System der Staatenfinanzierung auf der Kippe
Nachdem sich die Politiker in ihrer Reaktion auf die 2008er-Krise in eine Sackgasse ...
... manövriert haben, bleiben einzig die Notenbanken übrig, um das Funktionieren des Banken- und Wirtschaftssystems, so wie wir es bisher kennen, zu sichern. Würden die Notenbanken nicht seit drei Jahren praktisch unbegrenzte Liquidität für das Bankensystem zur Verfügung stellen und gleichzeitig durch Ankäufe von Staatsanleihen und Bankschuldverschreibungen intensiv an den Anleihemärkten eingreifen, so wäre es bereits zum Stillstand gekommen.
Längst geht es nicht mehr um den Crash am amerikanischen Immobilienmarkt und die daraus entstandenen Schieflagen bei Banken. Der Konjunktureinbruch 2009 hat in erschreckendem Maße aufgedeckt, wie labil das gesamte System der Staatenfinanzierung aufgebaut ist. Konjunkturpakete und Bankenrettungskosten haben in einer Reihe von Ländern die Budgetdefizite explodieren lassen und zu großen Fragezeichen geführt, wie denn diese steigenden Verschuldungsquoten finanziert werden sollen. Dort, wo die Abhängigkeit von externen Investoren am größten und die Fundamentaldaten am schwächsten sind, dort sind die Verwerfungen am stärksten. Nur die Einbettung in das Eurogebiet hat Irland, Portugal und Griechenland bisher vor dem sicheren Staatsbankrott gerettet. Aber damit ist die nächste Sollbruchstelle aufgetaucht: Wie lange können die vermeintlich starken Euroländer diese Belastungen tragen? Und wie stark sind sie wirklich? Die Tatsache, dass Spanien und Italien jeweils mehr als 100 Mrd. Euro für den Rettungsfonds EFSF aufbringen müssen, obwohl sie selbst an der Kippe zum Rettungskandidaten stehen, zeigt die Tragik der Geschichte. Und auch das Standing von Frankreich kommt immer stärker unter Druck. Schwache Wirtschaftsdaten, ein angeschlagener Bankensektor und faule Kredite bei den Städten und Gemeinden, die jetzt zur Abwicklung der Staatsfinanzierungsbank Dexia führen, lassen Frankreich zu Recht um sein AAA-Rating bangen. Was aber wird passieren, wenn die Bonitäten und damit auch die Finanzierungskosten von Deutschland und Frankreich deutlich auseinander laufen? Wie stark können dann Berlin und Paris noch als Tandem den Rest der Eurozone anführen?
EZB mutiert zum Handlanger der Politik
Gleichzeitig scheint die Nachfrage weltweit schon wieder rückläufig zu sein. So stark, dass der Traum der Politiker, aus den Schulden schrittweise herauszuwachsen, nicht realisierbar erscheint. Weitere Konjunkturpakete auf Pump sind nicht mehr darstellbar. Die Zinsen sind zwar in den noch mit Investorenvertrauen ausgestatteten Ländern historisch tief, nicht jedoch in den Krisenländern, wo die größten Defizite drücken. Es ist daher logisch, dass die Politik die Notenbanken in die Pflicht nimmt. In Japan ist das schon seit 15 Jahren so und in den USA hat man sich auch an die Gelddruckmaschine Ben Bernanke gewöhnt. Im Europa hat der scheidende EZB-Präsident Trichet am Ende seiner Laufbahn kapituliert. Direkte Käufe von Anleihen durch die Europäische Zentralbank wurden als einmaliges Programm dargestellt. Nachdem Donnerstag eine Neuaufnahme dieses Programms angekündigt wurde, wissen wir, dass es zur Dauereinrichtung wird, um den Zinsmarkt zu manipulieren - so wie das die US-Notenbank schon seit Jahren macht. Unbegrenzte Liquiditätsversorgung für die Banken hat Trichet angekündigt, nachdem zwei Tage vorher die Politik Maßnahmen zur Stützung der europäischen Banken in Aussicht gestellt hatte. Hier scheint es inzwischen eine direkte Befehlskette von Berlin/Paris nach Frankfurt zu geben. Mit Weber und Stark sind die letzten Bundesbanker klassischer Prägung aus dem Machtzentrum der europäischen Geldpolitik ausgeschieden. Mit Weidmann, Asmussen und Draghi kommen Vertrauensleute von Frau Merkel und ein Vertreter der Achse Rom/Paris auf das Spielfeld. Die Politik hat sich damit auch in Europa der Geldpolitik bemächtigt.
Es ist zu erwarten, dass diese Akteure sowohl die kurzfristigen Zinsen historisch tief halten werden - für den Dezember ist sogar mit einer Leitzinssenkung in Euroland zu rechnen - als auch alles versuchen werden, die langfristigen Zinsen tief zu halten. Diese Strategie verfolgt ja auch Herr Bernanke in den USA. Mit diesen niedrigen Zinsen wird Zeit gewonnen, um die Defizite finanzierbar zu halten. Für die privaten Sparer bedeutet das allerdings bei Inflationsraten von 3% eine negative Realverzinsung und wirkt wie eine Steuer auf Vermögen. Die Sparer stellen - direkt über Anleihekäufe oder indirekt über ihre Altersvorsorge durch Lebensversicherungen und Fonds - den Regierungen zu viel Geld zu zu tiefen Zinsen zur Verfügung.
Immobilienkäufer profitieren durch extrem tiefe Zinsen
Die positive Kehrseite allerdings sind auch niedrige Zinsen für Baugeld. Hier kann der Kunde mit guter Bonität, ähnlich wie Deutschland auf Staatsebene, zu extrem tiefen Zinsen finanzieren. Diese Chance gilt es zu ergreifen, ist doch der Kauf eines Eigenheims kein Konsum, sondern eine Investition in Substanz und deckt dazu noch die größte Ausgabe im Alter ab. Wichtig dabei bleibt, die aktuell tiefen Zinsen für höhere Tilgungen und damit für eine schnellere Entschuldung zu nutzen. Langfristig auf zu hohen Schulden zu sitzen, ist kein gutes Rezept - wie uns die Staaten gerade aufzeigen.
Tendenz:
Kurzfristig: seitwärts
Mittelfristig: seitwärts
Der Interhyp-Zinskommentar vom 7. Oktober 2011 von Robert Haselsteiner - Gründer und Zinsexperte der Interhyp AG
Interhyp, der größte Vermittler für private Baufinanzierungen in Deutschland vergibt selbst keine Darlehen, sondern wählt unabhängig aus über 200 Banken die optimale Finanzierungslösung aus. Für eine persönliche Beratung vor Ort sind an bundesweit 21 Standorten über 250 Interhyp-Berater erreichbar.
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