Euro am Sonntag-Meinung

Dividenden-Renditen: Nicht die Größe zählt!

02.04.17 15:00 Uhr

Dividenden-Renditen: Nicht die Größe zählt! | finanzen.net

Der Frühling ist Dividendenzeit. Doch bei der Wahl der Aktien sollten Anleger nicht nur auf die größte Dividenden-Rendite sehen.

von Benjardin Gärtner, Gastautor von €uro am Sonntag

Frühling ist Dividendenzeit. In der Phase der Hauptversammlung rückt die Ausschüttung besonders in den Fokus. Anleger merken nun, wie sich ihr Investment jenseits der ersehnten Kursfortschritte noch auszahlt. Und die Zuwendungen sind auch in diesem Jahr wieder beträchtlich: Allein die 30 DAX-Konzerne sollten rund 31,1 Milliarden Euro an ihre Anleger ausschütten - das entspricht einer Dividendenrendite von 3,0 Prozent.



Auf europäischer Ebene sieht es sogar noch besser aus. Für die im Stoxx 600 Europe gelisteten Aktiengesellschaften wird mit gut 340 Milliarden Euro gerechnet, was einer durchschnittlichen Rendite von mehr als 3,6 Prozent entspricht. Betrachtet man die im MSCI World Index notierten Unternehmen, dann dürften diese für das vergangene Jahr Dividenden von fast einer Billion US-Dollar auskehren.

Die Summen sind zweifellos beeindruckend, in manchen Branchen wie etwa bei Telekommunikationsunternehmen oder Versorgern liegt die durchschnittliche Rendite bei über vier Prozent. Das ist in Zeiten des Niedrigzinsumfelds schon ganz ordentlich - und zwar nicht nur im Verhältnis zum Tagesgeld: Vergleicht man die Dividendenrendite einiger Unternehmen mit der Verzinsung der Anleihen der gleichen Adresse, dann fallen die Vorzüge der Aktie ebenfalls schnell ins Auge: So zahlt der britische Telekommunikationskonzern Vodafone eine Dividendenrendite von 5,7 Prozent, der Energieriese Total 5,2 Prozent und der französische Versicherer AXA 5,2 Prozent.

Ausschüttungen entscheidend für langfristigen Anlageerfolg

Bei allen drei Adressen reden wir überdies über solide Global Player mit starker Marktstellung und dementsprechend positiven Aussichten auf eine gute Aktienkursperformance. Die Anleihen der drei Unternehmen mit Laufzeiten von zwei bis fünf Jahren werden hingegen im Schnitt mit schmalen 0,6 Prozent, 0,5 Prozent und 0,2 Prozent ver­zinst. Es verwundert wenig, dass immer mehr Anleger die Vorzüge von dividendenstarken Aktien für sich erkennen.

Wer sich mit dem Thema nüchtern und professionell beschäftigt, wird feststellen: Es ist nicht nur im Frühjahr sinnvoll, sich eingehend mit der Ausschüttungspolitik von Aktiengesellschaften auseinanderzusetzen. Denn neben der Auskehrung von Gewinnen gibt es noch weitere Vorteile von dividendenstarken Titeln. Beispielsweise sind sie in der Regel robuster als andere Aktien. Das liegt daran, dass die laufenden Zahlungen als kleiner Risikopuffer bei Abwärtsbewegungen des Markts dienen können. Zudem haben dividendenstarke Unternehmen oft stabilere Geschäftsmodelle, was die Aktien vor einer höheren Volatilität schützt.



Was viele Privatanleger unterschätzen: Die Ausschüttungen sind entscheidend für den langfristigen Anlageerfolg von Aktieninvestoren. Bereits in den 20 Jahren vor der Finanzkrise haben Dividenden rund ein Drittel zum Gesamt­ertrag einer Aktieninvestition beigetragen, in der längeren Historie sogar mehr als zwei Drittel. Dieses Gewicht dürfte auch künftig wieder die Norm werden, weil sich die Unternehmen derzeit aufgrund ihrer starken Cashreserven höhere Ausschüttungsquoten leisten können und die Aktionäre im Niedrigzinsumfeld stärker auf Dividenden achten.

Welche Rolle die Ausschüttungen für Anleger spielen, zeigt beispielhaft ein Blick auf den deutschen Aktienindex DAX. Denn bei dem Barometer handelt es sich um einen sogenannten Performance-Index. Das heißt, die Dividenden sind im Index stets berücksichtigt. Betrachtet man nur den Kursindex ohne die Ausschüttungen, dann steht der Index derzeit nicht wie der Performance-­Index bei rund 12 000 Zählern - sondern mehr als 6000 Punkte niedriger.

Anders ausgedrückt: In den vergangenen zehn Jahren hat sich der DAX um 76 Prozent gesteigert. Der Kursindex ohne die Ausschüttung verzeichnet allerdings nur ein Plus von rund 28 Prozent. Den Einfluss der Dividenden auf die Wertentwicklung eines Aktiendepots sollten Investoren also auf keinen Fall unterschätzen.

Eine ordentliche Dividendenrendite kann für Investoren zwar sehr einträglich sein, manchmal ist sie aber auch ein schlechtes Zeichen. Denn das Verhältnis der Dividende zum Kurs macht per se eine Aktie weder besonders sicher noch besonders attraktiv. Einfach ausgedrückt: Wenn die Ausschüttung stabil bleibt und der Kurs in den Keller sackt, dann wird zwar die Dividendenrendite attraktiver. In diesen Fällen ist die Dividendenrendite aber eben nur deshalb so hoch, weil das Unternehmen Probleme hat, was sich im Kursverfall widerspiegelt. Die hohe Dividende wird dabei durch die Kursverluste aufge­fressen.

Steigende Dividenden in schlechter Zeit ein Warnsignal

Ähnliche Vorsicht sollten Anleger walten lassen, wenn Unternehmen einen Anstieg der Dividende kommunizieren. Eine steigende Ausschüttung kann gut sein, muss es aber nicht. Letztlich muss der Investor sich fragen, welches Ausschüttungsniveau ein Unternehmen nachhaltig tragen kann. Wenn die Unternehmenssubstanz und die Investitionsfähigkeit eines Konzerns durch die Ausschüttung in Gefahr geraten, dann sollten bei den Anteilseignern die Alarm­glocken schrillen.

Oft werden Dividenden in schwierigen Zeiten genutzt, um die eigenen Aktionäre zu beruhigen und bei der Stange zu halten - so zu beobachten etwa im Energiesektor in der Phase des rapiden Ölpreisverfalls. Als Investor kann man dem Treiben eine Weile lang zusehen. Irgendwann stellt sich aber in diesen Fällen die Frage, ob das Geschäftsmodell noch zukunfts- und tragfähig ist. Sind steigende Ausschüttungen nicht von höherer Ertragskraft unterfüttert, sollten Investoren solche "Beruhigungspillen" eher als ein Warnsignal verstehen.

Für Investoren ist es daher unabdingbar, weitere Kennzahlen aus der klassischen Fundamentalanalyse zu berücksichtigen: Dazu zählen neben der Dividendenhistorie auch Bewertungskennziffern im Vergleich mit der Peer Group, die Gewinnrevisionen und deren Dynamik sowie die Streuung der Gewinne. Hinzu kommen eine genaue Einschätzung des Geschäftsmodells, der Bilanz und der Qualität des Managements. Erst dann ergibt sich, auch bei dividendenstarken Titeln, ein ganzheitliches Bild, auf dessen Basis eine Investment­entscheidung getroffen werden kann.

Kurzvita

Benjardin Gärtner
Leiter Aktienfondsmanagement bei Union Investment Gärtner ist eines von sechs stimmberechtigten Mitgliedern des Union Investment Committee (UIC). Das UIC formuliert auf monatlicher Basis die Kapitalmarktstrategie von Union Investment.
Union Investment ist die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken und mit aktuell mehr als 290 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen einer der größten deutschen Vermögensverwalter für private und institutionelle Anleger.

Bildquellen: Union Investment, Sixt