Das Zins-System

Warum gibt es eigentlich Zinsen?

18.06.17 20:36 Uhr

Warum gibt es eigentlich Zinsen? | finanzen.net

Die US-Notenbank hat ihren Leitzins angehoben und stieß damit an den Finanzmärkten weitgehend auf Zustimmung. Aufgrund der Finanzkrise war in den letzten Jahren scheinbar von vielen verdrängt worden, dass es handfeste volkswirtschaftliche Gründe für die Existenz von Zinsen gibt.

Zinsen sind ein Entgelt, welches ein Gläubiger dafür erhält, dass er einem Schuldner vorübergehend Kapital überlässt. Im volkswirtschaftlichen Sinne ist der Zins von entscheidender Bedeutung für den sinnvollen Einsatz von Ressourcen. Da Produktionsfaktoren wie Arbeit, Kapital, Boden und Rohstoffe knapp sind, muss eingeplant werden, wie sie am besten zum Einsatz kommen, um das beste Ergebnis für die Gesellschaft zu erzielen.

Der Zins erfüllt dabei die entscheidende Aufgabe aufzuzeigen, welche der unzähligen Bedürfnisse befriedigt werden sollen, denn unterschiedliche Renditeniveaus sind volkswirtschaftlich ein Indikator für die Knappheit. In einem Null-Zins-Marktumfeld ist diese wichtige Steuerungsfunktion außer Kraft gesetzt, was zur Folge hat, dass Ressourcen ineffizient eingesetzt werden. Konkret bedeutet dies etwa, dass Kapital in Unternehmen fließt, die in einem gesunden Marktumfeld nicht bestehen könnten.

John Maynard Keynes und der Zins

Laut dem Briten John Maynard Keynes, einem der bedeutendsten Wirtschaftswissenschaftler des 20. Jahrhunderts und Begründer des sogenannten Keynesianismus, präferieren Menschen grundsätzlich den Besitz von Geld. Er begründet dies damit, dass Geld überall und jederzeit problemlos als Zahlungsmittel verwendet werden kann.

Wer Geld verleiht, verzichtet auf diesen Vorteil und lässt sich dies belohnen. Zinsen stellen somit den Preis für den Verzicht auf Liquidität dar. Nach der Theorie von J. M. Keynes wird Geld aufgrund der sogenannten Liquiditätspräferenz so lange gehortet, bis der Zins dem Kreditgeber hoch genug erscheint.

Kritik am Zins-System

Schon in der Antike gab es Kritik an der Idee "Zinsen". Kein geringerer als der berühmte Philosoph Aristoteles bezeichnete sie als widernatürlich: Er bemängelte, dass Zinsen ein Gewinn aus dem Münzgeld selber sind, und nicht aus der Verwendung, für die es eigentlich geschaffen wurde - nämlich der Erleichterung des Tauschhandels.

Auch Karl Marx, der einflussreichste Theoretiker des Kommunismus, sah Zinsen negativ. Für ihn waren sie ein Teil des Mehrwerts, also der Differenz zwischen dem Warenwert und dem Wert der zur Herstellung eingesetzten Arbeit und Rohstoffe. Deshalb betrachtete er Zinsen als Ausdruck der Ausbeutung der Arbeiter durch die Kapitalisten.

Eugen von Böhm-Bawerk widerspricht Marxisten

Der österreichische Ökonom Eugen von Böhm-Bawerk trat jedoch dieser These von Karl Marx entgegen. Er erklärte, dass Arbeit bei der Herstellung von Maschinen nützlich eingesetzt wird, weil mit Hilfe dieser Maschinen die künftige Produktivität gesteigert wird. Jedoch benötigt der Unternehmer hierfür Kapital. Der Gläubiger, der Kapital zu Verfügung stellt, wird an der geschaffenen, zusätzlichen Ergiebigkeit der Arbeit in Form von Zinsen beteiligt.

Laut Böhm-Bawerk sind Zinsen dabei jedoch nicht der Preis des Geldes und nicht Teil des Mehrwerts, sondern der Preis für die Zeit. Schließlich muss der Kapitalgeber seinen Konsum verschieben, um Geld verleihen zu können.

Notenbanken und Zinsen

Die wichtigsten Ziele der internationalen Notenbanken sind in der Regel, die Preisniveaustabilität sowie ein angemessenes Wirtschaftswachstum zu gewährleisten. Zur Erreichung dieser Ziele sind die Leitzinsen ein entscheidendes Instrument.

Mittels des Leitzinses nehmen die Währungshüter indirekt Einfluss auf die umlaufende Geldmenge. Diese wirkt sich wiederum auf die Investitionen, die Nachfrage nach Gütern und die Inflation aus. Mit ihrer Null-Zins-Strategie bemüht sich etwa die Europäische Zentralbank (EZB) schon seit vielen Monaten, Konsum und Investitionen anzukurbeln.

Altersvorsorge in Gefahr

Mit seiner Politik des billigen Geldes schafft EZB-Präsident Mario Draghi jedoch auch neue Probleme: Millionen Sparer müssen um ihre private Altersvorsorge bangen, weil ihre privaten Lebens- und Rentenversicherungen, die in der Regel eher konservativ investiert sind, kaum noch Zinsen erwirtschaften. Dies dürfte langfristig zu einem bedeutenden Problem werden.

Die Alternative ist, dass Sparer Anlageformen wählen, die mehr Rendite erzielen. Bei diesen besteht jedoch die Gefahr von stärkeren Wertschwankungen.

Religiöse Zinsverbote

Auch das Thema Ethik kommt bei der Zinsfrage mit ins Spiel. So wird in einigen islamischen Staaten die Scharia, die religiöse Gesetzessammlung des Islam, so ausgelegt, dass jegliche Zinsen mit Wucher gleichzusetzen und somit verboten sind. Dass dieses Zinsverbot in der Praxis allerdings umgangen wird, unterstreicht nur die enorme Bedeutung von Zinsen im Wirtschaftsleben.



Redaktion finanzen.net

Bildquellen: BsWei / Shutterstock, Sergey Nivens / Shutterstock