den Personen
Richard Mayer-Uellner
Andreas Zanner
Partner bei CMS Deutschland Richard Mayer-Uellner (Foto o.) ist auf Unternehmensübernahmen sowie auf Aktien- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Seine Schwerpunkte sind öffentliche Übernahmen, aber auch sonstige nationale und grenzüberschreitende Transaktionen.
Andreas Zanner hat seine Praxis besonders auf die kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtliche Beratung von Emittenten, emissionsbegleitenden Banken und Altaktionären ausgerichtet.
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