Emerging-Markets-Trader Gerhard Heinrich

Korrekturgefahr: Ist die Wallstreet in ein paar Wochen fällig?

27.10.14 09:32 Uhr

Korrekturgefahr: Ist die Wallstreet in ein paar Wochen fällig? | finanzen.net

Nach einer jahrelangen Rallye sind US-Aktien äußerst anspruchsvoll bewertet. Droht jetzt an der Wallstreet eine größere Korrektur?

Werte in diesem Artikel
Rohstoffe

73,65 USD 0,69 USD 0,95%

70,38 USD 0,20 USD 0,28%

Indizes

43.297,0 PKT 390,1 PKT 0,91%

6.040,0 PKT 66,0 PKT 1,10%

Und können sich die - deutlich günstiger bewerteten - Schwellenländer -Börsen einem solchen Abschwung entziehen?

Die Hausse in den USA steht kurz davor, einen neuen Rekord aufzustellen. Denn die bisher längste Rallye, in der der breite Index S&P zu keinem Zeitpunkt um mehr als 10 Prozent korrigierte, lief von Juli 1984 bis August 1987 - und damit genau 1127 Tage. Zum Vergleich: Heute befinden wir uns am Tag 1115 der derzeitigen Rallye. Angesichts einer solch langen ununterbrochenen Aufwärtsbewegung stellt sich die Frage, ob es nicht an der Zeit ist für eine stärkere Korrektur.

Warnsignale gibt es durchaus einige: Zum Beispiel wurde in den vergangenen Wochen der fast zwei Jahre andauernde steile Aufwärtstrend beim S&P 500 nach unten durchbrochen. Zudem hat der Technologieindex Nasdaq Composite vor der jüngsten Korrektur fast punktgenau auf dem Level Halt gemacht, der vor einigen Jahren der Höhepunkt in der New-Economy-Blase war. Innerhalb von fünf Jahren hat sich der Nasdaq Composite fast verdreifacht. Und die neuesten Quartalsberichte aus dem Technologiesektor waren nicht annähernd so gut, wie es der Jubel über einige wenige Zahlenwerke von Konzernen wie Apple oder Microsoft vermuten lassen würde.

Noch stärkere Warnsignale kommen allerdings aus dem Rohstoffsektor: Der Erdölpreis ist seit Juni von knapp 115 USD je Barrel auf nur noch 84 USD je Barrel eingebrochen. Auch der ohnehin am Boden liegende Preis für Eisenerz befindet sich an den Weltmärkten im freien Fall und erreichte jüngst ein 5-Jahres-Tief. Zwar werden sich die Preisrückgänge für Energierohstoffe und Baumaterialien in vielen Ländern wie ein Konjunkturprogramm auswirken. Sorgen bereitet mir aber das schnelle Tempo des Preisverfalls. Es zeigt, dass sich irgendetwas in der Weltkonjunktur ziemlich negativ entwickeln muss.

Vieles deutet darauf hin, dass das Problem im Fernen Osten liegt: Laut der China Iron & Steel Association (CISA) sind die lokalen Stahlpreise in China zwölf Wochen in Folge gefallen. Chinas Stahlkonzerne haben inzwischen damit begonnen, die Weltmärkte mit ihren Produkten zu fluten. So explodierten die Stahlexporte Chinas im Jahresvergleich um 73% auf einen neuen Rekordwert von 8,52 Mio. Tonnen im September. Gleichzeitig lahmt vor allem die heimische Bauwirtschaft, die bisher einer der Wachstumstreiber in China war. Immer mehr Baukräne stehen dort still.

Die Notenbanken erschweren die Markteinschätzung

Normalerweise würde ich mich in einer solchen Marktsituation klar auf eine Korrektur in den USA einstellen. Wir leben allerdings nicht in normalen Zeiten: Denn schon seit fünf Jahren werden die amerikanischen Finanzmärkte durch die Quantitative-Easing-Politik regelrecht mit Geld überflutet. Das ist eine völlig neue Konstellation an den Börsen. Und wenn dem Markt über eine so lange Zeit kostenlos Liquidität zur Verfügung gestellt wird, dann ist es natürlich auch denkbar, dass die Rekordrallye aus den achtziger Jahren noch einmal deutlich in den Schatten gestellt wird.

Die Emerging Markets stehen viel besser da

An den Börsen der Emerging Markets ist die Situation allerdings völlig konträr. Denn diese befinden sich nicht im Rallye-Modus, sondern seit fast acht Jahren in einer ausgesprochen stark ausgeprägten Seitwärtsbewegung. Und der aktuelle Punktestand beim MSCI Emerging Markets Index ist auch nicht Ausdruck einer Überhitzung, sondern wurde seit Frühjahr 2007 schon mehr als 40 mal (!) erreicht.

Anders als an der Wallstreet wäre es bei den Schwellenländer-Börsen also töricht, von einer überfälligen Korrektur zu sprechen. Und auch die niedrigen Bewertungen in den Emerging Markets sprechen kaum für eine größere Korrektur, sondern vielmehr für eine nachhaltige Aufwärtsbewegung in den kommenden Jahren (Mehr zur Bewertungs-Situation in den Schwellenländern im Hinblick auf das Shiller-KGV - und zu den Schlüssen, die sich im historischen Vergleich daraus ziehen lassen - finden Sie in der aktuellen Ausgabe des EMERGING MARKETS TRADER).

Selbst für den chinesischen Markt rechne ich übrigens trotz aller Probleme im Bausektor mit keiner größeren Korrektur mehr. Der Hang Seng China Enterprise Index befindet sich aktuell stabil in einem achtjährigen Seitwärtstrend und ist mit einem KGV von 7,7 auf Basis der letzten vier Quartalsergebnisse so günstig bewertet wie fast noch nie zuvor. Nur in den Jahren 2001 und 2002 notierte der Index für eine längere Zeit auf einem vergleichbar niedrigen Niveau. Das war dann allerdings auch der Ausgangspunkt für eine Rallye um mehr als 900 Prozent innerhalb von nur fünf Jahren!

Mein Fazit:

Die US-Börsen sind wegen der laufenden Notenbank-Politik schwer einzuschätzen, aber eine Fortsetzung der Rallye ist im Bereich des Möglichen. Für die Emerging-Markets-Börsen wiederum kann definitiv Entwarnung gegeben werden. Zwar folgen diese kurzfristig oft den Vorgaben von der Wallstreet. Im Gegensatz zu den USA sind die Schwellenländer-Börsen aber weder überhitzt noch teuer. Im Gegenteil: Über kurz oder lang ist hier ein positiver Ausbruch aus dem langjährigen Seitwärtstrend überfällig.

Florian Schulz ist ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Emerging Markets und Chefredakteur des Emerging-Markets-Trader Börsenbriefs. Mehr Infos unter: www.emerging-markets-trader.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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