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John Paulson: Abstieg eines Superstars

25.04.16 20:54 Uhr

John Paulson: Abstieg eines Superstars | finanzen.net

Hedgefondsmanager wie der US-Milliardär John Paulson haben in den letzten Monaten viel Geld und eine Menge Renommee verloren, da sie sich mit Übernahmespekulationen verhoben haben.

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von Oliver Ristau, Euro am Sonntag

Es erinnert ein wenig an die ­Mario-Draghi-Methode. Der US-­Starinvestor John Paulson ­kündigte kürzlich an, seine schwächelnden Hedgefonds mit einer Milliarden-Geldspritze aus seinem Privatvermögen zu stützen. Die Botschaft sollte ähnlich wie einst beim Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) ankommen, der unbegrenzte Mittel zur Stützung des Euro angekündigt hatte: Was immer kommen mag, die Fonds sind sicher.



Auch wenn Paulsons Vermögen von geschätzt neun bis zehn Milliarden Dollar nicht beliebig ausdehnbar ist wie die EZB-Bilanz, es ist groß genug, um für ­Beruhigung bei seinen verbliebenen Anlegern zu sorgen. Dabei geht es laut einer Mitteilung an die Finanzaufsicht in New York darum, für eine Kreditlinie zu haften, die es den Fonds ermöglichen soll, kurzfristige Deals zu stemmen.

Bisher wurden die Kredite über die Managementgebühr und über eine ­Abgabe bei positiver Wertentwicklung abgedeckt. Doch weil Hedgefonds wie denen von Paulson die Anleger wegen der schlechten Performance der letzten Jahre davonlaufen, reicht das nicht mehr. Zu den Managern, die zuletzt ­Milliarden verbrannten, zählen auch Hedgefonds-Gurus wie Daniel Loeb oder Daniel Och. Doch Paulson sorgt mit der Öffnung seiner Privatschatulle einmal mehr für die größte Aufmerksamkeit: "Er ist eine Art Rockstar unter den ­Hedgefondsmanagern", sagt John Micklethwait, Chefherausgeber beim US-Wirtschaftsnachrichtenhaus Bloomberg.

Selbst Steinway im Portfolio

Auch wenn die künstlerischen Neigungen Paulsons damit wohl nicht gemeint waren, hat der 60-Jährige aus dem New Yorker Mittelschichtsviertel Queens tatsächlich ein Faible für Musik. "Ich komme aus einer musikalische Familie, meine beiden Schwestern haben Klavier gespielt", erzählte er einem Dokumentarfilmer des deutsch-amerikanischen Pianoproduzenten Steinway. "Meine Schwestern beknieten meinen Vater regelmäßig, dass er ihnen einen Steinway kaufe. Wir hatten damals ein einfaches Klavier, mehr konnten wir uns nicht leisten. Doch eines Tages ging er los und erwarb einen kleinen Flügel. Aber es war kein Steinway, und ich erinnere mich, wie meine Schwestern weinten." Entspannt sitzt John Paulson im blauen Anzug vor der Kamera und berichtet lächelnd von diesem Familien­ereignis.


Was sein Vater damals versäumte, holte Paulson Jahrzehnte später nach und kaufte Steinway, aber nicht nur ein einziges Instrument, sondern über seine Investmentgesellschaft Paulson & Co. Inc. gleich die ganze Firma. Anfängliche Sorgen einer Zerschlagung wichen schnell der Erleichterung, als Management, Belegschaft und Vertreter des Traditionshauses aus New York und Hamburg merkten, dass Paulson nicht ihren Exitus plante, sondern die ­Expansion.

Im Hamburger Werk im alten Indus­triestadtteil Bahrenfeld ist die Belegschaft seit der Übernahme durch den Milliardär um fünf Prozent gewachsen. Paulson steckt Millionen in den Ausbau der Fertigung, etwa in Springfield/Ohio, um den Ausstoß von Flügel-Eisenplatten zu erhöhen. Paul Johnson sei keine Heuschrecke, die das Unternehmen aussauge, versichert Europachef Manfred Sitz.


Steinway sei eine Langfristinvestition, das Management stehe nicht unter Druck, bestimmte finanzielle Kennzahlen zu liefern, sagt der US-Investor. Die Firma werde auf der Basis ihrer führenden Position als Qualitätsmarke kontinuierlich an Wert zulegen, ist er überzeugt. Paulson meint es ernst, seine Wertschätzung des Konzertflügelspezialisten wirkt ehrlich. Doch ein solches konservatives Investment ist bei ihm eher die Ausnahme. Der New Yorker steckt sein Geld üblicherweise in riskantere Geschäfte.

Paulsons Aufstieg zum Milliardär begann während der Finanzkrise. Er sah den Zusammenbruch des US-Hypothekenmarkts mit all seinen strukturierten Finanzprodukten voraus und positionierte sich frühzeitig mit Kreditausfallversicherungen und anderen Papieren dagegen. Dadurch stieg das von seinen Fonds verwaltete Vermögen laut Medienangaben allein 2007 um 15 Milliarden Dollar.

Fusionen als Renditetreiber

Als in der Folge die Probleme aus den Schrottpapieren die Bücher der Banken immer mehr belasteten, kaufte er Aktien von US-Finanzinstituten wie Goldman Sachs und Bank of America auf deren Tiefstständen. Auch hier zeigte er Gespür. Die Titel haben sich seitdem vervielfacht. In den Jahren danach setzte Paulson immer mehr auf Fusionen und Zusammenschlüsse.

"Wenn es Ihnen gelingt, unterbewertete Firmen zu finden, die zu Übernahmezielen werden, können Sie attraktive Renditen erzielen", sagte er 2014 auf ­einer US-Konferenz des Investment­magazins "Alpha". Eine weitere Maxime dabei: Nicht bei einem Bieterkampf aussteigen, denn die Kurse könnten durch Gegenangebote und neu einsteigende Mitbewerber immer weiter steigen.

Seine Grundannahme: In einer stagnierenden Wirtschaftswelt mit expansiven Geldmärkten und ultratiefen Zinsen sind Übernahmen ein günstiges und oftmals das einzige Mittel, um Wachstum zu generieren. Viele Firmen verfügen dafür zudem über volle Kassen.

Wie andere aktive Hedgefonds auch hat Paulson aber zuletzt immer öfter den richtigen Zeitpunkt zum Ausstieg verpasst. Jüngstes Beispiel ist der Botox-Hersteller Allergan. Paulson ist seit vielen Jahren ­Aktionär des irischen Pharmaunternehmens und konnte sich allein zwischen 2014 und 2015 über eine Verdopplung des Aktienkurses freuen. Der Höhepunkt kam Ende vergangenen Jahres, als der US-amerikanische Pharmariese Pfizer bekannt gab, ­Allergan für 150 Milliarden Dollar zu übernehmen.

Aus heutiger Sicht wäre das wohl der beste Zeitpunkt gewesen, die Anteile zu reduzieren, doch die Fonds setzten darauf, dass eine Aufspaltung des neuen Konzerns nach der Übernahme weiteres Kurspotenzial böte. Das war auch das Kalkül von Loebs Fonds Third Point und Trian von Nelson Peltz bei der Forcierung der Fusion der beiden Chemiegiganten Dow Chemical und Dupont Ende letzten Jahres.

Doch bei Pfizer und Allergan machten die Investment-Gurus die Rechnung ohne den Wirt, der in diesem Fall auf den Namen Barack Obama hört. Denn die US-Regierung schloss kurzerhand ein Steuerschlupfloch, das den Deal erst interessant gemacht hat. Die Folge: Pfizer blies die Transaktion ab. Die Aller­gan-Aktien brachen ein. Bei 5,5 Millionen Titeln, die Paulson & Co. Ende 2015 laut US-Börsenaufsicht SEC hielt, und einem Kursverlust seit Anfang Januar von 70 Dollar je Stück, summiert sich das Minus auf satte 385 Millionen Dollar in einem Quartal.

Das ist nicht alles. Paulson ist stark im Pharma- und Gesundheitssektor engagiert, um von Übernahmen profitieren zu können. So etwa bei der kanadischen Firma Valeant, die am Markt als aggressiver Käufer auftritt. Doch zuletzt gab es kaum Erfolge. Nachdem Valeant vor wenigen Wochen eine enttäuschende Prognose für 2016 abgegeben hatte, brachen die Aktien binnen Wochen um 70  Prozent ein. Sollte Paulson die mehr als 13 Millionen Stück, die seine Fonds Ende 2015 im Depot hatten, auch zuletzt noch besessen haben, käme das einem Wertverlust von fast einer Milliarde Dollar gleich. Dazu kamen Abschläge bei weiteren Depotschwergewichten wie den Pharmafirmen Mylan, Shire und Teva von je 100 Millionen Dollar.

Milliarden verloren

Paulsens Fehlgriffe hatten sich schon vorher gehäuft: etwa beim Einstieg in die mittlerweile insolvente chinesische Holzfirma Sino-Forest, bei griechischen Banken oder mit umfangreichen Gold- und Goldmineninvestments, die letztlich nicht aufgingen. Unter dem Strich verfügte Paulson & Co. mit den eigenen Fonds, die gegenüber der SEC nicht einzeln aufgeschlüsselt werden, per Ende März noch über Aktienwerte von geschätzten 13 Milliarden Dollar. Das ist zwar kein Pappenstiel, doch vor ein paar Jahren lag das Volumen noch mehr als doppelt so hoch.

Auch anderen Stars der Szene geht es ähnlich. So verloren der Tiger Global von Julian Robertson und William ­Ackmans Pershing Square im ersten Quartal 2016 laut Angaben der Bank HSBC ­ jeweils mehr als 20 Prozent an Wert. Der Advantage Plus von Paulson war mit ­minus 15 Prozent der drittschlechteste der Liste. Alle Fonds litten besonders unter der starken Gewichtung derselben Pharmatitel. Daneben sorgt aber auch die hohe Volatilität für eine schwache bis negative Rendite. Die starken Schwankungen haben laut US-Beobachtern bei einigen Managern zu falschen Kauf- und Verkaufsentscheidungen geführt. Sprich: Die Profis haben sich verzockt, weil sie zu früh oder zu spät verkauft haben und/oder wieder eingestiegen sind.

Einigen Hedgefonds ist mittlerweile die Luft ausgegangen. Anfang des Jahres etwa schloss der rund eine Milliarde Dollar schwere New Yorker Orange Capital nach verlustreichen Vorjahren und überwies das Kapital zurück an die Investoren. Andere schlossen die Türen für externe Anleger, um fortan nur noch mit eigenem Vermögen zu spekulieren. Auch bei Paulson, der nach Erkenntnis von Brancheninsidern zu mindestens 50 Prozent mit eigenem Kapital an seinen Fonds beteiligt ist, war das erwartet worden.

Doch Paulson denkt wahrscheinlich gar nicht daran. Er steht gern in der Öffentlichkeit. Erst vor zwei Wochen erhielt er auf einer Gala des Schulnetzwerks Success Academy in New York eine Ehrung, nachdem er im vergangenen Jahr rund acht Millionen Euro dafür gestiftet hatte. Auch die Eliteuniversität Harvard bedachte der Ex-Absolventen 2015 mit einer Spende von 400 Millionen Dollar. "Es gibt nichts Wichtigeres für die Menschheit als Bildung", erklärte er. Harvard war aus dem Häuschen und damit deutlich glücklicher als die Investoren seiner Fonds, die Paulson wie einst Draghi zwar erst einmal beruhigt hat, künftig aber nur mit finanziellen Erfolgen wird halten können.

Vita:

Manager, Vater, New Yorker

John Alfred Paulson wird 1955 in New York geboren. 1980 erwirbt er den MBA-Abschluss an der Elitehochschule Harvard. Nach verschiedenen beruf­lichen Stationen etwa bei Boston Consulting und Bear ­Stearns gründet er 1994 die Investmentgesellschaft Paulson & Co., die sich auf Übernahmen, Reorganisationen von bankrotten Firmen und zerrüttete Kredite spezialisiert. 2007 gelangt er zu großer Bekanntheit als Profiteur der US-Hypothekenkrise. 2008 wurde Ex-US-Notenbankchef Alan Greenspan Paulsons exklusiver Berater. Paulson ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in New York. Sein Vermögen wird auf neun Milliarden Euro geschätzt.

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Bildquellen: Nagy Bagoly Arpad / Shutterstock.com, Pakhnyushcha / Shutterstock.com

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