Onlinebroker im Zertifikate-Test: Günstig ist noch lange nicht gut
Zertifikate sind besser als ihr Ruf. Doch nicht jeder Onlinebroker, der privaten Anlegern den Handel mit den Derivaten bietet, ist seine Gebühren wert.
von Markus Hinterberger, Euro am Sonntag
Zertifikate? Das sind doch diese Dinger, mit denen Zigtausende deutsche Anleger 2008 im Zuge der Pleite der amerikanischen Bank Lehman Brothers Millionen verloren haben. Seitdem bemühen sich Banken, den angeschlagenen Ruf der Zertifikate wieder aufzupolieren.
Nach Zahlen des Deutschen Derivateverbands (DDV), dem Dachverband der Branche, haben die Deutschen derzeit gut 101 Milliarden Euro in Zertifikate investiert. Vor drei Jahren war es ein knappes Viertel weniger. Der Löwenanteil des Geldes steckt in Kapitalschutzpapieren. Das sind Produkte, die dem Anleger (sofern die Bank nicht pleitegeht) garantieren, dass er am Ende der Laufzeit das eingesetzte Kapital wieder zurückbekommt.
Während Bankberater in der Filiale Zertifikate meist mit spitzen Fingern anfassen, setzen laut DDV immer mehr Anleger, die ihre Finanzen selbst verwalten, auf diese Produkte. Sie suchen im Internet nicht nur Handelsplätze, sondern auch wichtige Informationen. Daher haben Onlinebroker ihr Infoangebot ausgeweitet. Von Webinaren, in denen sich Anleger am heimischen Rechner schulen, bis hin zu Treffs, bei denen sie Profi-Tradern über die Schulter schauen können.
Doch das beste Infoprogramm bringt wenig, wenn die Handelsplattformen zu unübersichtlich sind, bestimmte Zertifikate erst gar nicht angeboten werden oder die Preise zu hoch sind. €uro am Sonntag hat das Angebot von zwölf Onlinebrokern rund um Zertifikate untersucht. Dabei kam es vor allem auf die Produktinformationen und den Handel an, aber auch auf die Kosten und die Nutzerfreundlichkeit der Seiten. Darüber hinaus konnten die Onlinebroker noch mit ihren Lehrangeboten und ihrem Service punkten. Insgesamt haben unsere Tester der Düsseldorfer Agentur Vierpartner 200 Einzelkriterien abgefragt. Um Fortbildungsangebote und Service zu prüfen, haben Testkunden die Broker per Telefon und E-Mail kontaktiert und bewertet, wie schnell ihnen geantwortet wurde und ob ihr Gegenüber im Servicecenter die Fragen klären konnte.
Zum Weiterlesen:
Was kosten Zertifikate?
Nur zwei Broker sind "sehr gut"
Das Ergebnis ist durchwachsen. Nur zwei Banken, die DAB Bank und Cortal Consors, konnten mehr als
80 von 100 möglichen Punkten erreichen und sich so die Note "sehr gut" sichern. Zwei weitere Broker, Maxblue und Comdirect, kamen immerhin auf die Note "gut".
Auf der anderen Seite gab es viele schwache Ergebnisse. Einige Broker sind in einem Teilbereich spitze, in einem anderen aber unter den Letzten. Sechs Anbieter bekamen zwar die Note "befriedigend", aber diese Kandidaten erzielten nur 60 Prozent der Punkte, die die Sieger auf sich vereinten.
Im wichtigsten Teilbereich, "Produktinformation und Handel", der mit 30 Prozent in die Gesamtwertung einging, setzte sich Cortal Consors durch. Auf den Rängen folgten Comdirect, DAB Bank und Maxblue. Der nächstplatzierte Anbieter, Trading-house.net, musste sich schon mit einer Drei zufriedengeben. In dieser Kategorie ging es darum, welche Informationen zu Zertifikaten angeboten werden und welche Ordertypen zur Verfügung stehen. Eine Stop-Loss-Order, mit der sich Investoren vor fallenden Kursen schützen können, bieten alle Broker an. Sucht man Varianten, mit deren Hilfe man zwei unterschiedliche Orders platziert, von denen je nach Marktsituation nur eine ausgeführt wird, wird es bei vielen Anbietern dünn. Ganz hinten landete Flatex. Kunden dieses Brokers können ihre Zertifikate nur an deutschen Börsen handeln, im Ausland nicht.
Ein Fünftel der Gesamtwertung machen die Kosten aus. Hier konnte Flatex als nach der DAB Bank Zweitplatzierter punkten. Um einen Preisvergleich zu ermöglichen, haben wir zwei fiktive Typen von Zertifikateanlegern zugrunde gelegt. Der "Einsteiger" tätigt 20 Orders im Jahr für im Schnitt 2000 Euro, sein Depotvolumen liegt durchschnittlich bei 30 000 Euro. Dieser Anleger zahlt bei Flatex 138,22 Euro, bei Brokerjet und der DAB Bank jeweils 139 Euro. Am meisten, nämlich 221,40 Euro, zahlt er bei Comdirect. Die Onlinetochter der Commerzbank gehört auch beim zweiten Musterkunden, dem "Vieltrader", zu den teuersten. Für 100 Orders mit einem durchschnittlichen Volumen von 8000 Euro und einem Depotvolumen von 100.000 Euro im Schnitt werden jährlich 2513,40 Euro fällig. Noch mehr, und zwar 2590 Euro, verlangt nur S Broker. Bei Brokerjet, DAB Bank und Flatex würde der Vieltrader nur knapp ein Viertel dieser Summe zahlen: 695 Euro. Besonders interessant ist die Differenz von Flatex, dem Drittplatzierten, gegenüber Trading-House: Der Viertplatzierte verlangt fast 300 Euro mehr. Noch krasser der Sprung zwischen Netbank auf Platz 5 und ING-DiBa auf Rang 6: Während die Netbank 1000 Euro verlangt, zahlen Vieltrader bei ING-DiBa bei gleichen Orders und Volumen 2000 Euro.
Bei den übrigen Kategorien "Orientierung", "Information und Schulung" sowie "Kundenservice", die mit 20 Prozent respektive mit jeweils je 15 Prozent in die Gesamtwertung einflossen, zeigte sich, wie unterschiedlich die Broker sind.
Bei der Orientierung, also der Übersichtlichkeit und Nutzbarkeit der Website, fiel der Anbieter S Broker, der insgesamt eher schlecht abschnitt, positiv auf. Anleger, die möglichst viel über den Umgang mit Zertifikaten lernen wollen, sind bei Maxblue am besten aufgehoben. In Sachen Kundenservice war bei den Testanrufen und E-Mails kein Broker überzeugend genug, um sich für ein "sehr gut" zu qualifizieren.
Auf den Typus kommt es an
Zu guter Letzt wurde das Gesamtergebnis noch einmal für die beiden Testkunden, den Einsteiger und den Vieltrader, gewichtet. Unter diesen Voraussetzungen setzte sich dank seiner sehr guten Schulungsmöglichkeiten und des reichhaltigen Infoangebots Maxblue beim Einsteiger durch. Vieltrader setzen hingegen mehr auf ein breites Angebot und eine Handelsplattform, die schnell und einfach zu bedienen ist. Hier entschied die DAB Bank das Rennen für sich. Für die Münchner sprachen vor allem die im Vergleich zu Comdirect und Cortal Consors geringen Kosten.
Dass aber niedrige Gebühren nicht automatisch einen guten Platz in der Tabelle garantieren, zeigt Flatex. Auch wenn der Kulmbacher Broker sehr günstig ist, stand er bei beiden Anlegertypen weit hinten. Das Preis-Leistungs-Verhältnis war einfach zu schwach. Zwölf Broker hat €uro am Sonntag gemeinsam mit der Düsseldorfer Agentur Vierpartner von Anfang April bis Anfang Mai unter die Lupe genommen. Die zwölf Anbieter stellen mehr als 90 Prozent des Gesamtmarkts der Onlinebroker in Deutschland. Kleine, auf Vieltrader spezialisierte Häuser wie Sino blieben bewusst außen vor.
200 Kriterien umfasste der Testkatalog. Im ersten Schritt sollten die zwölf Onlinebroker einen Fragebogen ausfüllen, in dem nach dem Lehr- und Fortbildungsangebot für Anleger, die Handelsplattform (angebotene Produkte, Börsenplätze, Ordermöglichkeiten), allgemeine Kosten und Kosten für die Beispielfälle "Einsteiger" und "Vieltrader" (siehe Haupttext), gefragt wurde.
Darüber hinaus wurde der vorliegende Test so konzipiert, dass auch einzelne Zertifikate-Broker bewertet wurden, die den Fragebogen nicht zurückgeben wollten oder konnten. In diesem Fall wurden fehlende Informationen durch Internetrecherche und anonyme Testkäufe per Telefon sowie E-Mail ergänzt.
Hier geht's zu den Testergebnissen (zweiteilig als PDF):
Ergebnisse Teil 1
Ergebnisse Teil 2
Investor-Info
Aktienanleihen
Hier erhalten Anleger unabhängig von der Wertentwicklung des Basiswerts eine Zinszahlung (Kupon). Art und Höhe der Rückzahlung hängen davon ab, ob der Basiswert (Aktie, Index etc.) am Bewertungstag auf, über oder unter dem zuvor festgelegten Basispreis liegt. Erreicht der Basiswert mindestens den Basispreis, erhält der Anleger den Nennbetrag zurück.
Basiswert So wird jener Wert bezeichnet, auf den sich Aktienanleihen, Zertifikate, Optionen oder Futures beziehen. Bei einem Indexzertifikat auf den DAX ist also der DAX der Basiswert. Im Fachjargon wird der Basiswert auch Underlying genannt.
Basket-Zertifikate
Diese Zertifikate investieren, wie der Name schon sagt, in einen Korb (engl. "basket") von Wertpapieren. Die Auswahlkriterien sind im Vorfeld festgelegt, die Wertpapiere im Korb können aber bei einem aktiven Basket wechseln. Bei einem passiven Basket bleiben sie unverändert. So können Anleger mit einem solchen Papier in Länder oder Branchen investieren. Entsprechend dem Bezugsverhältnis erwirbt der Anleger einen Bruchteil dieses Korbs.
Bonuszertifikat Hier zählen zwei wichtige Parameter: die Barriere, auch Sicherheitslevel genannt, und das Bonuslevel. Hat der Basiswert (meist eine Aktie oder ein Index) während der Laufzeit des Zertifikats die Barriere nie berührt, erhalten Anleger mindestens die versprochene Bonuszahlung. Notiert der Basiswert am Ende der Laufzeit über dem Bonuslevel, gibt es mehr. Fällt die Aktie oder der Index während der Laufzeit unter die Barriere, entfällt der Bonus. Bonuszertifikate gibt es in unterschiedlichen Varianten. Die häufigste hat einen Cap, also eine Gewinnobergrenze. Dafür ist der Sicherheitspuffer größer.
Discountzertifikat Mit einem solchen Papier können Anleger einen Basiswert zu einem reduzierten Preis kaufen. Der Rabatt wirkt gleichzeitig als Sicherheitspuffer gegen Kursrückgänge. Im Gegenzug ist die maximale Rendite begrenzt.
Expresszertifikate
Üblicherweise laufen diese Produkte über mehrere Jahre. In jedem Jahr haben Anleger die Chance, ihr investiertes Kapital vorzeitig zurückzuerhalten, zuzüglich eines Zinskupons, der bereits zum Start des Zertifikats festgelegt wurde. Bedingung: Der zugrunde liegende Basiswert, beispielsweise ein Index oder eine Aktie, darf an einem der festgelegten Stichtage sein Ausgangsniveau nicht unterschreiten. Tut er dies doch, verlängert sich die Laufzeit des Expresszertifikats meist um ein Jahr, in der Regel verdoppelt sich dann auch der Kupon.
Hebelzertifikate
Diese Papiere werden unter anderem als Turbozertifikate bezeichnet. Durch den eingebauten Hebeleffekt können Anleger in kurzer Zeit mit geringem Kapitaleinsatz hohe Gewinne erzielen. Allerdings ist das Risiko hoch, da auch die Gefahr des Totalverlusts besteht.
Indexzertifikat
Diese Zertifikate bilden einen Index (DAX, Dow Jones etc.) nach. Investoren nehmen eins zu eins an dessen Entwicklung teil.
Optionsschein Mit einem Optionsschein kann ein Anleger während einer bestimmten Frist ein Wertpapier kaufen (Call) oder verkaufen (Put). Da der Optionsschein in der Regel gehebelt ist, kann der Inhaber des Scheins überproportional von Kursbewegungen profitieren.
Sprintzertifikate
Mit diesen Produkten können Anleger bei steigenden Kursen überproportional mitverdienen. Sprintzertifikate haben meist eine feste Laufzeit. Am Ende dieser Laufzeit wird zusätzlich zum investierten Kapital der doppelte Kursgewinn des Basiswerts ausgezahlt. Ist beispielsweise eine Aktie um acht Prozent gestiegen, weist der dazugehörige "Sprinter" eine Rendite von 16 Prozent aus.
Strategiezertifikate
Sie bilden bestimmte Anlagestrategien ab. Variationen gibt es en masse. In regelmäßigen Abständen, meist alle drei, sechs oder zwölf Monate, erfolgt die Anpassung der zugrunde liegenden Wertpapiere an die gewählte Strategie. So werden bei einer Dividendenstrategie jene Aktien ausgesucht, die zum jeweiligen Zeitpunkt die höchste Dividendenrendite eines bestimmten Anlageuniversums aufweisen.
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