Draghi: EZB denkt noch nicht an Normalisierung der Geldpolitik
Die Europäische Zentralbank (EZB) denkt nach den Worten ihres Präsidenten Mario Draghi noch nicht an eine Normalisierung ihrer Geldpolitik.
In seiner Pressekonferenz nach der Ratssitzung in Tallinn sagte Draghi auf die Frage, ob über eine derartige Normalisierung diskutiert worden sei: "Die Antwort ist nein." Auf eine ähnliche Frage antwortete er: "Das wurde nicht diskutiert."
Zuvor hatte die EZB beschlossen, Leitzinsen und Wertpapierkäufe unverändert zu lassen. Zugleich ließ sie jedoch ihre Prognose fallen, dass die Zinsen weiter sinken könnten. Stattdessen heißt es im aktuellen Statement, dass die Leitzinsen für längere Zeit - und zwar weit über die Zeitdauer von Wertpapierkäufen hinaus - auf dem aktuellen Niveau bleiben dürften.
Draghi: Zinssenkung derzeit unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen
Draghi zufolge schließt die EZB aber weitere Zinssenkungen nicht aus. "Basierend auf den aktuellen Einschätzungen und Informationen rechnen wir derzeit nicht damit, dass die Zinsen sinken", sagte er. Sollten sich die Dinge allerdings verschlechtern, sei durchaus eine Zinssenkung möglich.
Draghi erklärte die Streichung des "Easing Bias" bei den Zinsen damit, dass die Deflationsrisiken geschwunden seien. Draghi sagt weiter, dass sich der EZB-Rat nun auf die Stärke seines Ankaufprogramms verlasse. Die Vorschläge zur Änderung der Kommunikation seien im Rat nicht auf Widerspruch gestoßen.
Die Forward Guidance zu dem Ankaufprogramm hatte der EZB-Rat unverändert gelassen. Draghi sagte dazu in seiner Erklärung: "Sollte sich der Ausblick eintrüben oder sollten sich die Finanzierungsbedingungen in einer Weise verändern, die dem Ziel einer nachhaltig höheren Inflation zuwiderlaufen, würde der EZB-Rat Volumen und/oder Dauer des Ankaufprogramms erhöhen."
EZB vertraut nun voll auf ihr Ankaufprogramm
"Der Arbeitsmarkt wird enger werden und die Output-Lücke wird sich schließen", prognostizierte er. Die EZB müsse nun einerseits geduldig, andererseits zuversichtlich sein. Der Schlüssel zu einem höheren grundlegenden Inflationsdruck liege in der Lohnentwicklung, die derzeit von verschiedenen Faktoren gebremst werde. Draghi verwies darauf, dass derzeit zwar die Erwerbsbeteiligung wachse und neue Jobs entstünden, dass viele dieser Jobs aber von "niedriger Qualität" seien, zum Beispiel befristete oder Teilzeittätigkeiten.
Zuvor hatte die EZB ihre Prognosen für die Inflationsentwicklung im Euroraum spürbar gesenkt, zugleich aber die Wachstumsprognosen leicht angehoben und sich optimistischer zu den Wachstumsrisiken geäußert. Laut Draghi rechnet die EZB für 2017 nun mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 1,5 Prozent. Im März hatte sie noch 1,7 Prozent Teuerung erwartet. Die Prognose für 2018 wurde auf 1,3 (1,6) Prozent und die für 2019 auf 1,6 (1,7) Prozent reduziert.
EZB lässt Prognose für Kerninflation 2017 bei 1,1 Prozent
Die Prognosen für die Kerninflation sanken etwas weniger deutlich. Die Prognose für den Anstieg der Verbraucherpreise ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise sowie ohne die Änderung indirekter Steuern blieb bei 1,1 Prozent. Die Prognose für 2018 wurde aber auf 1,4 (bisher: 1,5) Prozent und die für 2019 auf 1,7 (1,8) Prozent reduziert.
Insgesamt sind die Inflationsaussichten aus Sicht des EZB-Rats schwach genug, um die sehr lockere Geldpolitik bis auf weiteres fortzuführen. "Es ist weiterhin eine substanzielle geldpolitische Akkommodation erforderlich, damit sich ein grundlegender Inflationsdruck aufbauen und die Gesamtinflation mittelfristig stützen kann", sagte der EZB-Präsident.
DJG/hab/apo
TALLINN/FRANKFURT (Dow Jones)
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