China - Droht eine harte Landung?
Seit der Finanzkrise von 2008 leistet China mit Abstand den größten Beitrag zum ...
... globalen Wirtschaftswachstum - und auf einigen Rohstoffmärkten ist die Volksrepublik längst zur klar dominierenden Marktkraft geworden. Es ist daher keine Übertreibung, wenn ich behaupte, dass in China aktuell der Schlüssel zur Entwicklung der Weltwirtschaft liegt.
In dieser Hinsicht muss einem Aktienanleger momentan bange werden. Denn in den vergangenen Wochen gehörten chinesische Aktien und Rohstoffaktien zu den größten Verlierern an der Börse; und die nicht zu übersehenden Zeichen einer fernöstlichen Konjunkturabschwächung haben wieder einmal alle „China-Crash-Propheten“ auf den Plan gerufen. Sie verkünden schon seit vielen Jahren, dass eine „harte Landung“ der chinesischen Weltwirtschaft bevorsteht, und sehen nun den Augenblick der Wahrheit gekommen.
Beruhigendes Zeichen: starke Leistungsbilanz!
Doch steht uns wirklich eine schwere China-Krise ins Haus? Insbesondere die extreme Stärke von Chinas Wirtschaft im internationalen Vergleich spricht klar dagegen. Denn wer auf die Geschichte der Finanzkrisen in der Welt zurückblickt, wird feststellen, dass der Großteil dieser Krisen Länder heimsuchte, die über einen längeren Zeitraum hinweg eine negative Außenbilanz auswiesen. Bei genauerer Betrachtung wird man überdies feststellen, dass die schwersten Krisen stets jene Länder überrumpelten, die über längere Zeit ein außergewöhnlich hohes Leistungsbilanzdefizit verzeichneten.
Es ist kein Zufall, dass die Eurokrise gerade in jenen südeuropäischen Ländern besonders tobt, die in den 2000er Jahren eine stark negative Leistungsbilanz entstehen ließ. Die wettbewerbsfähigen Länder aus Nordeuropa haben dagegen dank der positiven Leistungsbilanz so gut wie keine systemischen Probleme.
In dieser Betrachtung ist China heute weit von einer Finanzkrise entfernt: Die Leistungsbilanz des Landes wies in den vergangenen zwölf Monaten einen Überschuss (!) von 197,6 Milliarden USD auf - und seit 2005 häufte sich in der Volksrepublik insgesamt ein in der Weltgeschichte noch niemals gesehener Leistungsbilanzüberschuss von fast 2 Billionen USD an. Zum Großteil basiert dieser Wert auf dem Handelsbilanzüberschuss - dem wohl besten Indikator für eine starke Wettbewerbsfähigkeit!
Chinesen sind Sparweltmeister!
Der hohe Leistungsbilanzüberschuss wirft übrigens auch ein völlig anderes Licht auf die hohe Investitionsquote von fast 50 % des BIP, die in aller Regel als Auslöser für eine Krise gehandelt wird. Denn per Definitionem ist die Leistungsbilanz eines Landes mit der Differenz zwischen Ersparnis und Investitionen im Inland gleichzusetzen. Wird in einem Land mehr gespart als investiert, so fließt das überschüssige Kapital ins Ausland, und es bildet sich ein Leistungsbilanzüberschuss.
Es überrascht Sie daher sicher nicht, dass in China der enormen Investitionsquote auch eine unglaublich hohe Sparquote gegenübersteht. So ist die Investitionsquote zwar von 35,3 % des BIP im Jahr 2000 auf 48,6 % im Jahr 2010 gestiegen, die Sparquote stieg im gleichen Zeitraum aber noch stärker - von 37% des BIP auf atemberaubende 53,9 % des BIP.
Hohe Sparguthaben übertreffen die Schulden
Die sparsame Mentalität in China findet einerseits in den mittlerweile auf 3,2 Billionen USD angestiegenen Fremdwährungsreserven ihren Ausdruck, andererseits aber auch im Bankensystem. So lagen Ende Februar im Bankensektor Chinas insgesamt 81,74 Billionen Yuan (12,9 Billionen USD) an Kontoeinlagen. Dieser Wert übertrifft nicht nur die vergebenen Kredite chinesischer Banken deutlich, sondern in Dollar gerechnet sogar auch die Kontoeinlagen im amerikanischen Bankensektor - obwohl das Bruttoinlandsprodukt der USA immer noch mehr als doppelt so hoch ist wie das von China.
Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass das chinesische Volk vergleichsweise ungern sein Geld auf Konten einlagert. Laut dem chinesischen Statistikamt besitzen in den Städten 89 % (!) der Chinesen eine Immobilie (bei einem Verhältnis von Immobilienkrediten zum Bruttoinlandsprodukt von gerade einmal 15 %). Gleichzeitig horten die Chinesen abseits des Bankensystems insgesamt Barmittel in Höhe von rund 25 Bio. Yuan (4 Bio. USD!).
Mein Fazit:
Chinas Haushalte sind ausgesprochen solvent, und die Außenbilanz Chinas ist nach wie vor hervorragend. Eine tiefe Krise, wie wir sie derzeit in Südeuropa sehen, ist daher sehr unwahrscheinlich. Zudem wird die chinesische Regierung mit den bevorstehenden Konjunkturprogrammen alles dafür tun, um die Sparquote der Bevölkerung zu senken - und so den Konsum zu stärken.
Florian Schulz ist ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Emerging Markets und Chefredakteur des Emerging-Markets-Trader Börsenbriefs. Mehr Infos unter: www.emerging-markets-trader.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.